Immobilienwirtschaft 11/2017 - page 42

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VERMARKTUNG & MANAGEMENT
I
UMFRAGE
oder weil sie vergessen, eine Selbst- und
Schufaauskunft vor Abschluss eines Miet-
vertrags vom Interessenten einzufordern.“
Zwischen diesen beiden Polen bewe-
gen sich die Situationsbeschreibungen der
allermeisten Immobilienmakler in NRW.
Von einigen Ausnahmen abgesehen –
denn es gab auch vereinzelte Geschäftsauf-
gaben – hat die Einführung des Besteller-
prinzips im bevölkerungsreichsten Bun-
desland nicht zu einem Kahlschlag unter
den Maklern geführt. „Es hat jedoch eine
gewisseMarktbereinigung gegeben, einige
Nebenerwerbsmakler sind tatsächlich auf
der Strecke geblieben“, gibt einDüsseldor-
fer Makler seinen Eindruck wieder. Na-
mentlich genannt werdenmöchte er aller-
dings nicht. Doch ein zweiter Punkt fällt
auf: Eine Schärfung des Bewusstseins für
die eigene Leistungsfähigkeit ist eingetre-
ten – und zwangsläufig auch eine bessere
Kommunikation darüber. Viele Immobi-
lienvermittler haben ins Marketing inves­
tiert und bringen ihre Dienstleistungen
zielgerichteter ins Bewusstsein der po-
tenziellen Kundschaft. Dieser Umstand
scheint sich mittelfristig auszuzahlen.
Auf Verbraucherseite allerdings hat
die Einführung des Bestellerprinzips die
Situation eher noch verschlechtert. Ver-
mieter als die alleinigen „Herren des Ver-
fahrens“ vergeben ihre Objekte an die sol-
ventesten Bewerber. Schwellenhaushalte
fallen durchs Raster, die Frage nach der
„sozialen Gerechtigkeit“ bleibt unbeant-
wortet.
KUNDENBINDUNGEN FEHLEN
Susanne
Trösser, Geschäftsführerin der RIS Rhei-
nischer Immobilienservice GmbH in
Leverkusen, weist auf eine andere Folge
des Bestellerprinzips hin. „Das Vermie-
tungsgeschäft war in der Vergangenheit
auch immer ein Ansatz zur Neuakquise
von Objekten zum Immobilienverkauf.
So entstanden Kundenbindungen. Das
funktioniert heute nicht mehr.“ Generell
A
nfangs habe sein Büro ein paar Kun-
den verloren. „Mittlerweile hat sich
die Situation aber wieder norma-
lisiert und wir freuen uns auch über ei-
nige Privatvermieter, die uns regelmäßig
beauftragen.“ Das sagt Wolfgang Tullius,
Immobilienunternehmer in Essen und
seit mehreren Jahrzehnten als Makler im
zentralen Ruhrgebiet tätig. Er berichtet,
dass sich sein Geschäftsmodell seit Mitte
2015 nur unwesentlich verändert habe.
Der Ansatz, proaktiv auf Vermietungs-
auftraggeber aus dem Bestand zuzugehen
und auch potenzielle Neukunden ausführ-
lich über das eigene Leistungsportfolio zu
informieren, habe sich bezahlt gemacht.
„So habenwir unter anderemeigens einen
Flyer ‚Vermietungsleistungen für Vermie-
ter‘ erarbeitet.“
Wolfgang Tullius, der die anderenKol-
legen und denWettbewerb in seiner Stadt
ebenfalls im Blick hat, sind zwar Fälle von
Umsatzrückgängen bekannt, aber von
dramatischen Einbrüchen oder gar Ge-
schäftsaufgaben kann er nicht berichten.
BIS ZU 70 PROZENT WENIGER UMSATZ
20
Kilometer weiter östlich, in der Univer-
sitätsstadt Bochum, sieht die Situation
schon anders aus. Von bis zu 70 Prozent
Umsatzeinbußen im Vermietungsbereich
berichten dort einige Makler. Allerdings
war dies in vielen Fällen eine temporäre
Reaktion – inzwischen konnten eini-
ge Vermieter zurückgewonnen werden.
„Aber etwa ein Drittel des Umsatzes, den
wir vor der Einführung des Besteller-
prinzips im Vermietungsbereich hatten,
haben wir dauerhaft verloren“, berich-
tet Kay Mengelbier, Geschäftsführer der
Wappen-Immobilien GmbH. „Erst wenn
die erste eigene Vermietung schiefgeht, ist
man bereit, wieder einen Fachmakler zu
beauftragen. Privatanbieter fallen im Au-
genblick übrigens oft auf Mietnomaden
herein. Auch weil sie keine Möglichkeit
haben, Wirtschaftsauskünfte einzuholen
Zwei Jahre Bestellerprinzip:
Was Immobilienmakler heute sagen
Als 2015 das Bestellerprin-
zip eingeführt wurde, war
der Aufschrei der Makler
groß. Welche Folgen sind
nun, gut zwei Jahre später,
zu beobachten? Waren die
ökonomischen Folgen so gra-
vierend wie befürchtet? Der
IVD West hat in Nordrhein-
Westfalen Mitglieder des
Verbands nach ihren Erfah-
rungen befragt.
70
%
Kauf- und 30 Prozent Mietob-
jekte wurden durch Makler
seit Einführung des Bestel-
lerprinzips vermittelt. Früher
war das Verhältnis zwischen
Kauf- und Mietobjekten fast
ausgeglichen.
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