Immobilienwirtschaft 3/2017 - page 44

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VERMARKTUNG & MANAGEMENT
I
SACHVERSTÄNDIGENKRITIK
on durchgeführt wird. Alleine der Preis
zeigt, dass das Bewertungsverfahren gar
nicht detailliert und genau sein kann. So
erfolgt beispielsweise die Bodenwerter­
mittlung lediglich anhand eines hinter­
legten Bodenwertes, dessen Quelle nicht
angegebenwird. Auch ist nicht ersichtlich,
auf welchen Stichtag sich der Bodenwert
bezieht oder ob es sich umeinenRichtwert
handelt.
Bezieht sich der Bodenwert auf ein
Richtwertgrundstück, somuss der Boden­
wert mit so genanntenUmrechnungskoef­
fizienten an die Grundstücksgröße des Be­
wertungsobjektes angepasst werden. Nach
den Ausführungen von Immonet auf der
Homepage geschieht dies auch – jedoch
wird der Rechenweg nicht nachvollziehbar
dargestellt.
Die Lage, die eben entscheidend für
eine Wertigkeit ist, wird vollständig igno­
riert. Und zwar mit dem Argument, dass
die Lage bereits in der Höhe des Boden­
richtwerts berücksichtigt wird. Leider ist
aber eine Lage sehr individuell. Auch der
Verfahrensgang bei der Ermittlung eines
Gebäudesachwerts ist nur grob dargestellt.
ImRahmen einer „Wertexpertise“ werden
die Objektdaten etwas genauer erhoben.
Jedoch ersetzt auch sie keine umfang­
reiche, seriöse Immobilienbewertung, die
auch den Namen „Bewertung“ verdient.
Eine Immobilienbörse (und vielleicht ein
kooperierender Bewerter) können eine se­
riöse Wertermittlung gar nicht zu diesem
Preis anbieten, weil sie nicht vor Ort die
Immobilie besichtigen und genau analy­
sieren.
IMMOBILIENSCOUT.DE
Hier wird mit
einem zunächst kostenlosen Angebot für
die Immobilienbewertung geworben. Mit
nur wenigen Klicks wird geschickt eine
statistische Frage gestellt, die in keinem
direkten oder indirekten Zusammenhang
mit einer Wertermittlung im klassischen
Sinne steht: Warum wird die Immobili­
enbewertung benötigt? Anschließend er­
scheint die erste relevante, grundlegende
Frage nach der Immobilienart. Nachfol­
gend werden Angaben zur Wohnfläche,
Grundstücksgröße, zum Baujahr, zum
Zeitpunkt letzter Modernisierungen
(jedoch ohne Rückfrage nach Art und
Umfang), zur Qualität der Immobilie
(einfach, normal, gehoben), zur Ausstat­
tung, zur Nutzung (eigen oder fremd),
zur Anschrift und zu den Kaufdaten ge­
macht (Letzteres ist auch nur eine statis­
tische Angabe).
Immobilienscout selbst erläutert in
einem Video, dass sie auf die angeblich
größte Immobiliendatenbank Deutsch­
lands zurückgreifen. Dumm nur, dass
es nicht die Daten von Immobilienscout
sind, sondern die Daten der Makler bzw.
privaten Grundstückseigentümer. Beide
Kundengruppen werden für die Verwen­
dung der Daten nicht entschädigt. Immo­
bilienscout ist lediglich Eigentümer der
Datenbankstruktur – jedoch nicht der
Daten selbst (das gilt für alle Immobili­
enbörsen gleichermaßen).
Im Rahmen der „Bewertung“ wer­
den lediglich 14 ähnliche Immobilien
hinsichtlich der Lage, des Baujahrs, der
Wohnfläche wie auch der Ausstattung
berücksichtigt. Um „die Kalkulation zu
verbessern“, werden jeweils die beiden
günstigsten und teuerstenObjekte aus der
Auswertung entfernt. Aus den zehn ver­
bleibenden Objekten wird ein Mittelwert
durch das klassische arithmetische Mittel
gebildet. Das war’s. Das war’s mit der „Im­
mobilienbewertung“. In der Auswertung,
die dem Kunden per Mail übermittelt
wird, werden die Daten noch mit Karten
und „statistischem Beiwerk“ ergänzt.
Leider hat dieser gesamte Vorgang
weder inhaltlich noch verfahrenstech­
nisch etwas mit einer Wertermittlung
bzw. einer Bewertung zu tun: Es wird nicht
kommuniziert, ob das dargestellte grobe
Vergleichswertverfahren auch für andere
Immobilienarten verwendet wird. Selbst
wenn es, wie im Video dargestellt, bei
Einfamilienhäusern zum Greifen kommt,
muss nicht zwangsläufig „eine ausrei­
chende Anzahl von Vergleichspreisen“
nach § 15 ImmoWertV vorhanden sein,
da Immobilien in ihrer Eigenart einfach zu
individuell sind. Im üblichen Geschäfts­
verkehr werden in der Regel
Einfamilienhäuser im Sachwertver-
fahren
Mehrfamilienhäuser im Ertragswert­
verfahren und
Eigentumswohnungen entweder im
Vergleichswert- oder im Ertragswert­
verfahren
bewertet. Hier fehlt es also eindeutig an
Transparenz und der richtigen Verfah­
renswahl.
Um diese irreführenden Vorgänge
noch zu toppen, machen es sich Makler
leicht und präsentieren dem Kunden im
Rahmen der Objektakquise gar nicht erst
eigene Berechnungen, sondern gleich die
Ermittlung „des Wertes“ eines Immobi­
lienportals (z.B. eine Wertexpertise von
Immonet) und kommunizieren, dass ein
Der Gesetzgeber sollte die Arbeit
der Bewerter unterstützen:
1.
Die Bezeichnung „Sachverständiger“
muss geschützt werden, sodass
nicht jeder, der sich „sachverständig
fühlt“ auch ein „Sachverständiger“
sein kann.
2.
In §34c GewO sind die Rahmenbe-
dingungen für die Gewerbeerlaubnis
als Makler, Bauträger und Baube-
treuer geregelt. Es ist unabdingbar,
dass hier auch der Berufsstand der
Sachverständigen mit aufgenom-
men und definiert wird, welche
nachzuweisenden Qualifikationen
notwendig sind, um grundsätzlich
als Sachverständiger überhaupt
tätig sein zu können (so genannter
Sachkundenachweis, z.B. durch eine
entsprechende Aus- bzw. Weiter-
bildung). Diese Regelungen sollten
im Optimalfall für bereits tätige und
zukünftige Sachverständige gelten.
Makler wie auch Mitarbeiter von Im-
mobilienbörsen sollten zwangsläufig
ebenfalls von diesen Regelungen
betroffen sein – ohne Ausnahme.
FORDERUNG
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