Immobilienwirtschaft 7/2017 - page 55

55
7
-8.2017
FAKTEN:
Nach der Straßenreinigungssatzung der Stadt Wipperfürth sind die Gebäude­
eigentümer verpflichtet, bei Eis- und Schneeglätte zu streuen. An einem Tag waren die
Straßen und Gehwege trocken. Lediglich auf dem amHausgrundstück des Eigentümers
vorbeiführenden Gehweg befand sich eine zirka einen Quadratmeter große vereiste
Fläche. Hier stürzte ein Passant und brach sich das Handgelenk. Das Berufungsge­
richt verurteilte den Hauseigentümer zum Schadensersatz. Der BGH wies die Klage ab.
Grundvoraussetzung für die Räum- und Streupflicht ist das Vorliegen einer „allgemeinen
Glätte“ und nicht das Vorhandensein einzelner Glättestellen. Bei diesen muss der Ver­
kehrssicherungspflichtige nur tätig werden, wenn erkennbare Anhaltspunkte vorliegen,
dass hiervon eine ernsthaft drohende Gefahr ausgeht. Dies war vorliegend zu verneinen.
FAZIT:
Eine Gemeindesatzung kann keine Räum- und Streupflichten für Anlieger be­
gründen, die über die Anforderungen der sie selbst treffenden (allgemeinen) Verkehrs­
sicherungspflicht hinausgehen. Dazu muss die Gemeindesatzung jedoch klar sein, was
hier nicht der Fall war.
Mietrecht
– Aktuelle Urteile
«
VERKEHRSSICHERUNGSPFLICHTEN
Umfang der winterlichen
Räum- und Streupflicht
Eine Verletzung der Verkehrssiche-
rungspflicht wegen Verstoßes gegen
winterliche Räum- und Streupflichten
setzt entweder das Vorliegen einer
allgemeinen Glätte voraus oder das
Vorliegen von erkennbaren Anhalts-
punkten für eine ernsthaft drohende
Gefahr aufgrund vereinzelter Glätte-
stellen.
BGH, Urteil v. 14.02.2017, VI ZR 254/16
FAKTEN:
Der Vermieter hat dasMietverhältnis gekündigt, weil er für die Betreuung seiner
Immobilien einen Hausmeister benötige, dem er die Wohnung des Mieters überlassen
wolle. Mieter und Vermieter schlossen einen Räumungsvergleich. Der Vermieter über­
ließ die Wohnung jemand anderem. Der Mieter nimmt ihn deshalb auf Schadensersatz
inAnspruch. Zu Recht. Hat sich derMieter durchVergleich zur Räumung verpflichtet, so
kann der Schadensersatzanspruch nicht darauf gestützt werden, dass die Kündigung un­
wirksamwar. DerMieter kann aber geltendmachen, dass die vomVermieter behauptete
Bedarfssituation inWahrheit nicht vorgelegen hat. Etwas anderes kann gelten, wenn sich
aus demVergleich ergibt, dass der Mieter auch auf eventuelle Schadensersatzansprüche
verzichten will. Ein Indiz hierfür wäre eine Abstandszahlung des Vermieters oder der
Verzicht auf Schönheitsreparaturen. Solche Umstände waren vorliegend nicht gegeben.
FAZIT:
Wird der vomVermieter behauptete Bedarf nicht verwirklicht, hat der Vermieter
plausibel darzulegen, warumder Eigenbedarf nachträglich entfallen sein soll. Vorliegend
konnte der Vermieter dies nicht.
RÄUMUNGSVERGLEICH
Schadensersatz wegen vor-
getäuschten Betriebsbedarfs
Eine Kündigung wegen „Betriebsbe-
darfs“ nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB
setzt voraus, dass betriebliche Gründe
die Nutzung gerade der gekündig
ten Wohnung notwendig machen.
Die Wohnung muss deshalb für die
betrieblichen Abläufe nach den Auf-
gaben der Bedarfsperson von wesent-
licher Bedeutung sein.
BGH, Urteil v. 29.03.2017, VIII ZR 44/16
FAKTEN:
Zwischen demEigentümer und demMieter besteht einMietverhältnis über La­
denräume. Der Mieter vermietete das Mietobjekt an einenUntermieter. Später kündigte
der Eigentümer das Hauptmietverhältnis. Zugleich schloss ermit demUntermieter einen
Mietvertrag. Der stellte dieMietzahlungen an denHauptmieter ein. Dieser kündigte nun
das Untermietverhältnis und nahm den Untermieter auf Herausgabe in Anspruch. Das
Hauptmietverhältnis war jedoch nicht beendet worden, weil das Kündigungsschreiben
dem Hauptmieter nicht zuging. Musste der Untermieter die Räume trotz des mit dem
Eigentümer bestehenden Mietvertrags an den Hauptmieter herausgeben? Ja, so das Ge­
richt: Der Abschluss eines (Haupt-)Mietverhältnisses mit dem Eigentümer berechtigt
den Untermieter nicht zur Zahlungseinstellung und zur Verweigerung der Herausgabe.
FAZIT:
Anders ist es nur, wenn der Hauptmieter aufgrund der Beendigung des Haupt­
mietverhältnisses seinerseits zur Herausgabe der Mietsache verpflichtet ist. Vorliegend
war dies nicht der Fall, weil die Kündigung des Eigentümers unwirksam war.
GESCHÄFTSRAUMMIETE
Herausgabepflicht
des Untermieters
Der Abschluss eines eigenen Miet-
vertrages mit dem Hauptvermieter
entbindet den Untermieter gegenüber
dem Untervermieter bei fortbestehen-
dem Mietvertrag des Untervermieters
mit dem Hauptvermieter nicht von
seiner Herausgabepflicht nach Beendi-
gung des Untermietverhältnisses.
OLG Hamm, Urteil v. 22.02.2017, 30 U 115/16
1...,45,46,47,48,49,50,51,52,53,54 56,57,58,59,60,61,62,63,64,65,...76
Powered by FlippingBook