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INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
KOLUMNE
Aus den fast 500 abgegebenen Entwürfenwurden zehn eigenartig
schlichte Arbeiten für die zweite Wettbewerbsphase ausgewählt.
Vorrangig lange, abstrakte, schmale Riegel, die zwischen die Nati-
onalgalerie vonMies und die Philharmonie von Scharoun gestellt
wurden. So viele Arbeiten und so wenig prägnante Architektur,
die die strenge Prüfung durch die Jury passieren konnte.
Ziemlich enttäuscht stand ich wieder draußen auf der noch
leeren Fläche des Kulturforums. Schweißausbruch. Warumkom-
men so häufig so banale Entwürfe ganz nach vorne? Auch bei
anderen Wettbewerben beobachte ich als Teilnehmer oder Ju-
ror immer häufiger, dass sich innovative Lösungen schwertun
und konventionelle Vorschläge den Auswahlprozess siegreich
durchlaufen. Aber diese Backsteine sollten die Lösung für eine
schier unlösbare Aufgabe sein? Eine Aufgabe, an der bereits eine
Vielzahl von Architekten wie die Prinzen am überwucherten
Burggraben vor dem Schloss von Dornröschen gescheitert sind.
GIGANTEN UNTER DEN RIESEN
Also hoffte ich auf die zweite Phase,
den entscheidenden Wettbewerb. Denn dabei wurde das Teil-
nehmerfeld um einige weltweit besonders qualifizierte, namhafte
Architekturbüros erweitert. Als dann wenige Monate später die
Jury die endgültige Wettbewerbsentscheidung vorstellte, war ich
entsetzt und wütend. Die Schweizer Herzog & de Meuron wur-
den nach der zweiten Phase der staunenden Weltöffentlichkeit
D
as Foyer der Gemäldegalerie im Kulturforum Berlin ist ein
zugiger Ort. Gerade habe ich den Rundgang durch die lan-
gen Tafelreihen mit den vielen Beiträgen der ersten Wett-
bewerbsphase für die Neue Nationalgalerie, das Museum des
20. Jahrhunderts, durchschritten und wende mich schon wieder
demAusgang zu. Damacht mich ein Kollege darauf aufmerksam,
dass ich erst einen kleinen Teil der eingereichten Wettbewerbs-
entwürfe gesehen habe.
Und tatsächlich, einen Treppenabsatz weiter unten bietet sich
mir durch ein Fenster der erschütternde Ausblick auf 400 wei-
tere, liebevoll entworfene und fein gebaute Architekturmodelle.
Sie stehen dicht an dicht auf einem riesigen, tafelartigen Tisch
und füllen einen turnhallengroßen Ausstellungsraum. Diese
Arbeiten wurden bereits in der ersten und zweiten Runde aus-
sortiert. Hier sind alle nur denkbaren Stilrichtungen vertreten:
wilder Expressionismus aus Österreich, organisch berechneter
Parametrismus aus England, kühler Minimalismus, klassische
Moderne, sentimentale Postmoderne, romantischer Historismus
aus den Niederlanden, Belgien, der Schweiz, Frankreich, Italien,
Amerika, China, Japan und vielen weiteren Ländern. Es geht ja
schließlich umdie Aufgabe der Aufgaben, die Komplettierung des
Kulturforums mitten in Berlin. StaatsministerinMonika Grütters
hat die Initiative ergriffen und für das bereits über Jahrzehnte
diskutierte Vorhaben 200 Millionen Euro eingeworben.
Monumental
Foto: Dirk Weiß