Immobilienwirtschaft 11/2017 - page 35

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1.2017
DER SCHLÜSSEL
ManfredWenzel, Gründer
und Geschäftsführer des Frankfurter Ar­
chitekturbüros TEK TO NIK, führt beide
Projekte durch. Er plant und baut seit zirka
20 Jahren für und mit Stiftungen. Er sieht
auf die neuen Bauherren wie folgt: „Stif­
tungen sind, aufgrund der Niedrigzins
politik, seit einigen Jahren zu Teilnehmern
des Baugeschehens geworden. Da sie den
Stiftungsauftrag, Gelder kurzfristig anzu­
legen, nicht erfüllen können oder dürfen,
interessieren sie sich für die langfristige
Rendite von Immobilien. Somit sind Im­
mobilien eine attraktive Anlagealternative
geworden.“
Wenn die Stiftungen solch ein Ge­
schäft auflegten, benötigten sie, laut Wen­
zel, neben der Beratung durch den Archi­
tekten zusätzliche Unterstützung. Im Fall
vonMedico sei dies ein Projektentwickler,
bei der Else Kröner-Fresenius-Stiftung ein
Projektsteuerer. „Dadurch“, so der Archi­
tekt, „wird für die Stiftungen das Risiko
des Baugeschäfts vertretbar minimiert.
Diese Entwicklung ist vergleichbarmit der
gesellschaftlich-städtebaulichen Situation
der Gründerzeit, wo ebenfalls das Bürger­
tum auch in Form privater und institutio­
neller Anleger zur Entwicklung der Städte
beitrug. Der Unterschied zu heute besteht
darin, dass Stiftungen ihre Gelder nach­
haltig anlegen. Es wird aus der Mitte der
Gesellschaft wieder mitgebaut. Der Stif­
tungsgedanke wird in das Bau
geschehen
hineingetragen. Das kommt den Projekten
zugute.“
InmanchemBauprojekt für Stiftungen
mag der Schlüssel zu einer neuen und
besseren Baukultur liegen. Welche archi­
tektonischen Ergebnisse diese Rückbesin­
nung auf tradierte Werte des Planens und
Bauens zeitigt, wird man ab 2018 mit der
Fertigstellung der beiden hier erwähnten
Projekte mit eigenen Augen beurteilen
können.
befassen, diese umso enger. Auch mag
ihr Bezug zu den Vermögensbeständen
der Stiftung unmittelbarer sein. Sie sind
damit direkter verwoben und engagieren
sich entsprechend dafür“, räsoniert Rudolf
Herfurth, Baubeauftragter der Else Krö­
ner-Fresenius-Stiftung aus BadHomburg.
Auch im Dialog mit Architekten ge­
staltet sich die Kooperationmit Stiftungen
eher enger und vertrauter, wie Herfurth
weiter erläutert: „Der Architekt präsen­
tiert sein Konzept dem Aufsichtsrat einer
Stiftung gegenüber auch in Bezug auf
die Entwicklung seiner Ideen wesentlich
häufiger als vielleicht in einem regulären
Bauprojekt. Er muss ausführlich Rede und
Antwort stehen und offen sein für Anre­
gungen, die er von dort bekommt. Dieser
Vorgang strahlt in beiderseitigerWeise auf
Architekten und Bauherrn ab.“
AUFWENDIGERE PROJEKTE
Im Fall der Zeil
111 inFrankfurt kommt eine Besonderheit
hinzu. Die dort seit über hundert Jahren
angesiedelte Hirsch-Apotheke hat mit der
Geschichte des Stifters zu tun, sie stellt die
Urquelle des Stiftungsvermögens dar. Die
Historie ist einer der Hauptgründe, wa­
rumdie Else Kröner-Fresenius-Stiftung an
demProjekt mit besonderemEngage
ment
als Bauherr beteiligt ist. Eine individuelle
architektonische Gestaltung steht bei vie­
len Stiftungen auf derWunschliste. Bei der
Zeil 111 war sie sogar gefordert, um sich
von den benachbarten „Serienprodukten“
der Architektur abzusetzen.
Auch die neue Hauptverwaltung der
vor zehn Jahren gegründeten Medico
Stiftung offenbart eigene innerste Wert­
vorstellungen, wie Geschäftsführer Tho­
mas Gebauer ausführt: „Wir wollten ein
Gebäude, welches zentral in Frankfurt
liegt und das wir gemeinsam mit anderen
sozialen Einrichtungen nutzen können. Es
sollte ein Solitär sein, der unsere eigene
Identität verkörpert. Dabei fühlten wir
uns imVerhältnis zumBauträger wie auch
zum Architekten gut aufgehoben.“
Allerdings sollte man nicht demTrug­
schluss aufsitzen, Stiftungsräte seien spen­
dierfreudig. Rudolf Herfurth betont: „Stif­
tungen als Non-Profit-Organisationen
können nicht mehr Geld ausgeben als
andere. Denn aufgrund der Steuerbegüns­
tigung geben Stiftungen indirekt das Geld
der Steuerzahler aus. Andererseits wird
aber dennoch versucht, über Bauprojekte
ein Außenbild der Stiftung zu gestalten,
welches individuell sein sollte und aus der
Masse hervorsticht.“
SUMMARY
»
Stiftungen
bauen seltener, aber oft anders als rein kommerzielle Bauherren.
»
Die
Umsetzung der Bauaufgabe
erfolgt zumeist mit Engagement und Empathie.
»
Dabei steht die
Gemeinnützigkeit
der Non-Profit-Organisationen im Vordergrund.
»
Stiftungsbauprojekte können ein
Schlüssel zu einer neuen Baukultur
sein.
»
Das
Geschäftshaus Zeil 111
(Else Kröner-Fresenius-
Stiftung) und die
Medico Hauptverwaltung
(Medico Stiftung) in Frankfurt/Main verkörpern den Stiftungsgedanken.
Fotos: TEK TO NIK
«
Christian Brensing, Berlin/London
„Da Stiftungen ihren
Auftrag, Gelder kurzfristig
anzulegen, aufgrund der
Niedrigzinspolitik derzeit
nicht erfüllen können oder
dürfen, interessieren sie
sich für die langfristige
Rendite von Immobilien.“
Manfred Wenzel,
Gründer und
Geschäftsführer des Frankfurter
Architekturbüros TEK TO NIK
Die Hauptverwaltung
der Medico Stiftung
und das Geschäfts-
haus Zeil 111 der Else
Kröner-Fresenius-Stif-
tung in Frankfurt/M.
verkörpern jeweils den
Stiftungsgedanken.
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