Immobilienwirtschaft 11/2017 - page 38

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INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
KOLUMNE
Ich erzähle von meinen Bildungs- und Misserfolgen. Von Gott-
fried Böhm, der als Pritzker Preisträger im selbstgestricktenWoll-
pullover und mit schlohweißem Haar mit gebeugter Haltung in
der rappelvollen Aula der RWTH Aachen dem ersten Semester
seinen Lebensweg nachzeichnete und Bescheidenheit vorlebte.
Im Institut für leichte Flächentragwerke traf ich in Stuttgart auf
Frei Otto. Ein blitzgescheites Genie, das sich auch erlaubte, seine
Talente gebührend zu würdigen.
Beeindruckt hat mich auch Klaus Humpert, der beweisen
konnte, dass auch diemodernenGroßstädte natürliche Konstruk-
tionen sind. Dass sie quasi auf ganz natürliche Weise entstanden
sind, nach weltweiten Prinzipien, trotz millionenfacher Planung
im Großen und Ganzen ungewollt.
Ansonsten sprach Humpert von „Besetzen, Bewegen und
Aufrichten“, von „Wegelagerern“ und „zellulärem Stadtwachs-
tum“. Wir erforschten die morgendliche „Besiedlung“ des Uni-
Parkplatzes und fanden heraus, warumder Trampelpfad über die
Universitätswiese Jahr für Jahr immer wieder genau an derselben
Stelle einen Knick bekam. Durch ein bescheidenes Erasmus-
Stipendium lernte ich in Paris auch die harte Seite des Lebens
kennen. Wenn man die Sprache nicht flüssig spricht und die
Menschen sich genervt abwenden, bleibt das eigene Schiffchen
auf dem Trockenen.
Aber auch wenn kaum einer mit mir sprechen wollte, konnte
ich vor Ort von der Kathedrale in Beauvais bis zum Parc de la
Villette alles studieren, was sich nicht bewegte. Doch das Rom
A
m Flughafen holt mich Wojciech Fudala von der SIRP, der
dortigen Architektenkammer, ab. Er ist der junge Kurator
der Vortragsreihe „Masters of Architecture“ inKatowice. Auf
der Fahrt fliegen Häuser an mir vorbei, von denen ich dachte sie
bereits vor Jahren hinter mir gelassen zu haben. Unser Ziel ist
das neue kulturelle Zentrum der Stadt. Die Region wird gerade
umgepflügt. Wie das Ruhrgebiet. Zechen schließen, Kultur- und
Dienstleistungen sollen die Arbeitsplätze und den Stolz wieder
zu Tage fördern. Auf der ehemaligen Steinkohlezeche haben die
Grazer Architekten Riegler Riewe das neue Schlesische Museum
in den Fels gegraben. Gegenüber steht das Konzerthaus für das
Nationale Radio Symphonie Orchester, daneben das Internati-
onale Konferenzzentrum, innen und außen kohlrabenschwarz,
von Jems aus Warschau. Alles sehr schöne Gebäude, von der EU
gefördert. So kann Umbruch auch aussehen.
Der deutsche Kulturattaché ist die drei Stunden Fahrt aus
Warschau gekommen. Ein humorvoll ironischer Diplomat. Trotz
seiner Zweifel angesichts der Größe des Hauses bildet sich eine
Schlange vor dem Einlass und der 400 Zuschauer fassende Saal
füllt sich zusehends. Zu meiner Überraschung vor allemmit Stu-
dentinnen. Sie kommen von den umliegenden Universitäten aus
Kraków, Katowice und Gliwice.
Die Architektur wird weiblich hier. In meinem Vortrag spre-
che von dem Mut, der hilft, wenn man als junger Mensch viel-
leicht mit eigenen Zweifeln, aber erfüllt von der Liebe zu allem
die Welt verbessern will.
Lernen, lebenslang
Foto: Dirk Weiß
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