Immobilienwirtschaft 4/2017 - page 32

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INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
STEUERURTEIL
2004 den § 15 Absatz 4 Umsatzsteuerge-
setz so gefasst, dass eine Vorsteuerauftei-
lung nach demUmsatzschlüssel nur noch
dann erfolgen darf, wenn keine andere
wirtschaftliche Zurechnung möglich ist.
Da bei Gebäuden eine Aufteilung
nach dem Flächenschlüssel stets eine
wirtschaftliche Zurechnung ermöglicht,
hatte man mit dieser Regelung die An-
wendung des Umsatzschlüssels praktisch
ausgeschlossen. So dachte man jedenfalls
im Bundesfinanzministerium. Viele Jahre
und ein gutes Dutzend Urteile später gilt
diese restriktiveMarschroute für deutsche
Investoren nicht mehr uneingeschränkt.
BUNDESFINANZHOF HAT DIE NEUEN SPIEL­
REGELN PRÄZISIERT
Deutschland kann
nach einem aktuellen Urteil des Europä-
ischen Gerichtshofs (EuGH) vom 9. Juni
2016 (Rs. C-332/14) zwar grundsätzlich
die Vorsteueraufteilung bei gemischt
genutzten Grundstücken nach dem Flä-
chenverhältnis vorschreiben. Voraus-
setzung ist jedoch, dass das Flächenver-
hältnis eine präzisere Bestimmung des
richtigen Vorsteuerabzuges gewährleistet
als die Umsatzmethode. In seinem An-
schlussurteil vom 10. August 2016 (Az. XI
R 31/09) übernimmt der Bundesfinanz-
hof (BFH) die vom EuGH aufgestellten
Rechtsgrundsätze und präzisiert die neu-
en Spielregeln.
Zunächst muss unterschieden wer-
den zwischen Eingangsleistungen zur
Anschaffung und Herstellung eines Ge-
bäudes und den nachfolgend angefallenen
Aufwendungen für den laufenden Betrieb
der Immobilie.
Die laufendenUnterhaltungs- und Be-
triebskosten lassen sich nachMeinung der
BFH-Richter „verhältnismäßig einfach“
den unterschiedlich genutzten Gebäu-
deteilen zuordnen und dürfen insoweit
nicht in eine Vorsteueraufteilung einbe-
zogen werden. Hier gilt also vorrangig das
Prinzip der direkten Zuordnung zu den
D
ie Bewirtschaftung von Immobilien
von der Herstellung oder Anschaf-
fung bis zur laufenden Unterhaltung
ist äußerst kapitalintensiv. Investoren ver-
suchen deshalb aus verständlichen Grün-
den, das Finanzamt als Kapitalgeber mit
ins Boot zu holen. Das gelingt am besten
über eine möglichst optimale Ausgestal-
tung des Rechts auf Vorsteuerabzug, bei
dem das Finanzamt die auf allen Ein-
gangsleistungen lastende Mehrwertsteu-
er zeitnah zurückerstattet. Das Recht auf
Vorsteuerabzug wird maßgeblich davon
bestimmt, wie die Immobilie genutzt
wird. Soweit der Mieter das Gebäude für
die Erbringung steuerpflichtiger Umsät-
ze einsetzt, kann der Vermieter auf die
Steuerbefreiung der Vermietungstätig-
keit verzichten (Optionsrecht) und so den
Umfang des Abzugs von Vorsteuern auf
Eingangsleistungen optimieren. Soweit
die Immobilie anderweitig genutzt wird,
besteht dieseOptionsmöglichkeit zur Um-
satzsteuerpflicht nicht und der Vorsteuer-
abzug bleibt insoweit versagt.
JAHRELANGER STREIT UM DEN RICHTIGEN
SCHLÜSSEL
Seit über zehn Jahren beschäfti-
gen sich die Finanzgerichte in zahlreichen
Verfahren und Entscheidungen mit der
Frage, auf welche Art undWeise die Höhe
des Vorsteuerabzuges bei gemischt ge-
nutztenGrundstücken zu ermitteln ist. Im
Kern geht es um die Frage, ob die Bundes-
republik abweichend von geltendem EU-
Recht einen Sonderweg bei der Ermittlung
abzugsfähiger Vorsteuern beschreiten
durfte. Das Mehrwertsteuersystem der
Europäischen Union basiert im Wesent-
lichen auf der sechsten EG-Richtlinie. In
Artikel 19 Absatz 1 dieser Norm ist für
die Frage des Vorsteuerabzugs gemischt
genutzter Immobilien für alle Mitglied-
staaten der EU der Umsatzschlüssel als
Aufteilungsmaßstab vorgesehen. Davon
abweichend hatte die Bundesrepublik
Deutschland mit Wirkung zum 1. Januar
Höherer Vorsteuerabzug bei gemischt
genutzten Immobilien
Neue Gerichtsurteile besche-
ren Vermietern gemischt
genutzter Grundstücke nach
Jahren der Rechtsunsicher-
heit endlich Klarheit zum
Vorsteuerabzug. Viele kön-
nen nachträglich eine höhere
Rückerstattung einfordern.
TIPP:
Vermieter gemischt
genutzter Immobilien sollten
Kontakt mit ihrem Steuerberater
aufnehmen und für noch nicht
bestandskräftige Umsatzsteuer­
festsetzungen prüfen lassen, ob
durch die neue Rechtsprechung
nachträglich weitere Vorsteuer­
ansprüche gegen den Fiskus
erhoben werden können.
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