Immobilienwirtschaft 11/2017 - page 45

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1.2017
Maßnahme oder Modernisierung? Zahl-
reiche Experten erachten den Einbau als
Modernisierung, da Elektrofahrzeuge
durch den höheren Nutzungsgrad gegen-
über herkömmlichen Verbrennungsmo-
toren Primärenergie einsparen. Für diese
Frage hält das in die Jahre gekommene
Wohnungseigentumsgesetz allerdings
keine praktikable Auslegung bereit. Eine
Elektroladestation ist kein Mindeststan-
dard, dessen Garantie die ursprüngliche
Intention des Paragraphen (§ 21 Abs. 5 Nr.
6 WEG) vorsieht. Nach aktueller Recht-
sprechung besteht weder für den Eigen-
tümer noch für den Mieter ein Anspruch
auf einen Ladeanschluss.
Auch der 2016 von den Bundeslän-
dern Bayern und Sachsen in den Bun-
desrat eingebrachte Gesetzentwurf zur
Förderung von Elektromobilität und Bar-
rierefreiheit will nur eine vereinfachte Be-
schlussfassung herbeiführen und möchte
etwa für Mieter eine Anspruchsnorm für
den Einbau von Ladestationen in § 554b
BGB vorsehen. Allerdings wird die Ko-
sten- und Finanzierungsfrage ausgespart.
100 MILLIONEN EURO FÖRDERPROGRAMM
Es gilt, die richtigenAnreize zu setzen und
insbesondere finanzielle Hürden für die
Installation der erforderlichen Ladeinfra-
struktur abzubauen. Dabei sollten nicht
nur die Kosten der Ladesäule bezuschusst
werden, sondern vielmehr der Austausch
der Netze bzw. das Lademanagementsys­
tem. Denn wem ist geholfen, wenn in der
Tiefgarage zwei Ladesäulen stehen, aber
andere Eigentümer keine weiteren La-
desäulen aufstellen können, da dann das
Stromnetz zusammenbricht? Auch dieser
Umstand verhindert letztlich die E-Mobi-
lität im Mehrfamilienhaus.
Mit einem Förderprogramm in Höhe
von 100 Millionen Euro kann Eigentü-
mern und auch Mietern die Skepsis vor
der Anschaffung eines Stromers wirkungs-
voll genommen und auch der „Frieden“
innerhalb der WEG gewahrt werden. Ein
staatlicher Zuschuss federt einen Teil der
Kosten ab und animiert gegebenenfalls
weitere Eigentümer oderMieter zumKauf
eines Stromers. Erfolgversprechend kann
hierbei auch die Aufstockung bzw. Erwei-
terung bestehender Förderprogramme
sein. So kann die Förderung der Elektro-
mobilität beispielsweise an ein bestehen-
des Programm der KfW Bankengruppe
zur Verbesserung der Energieeffizienz
oder Barrierefreiheit gekoppelt werden,
um Synergieeffekte zu schaffen. Wenn
ohnehin Sanierungsarbeiten am oder
im Mehrfamilienhaus geplant sind, kann
problemlos eine weitere Finanzspritze für
die Ertüchtigung des Stromnetzes und den
Einbau einer oder mehrerer Ladesäulen in
Anspruch genommen werden. Die Politik
muss endlich verlässliche und praktikable
Rahmenbedingungen schaffen, umWoh-
nungseigentümern den Umstieg auf das
E-Auto zu erleichtern. Gebäude, Energie-
management und Mobilität sollten dabei
besser verzahnt werden, damit sich die E-
Mobil-Wende nicht weiter verzögert.
Denn bloß eines dürfte praktikabel
sein: So wie das Handy an der heimischen
Steckdose aufgeladen wird, so sollte es
auch mit dem E-Mobil sein.
SUMMARY
»
Für den Erfolg (oder Misserfolg) der
E-Mobilität
sind drei Faktoren entscheidend: die
Anschaffungskosten
der Fahrzeuge, die
Reichweite
und die
Ladeinfrastruktur
.
»
Die Bundesregierung investiert
dafür momentan 300 Millionen Euro in den Ausbau der öffentlichen
Ladeinfrastruktur.
»
Doch zu Beginn des Jahres 2017 waren
gerade einmal 34.000 reine Stromer
auf den Straßen unterwegs.
»
Wichtig ist, nicht
nur die Kosten der Ladesäule zu bezuschussen, sondern vielmehr den
Austausch der Netze und das Lademanagementsystem
.
Foto: Scharfsinn/shutterstock.com
«
Martin Kaßler, Berlin
Umweltbonus hat die Bundes-
regierung 2016 für reine
Batteriefahrzeuge eingeführt.
4.000
Euro
Der Erfolg der
Energiewende hängt
auch an der Anzahl
der Ladestationen.
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