Immobilienwirtschaft 4/2017 - page 48

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IMMOBILIENMANAGEMENT
I
RECHT
Mietrecht
– Aktuelle Urteile
FAKTEN:
Der Eigentümer schloss mit dem Mieter einen Mietvertrag über gewerbliche
Räume. Später gestattete der Vermieter dem Mieter auch das Lagern von „sonstigen
handelsüblichen Waren“. In der Folgezeit hat der Vermieter das Mietobjekt veräußert.
Später kündigte der Erwerber das Mietverhältnis unter Berufung auf § 550 BGB.
Das Gericht weist zunächst darauf hin, dass durch die Erweiterung des ursprünglichen
Vertragszwecks („Lagerung und Verkauf von Stoffen und Kurzwaren“) auf das Recht
zur Lagerung von „sonstigen handelsüblichenWaren“ der Mietvertrag geändert worden
sei. Die Änderung eines langfristigen Vertrags bedarf gem. § 550 BGB der Schriftform.
Diese ist nicht gewahrt, wenn die Erweiterung der mietvertraglichen Rechte des Mieters
lediglich imWege eines Schriftwechsels erfolgt. In einem solchen Fall kommt zwar eine
Vertragsänderung zustande. Die nach § 550 BGB erforderliche Schriftform ist aber nicht
gewahrt, sodass ein befristetes Mietverhältnis vorzeitig kündbar wird.
An eine so genannte Schriftformheilungsklausel, wonach die Parteien im Falle eines
Schriftformmangels zur Nachholung der Schriftform verpflichtet sind, ist der Erwerber
nicht gebunden. Mündliche oder durch Schriftwechsel vereinbarte Vertragsänderungen
sind auch dann wirksam, wenn der Mietvertrag eine doppelte Schriftformklausel (nach-
trägliche Änderungen und Ergänzungen des Vertrags bedürfen unabdingbar und un-
widerruflich der Schriftform) enthält.
FAZIT:
Der Verstoß gegen die Beurkundungspflicht berechtigt deshalb den Erwerber zur
Kündigung nach § 550 BGB. Die Kündigung ist jedoch gem. § 550 Satz 2 BGB frühestens
zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung des Gewerberaums zulässig.
GEWERBEMIETVERTRAG
Wirksamkeit einer doppelten
Schriftformklausel
Eine in einem Mietvertrag über Ge-
werberäume enthaltene so genannte
doppelte Schriftformklausel kann im
Falle ihrer formularmäßigen Vereinba-
rung wegen des Vorrangs der Indivi-
dualvereinbarung nach § 305b BGB
eine mündliche oder auch konklu-
dente Änderung der Vertragsabreden
nicht ausschließen.
BGH, Beschluss v. 25.01.2017, XII ZR 69/16
NICHTBEACHTUNG DER SCHRIFTFORM
Vorzeitige Kündigung
Wird ein langfristiger Mietvertrag
durch eine mündliche Zusatzabrede
ergänzt, so kann das Mietverhältnis
vor Ablauf der vereinbarten Vertrags-
zeit gekündigt werden. Dies gilt auch
dann, wenn die Kündigung durch
einen Erwerber ausgesprochen wird
und dieser durch den Mieter über die
mündliche Zusatzabrede informiert
wurde. Im Einzelfall kann ein Erwerber
verpflichtet sein, Nachforschungen
über den Vertragsinhalt anzustel-
len. Vorliegend waren die schriftlich
niedergelegten Vereinbarungen aber
eindeutig; eine Mietzinsreduzierung
war dort nicht vorgesehen.
OLG Celle, Beschluss v. 06.01.2017, 2 U 101/16
RÄUMUNGSKLAGE
Berechnung der Beschwer
Der Wert der Beschwer in einer
Streitigkeit über die Räumung von
Wohnraum bestimmt sich gemäß §§
8, 9 ZPO nach dem 3,5-fachen Jahres-
wert der Nettomiete, wenn es sich um
ein Mietverhältnis auf unbestimmte
Zeit handelt. Die der Berechnung der
Beschwer zugrunde liegende Net-
tomiete richtet sich danach, welche
Miete der auf Räumung in Anspruch
genommene Mieter nach dem von
ihm behaupteten Mietvertrag zu
entrichten hat. Ein etwaiger höherer
objektiver Mietwert oder eine höhere
fiktive Marktmiete ist für die Beurtei-
lung ohne Bedeutung.
BGH, Beschluss v. 17.01.2017, VIII ZR 178/16
FORMULARVERTRAGLICHES
AUFRECHNUNGSVERBOT
Wann wirksam?
Die Beschränkung in einem Formular-
Mietvertrag, dass der Mieter nur mit
unbestrittenen oder rechtskräftig
festgestellten Gegen-Forderungen
aufrechnen darf, ist wirksam und auch
nicht dahingehend auszulegen, dass
auch entscheidungsreife Gegen-Forde-
rungen von der Beschränkung ausge-
nommen sind. Die Entscheidungsreife
der (Gegen-)Forderung kann aber
dazu führen, dass die Berufung auf
die Aufrechnungsbeschränkung im
Einzelfall treuwidrig ist. Dies ist aber
nur dann der Fall, wenn die Mietforde-
rung und die Aufrechnungsforderung
in einem untrennbaren Zusammen-
hang stehen.
OLG Hamm, Urteil v. 09.12.2016, 30 U 14/16
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