Immobilienwirtschaft 4/2017 - page 35

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licherweise von Dritten erbracht. Dieses Vorgehen ist, wie so
manches, beeinflusst von angloamerikanischenGepflogenheiten.
Doch das dortige System passt nicht so recht zu der deutschen
Planungskultur. In England oder Amerika erwartenAuftraggeber
von dem Entwurfsarchitekten lediglich einen Satz Zeichnungen.
Der General Contractor nimmt deren Leitdetails undmacht dann
die Ausführungsplanung selber. Kann man machen, die Qualität
ist dann aber niedriger. Finde ich also nicht so gut.
Anders hier in Deutschland. Die meisten Architekten erstel-
len auch die Ausführungsplanung fachgerecht. Sie schulden ih-
remAuftraggeber nicht nur einen Satz Pläne, sondern: das fertige
Werk, das fertiggestellte Gebäude. Also, eigentlich alles. Sie sind
die Kreativen und die Präzisen. Sie sind die Erfinder, die auch für
die Ausführung bis zur letzten Schraube verantwortlich sind. Das
finde ich gut. ImErgebnis führten aber diese schrittweisen Beauf-
tragungen dazu, dass wir viel Zeit ungeduldig verplempert haben,
um in die von uns erwartete frühzeitige Beauftragungssituation
zu kommen. Denn keiner unserer Auftraggeber hatte 3D-Planung
auf seiner Bestellliste und keiner konnte von demWert einer drei-
dimensionalen Planung überzeugt werden. Ganz zu schweigen
von zusätzlichen Planungskosten. Ich fühlte mich unverstanden.
Der einsame Fischreiher kam mir wieder in den Sinn.
Drees & Sommer hat sich im letzten Jahr das Thema BIM
ganz besonders vorgenommen. Professor Sommer beispiels-
weise hat nachgerechnet und kommt auf einen 30 Prozent hö-
heren Planungsaufwand für BIM. Wer trägt diese Kosten? Sie
könnten als besondere Leistungen zusätzlich beauftragt werden.
Dazu fehlen aber bisher die Bereitschaft und das Verständnis der
Auftraggeber. Also, nach einiger Zeit des vergeblichen Wartens
auf den passenden Auftrag haben wir uns dann dazu entschie-
den, das Ganze auf unsere Kappe zu nehmen und einfach mit
der 3D-Entwurfsplanung anzufangen. Wir setzen also einen
BIM-Manager ein, schulen Mitarbeiter in Revit, entwickeln
bürointerne BIM-Standards und sammeln Erfahrungen. Ohne
zusätzliche Beauftragung. Denn das Thema ist noch nicht in
der Immobilienwirtschaft angekommen. BIM ist auch für uns
als Planer, aber vor allem für die Bauausführenden und das Ge-
bäudemanagement extrem hilfreich. Es steigert die Planungs-
qualität. Die Projektentwickler als unsere direkten Auftraggeber
meinen aber noch darauf verzichten zu können. Denn sie ver-
kaufen möglichst schnell weiter. Dadurch entfernt sich Planen
und Bauen zurzeit voneinander. Hier sind die Entwickler und
Planer und dort die Baufirmen, der Investor, die Nutzer und da-
nach das Facility Management. Eine schlechte Entwicklung. Viel
Zank und Streit und hohe Kosten auf allen Seiten, Terminverzü-
ge und schlechtere Qualität könnten vermieden werden, wenn
weniger Beteiligte auf präziseren Ausschreibungsgrundlagen
besser zusammenarbeiten würden. Warum soll das nicht gehen?
KEYPLAYER INVESTOREN UND BAUFIRMEN
Die flächendeckende
Einführung von BIM könnte auch schneller gehen, wenn die In-
vestoren BIM beimKauf nachfragen würden. Das hat ja auch bei
den Nachhaltigkeitszertifikaten gut geklappt. Heute wird kaum
noch ein Neubau verkauft, der nicht nach DGNB oder LEED
zertifiziert ist. Und gerade die Bestandshalter haben durch ein
3D-Modell ihrer Immobilie imManagement klare Vorteile. Auch
die Baufirmen könnten sich einsetzen und eine 3D-Planung als
Ausschreibungsgrundlage einfordern. Gerade auf der Baustelle
lassen sich die Vorteile interaktiver Modelle aus bauspezifischen
Objekten nutzen. Doch das ist alles heute noch die Ausnahme.
Andere Länder sind da schon weiter. In den USA ist BIM
Planungsstandard. Es gibt mittlerweile sowohl nationale als auch
lokale Richtlinien. In Großbritannien ist BIM für alle öffentlich
finanzierten Bauvorhaben Pflicht. Nachdem in Deutschland na-
hezu alle Großbaustellen der öffentlichen Hand massiv aus den
Kosten und Terminen gelaufen sind (und das klingt noch ver-
harmlosend), wurde durch das Bauministerium eine Reform-
kommission für den Bau von Großprojekten eingesetzt. Neben
Bonus-Malus-Zahlungsvereinbarungen und ÖPP-Modellen soll
Building Information Modeling Abhilfe schaffen. Ab 2020 sollen
nur noch 3D-Planungen beauftragt werden. Na also, da habenwir
ja noch drei Jahre. Hoffentlich fliegt dann noch der Fischreiher
gen Horizont. Ich formuliere es vorsichtig: Vielleicht starten und
landen dann aber die Flugzeuge nicht mehr in Tegel.
„Die Projektentwickler verzichten auf BIM. Doch viel Zank und hohe
Kosten für alle könnten vermieden werden, wenn weniger Beteiligte
auf präziseren Ausschreibungsgrundlagen besser zusammenarbeiteten.“
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ZUR PERSON
Eike Becker
leitet seit Dezember 1999 zusammen mit Helge Schmidt das Büro Eike Becker_Architekten in Berlin.
Internationale Projekte und Preise bestätigen seitdem den Rang unter den erfolgreichen Architekturbüros in Europa. Eike Becker_Architekten arbeiten
an den Schnittstellen von Architektur und Stadtplanung mit innovativen Materialien und sozialer Verantwortung.
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