Immobilienwirtschaft 3/2017 - page 25

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deutlich vorsichtiger. „Noch ist alles gut bei den Immobilien. Als
Asset-Klasse rechnen sie sich in dieser zunehmend unsichereren
Welt immer noch“, bestätigt Daniel Tochtermann, Chef für glo­
bale Immobilien-Investitionen bei Credit Suisse. Betrachte man
die Renditen über die Zeitreihen und nach Anlageklassen, so
seien sie immer ganz vorne mit dabei. Sogar noch vor Gold. Das
mache klar, so Tochtermann schmunzelnd, dass bei „Betongold“
der Fokus auf „Beton“ liege. Die Situation sei also eigentlich gut,
doch man müsse sich durchaus die Frage stellen: „Steuern wir
nicht auf tektonische Brüche zu – vor allem durch die Abschot­
tungstendenzen?“ Bislang hätten die politischenThemen nur be­
schränkt wirtschaftliche Auswirkungen gezeigt, doch stünde die
tatsächliche Umsetzung sowohl des Brexits als auch bei Trump
noch aus. Die Welt sei ja durch beide Ergebnisse überrascht wor­
den, dochmüsseman sich zunehmend darauf einstellen, dass dies
noch öfter geschehe.
«
Beatrix Boutonnet, Rosenheim
Herr Kesseler, welche Bedeutung haben
Immobilienaktien weltweit?
Die Zahlen
bilden die Bedeutung der Immobilienaktien gut
ab. Der FTSE EPRA/NAREIT Global Real Estate
Index hat einen Wert von fast 1,4 Billionen
Euro per Ende Januar 2017 und setzt sich aus
487 Unternehmen zusammen. Mehr als 1,2
Billionen kommen aus den Industriestaaten:
57,6 Prozent aus den USA, 27,1 Prozent aus
Asien und 15,3 Prozent aus Europa. Die 13
gelisteten deutschen Unternehmen haben eine
Full Market Cap von 42 Milliarden Euro. Das sind
3,1 Prozent des Global Developed Index und
20,6 Prozent des Developed Europe Index (37,3
Prozent des Euro Zone Index).
Wie stuft die Politik in der EU und auf
Länderebene diese Asset-Klasse ein?
Leider
leidet der börsennotierte Immobiliensektor
unter zu geringer politischer Sichtbarkeit – zu­
mindest auf europäischer Ebene. Die Immobi­
lienwirtschaft in Europa trägt zu 3,8 Millionen
4 FRAGEN AN
TIM KESSELER
Tim Kesseler –
Analyst Investor
Outreach, Euro-
pean Public Real
Estate Association
„Zu geringe politische Sichtbarkeit“
Constituent Name
Status
Sector
Full Mkt Cap
(EUR Mio.)
Country
(Wt %)
Vonovia SE
Non-REIT Residential
€ 14.106
33,6%
Deutsche Wohnen AG
Non-REIT Residential
€ 10.152
24,2%
LEG Immobilien AG
Non-REIT Residential
€ 4.561
10,9%
Grand City Properties
Non-REIT Residential
€ 2.594
6,2%
Deutsche EuroShop
Non-REIT Retail
€ 2.074
4,9%
TAG Immobilien AG
Non-REIT Residential
€ 1.772
4,2%
Alstria Office
REIT
Office
€ 1.760
4,2%
ADO Properties SA
Non-REIT Residential
€ 1.459
3,5%
TLG Immobilien GmbH
Non-REIT Diversified
€ 1.185
2,8%
Hamborner REIT AG
REIT
Diversified
€ 714
1,7%
Adler Real Estate AG
Non-REIT Residential
€ 646
1,5%
DIC Asset AG
Non-REIT Diversified
€ 627
1,5%
WCM Bet. u. Grundb.
Non-REIT Diversified
€ 364
0,9%
Total EPRA Germany Index
€ 42.014
100,1%
Data as of 31/01/2017
Arbeitsplätzen bei – mehr als der Automobil-,
Banken- oder Telekommunikationssektor.
Starke Fürsprecher in der Politik sollte man also
erwarten. Dennoch scheint der börsennotierte
Immobiliensektor noch nicht die politische
Aufmerksamkeit zu bekommen, die er verdient
hätte. Vermutlich gilt für einige Politiker auch
dasselbe, was für manche Anleger gilt: Immo­
bilien und Börse gehören auf den ersten Blick
nicht zusammen. Dabei ist genau das Gegenteil
der Fall. Aufgrund der Stärken von solider
Rendite einerseits bei geringer Volatilität ande­
rerseits stellt der börsennotierte Immobilien­
sektor eine große Bereicherung der klassischen
direkten Immobilieninvestition dar.
Legen wir den Fokus noch einmal genauer
auf Deutschland.
Mehr als 80 Prozent des
EPRA Germany Index wird durch den Woh­
nungsmarkt repräsentiert. Durch die nun wieder
wachsende Bevölkerung und die sinkende Per­
sonenzahl pro Haushalt wird die Nachfrage nach
Wohnraum hoch bleiben. Einige der großen
Investoren sehen durchaus, dass die derzeitige
Nachfrage nach Wohnraum die Neubauquote
übersteigt. Und so ist der deutsche Wohnungs­
sektor vom Status “interessant” inzwischen
dahin gewechselt, dass er durchaus signifikante
Investmentsummen anzieht. Ein gutes Beispiel
ist die Marktkapitalisierung des EPRA Germa­
ny Index, die von fünf Milliarden Euro Ende
2011 inzwischen auf über 40 Milliarden Euro
angestiegen ist (siehe Tabelle). Die deutsche
Volkswirtschaft ist eine der größten in Europa,
und die an der Börse gelisteten Immobilien/
Immobilienunternehmen sind in diesem Zusam­
menhang am Gesamtmarkt deutlich unterre­
präsentiert. Das lässt noch Raum für Wachstum.
Immobilien haben sich emanzipiert. Da im Sep­
tember 2016 Immobilien als elfter Einzelsektor
in den Global Industry Classification Standard
(GICS) kamen, werden viele Investoren – inlän­
dische genauso wie und ausländische – nun ihre
Strategieplanung im Hinblick auf Immobilien in
ihren Portfolios neu definieren.
Stichpunkt weitere Zinserhöhungen der
Fed. Könnten diese als Signal für höhere
Zinsen auch in Europa gewertet werden?
Und Brächen damit schlechtere Zeiten für
die Immobilienaktien an?
Wir sehen, dass
die Anleiherenditen derzeit steigen, aber sich
immer noch auf einem sehr niedrigen Niveau
bewegen. Die durchschnittlichen Fünf-Jahres-
Dividenden für den EPRA Developed Europe
Index und den EPRA Developed Europe REITs
Index mit 3,7 Prozent und 4,2 Prozent zum
Jahresende 2016 zeigen sehr deutlich, dass der
börsennotierte Immobiliensektor deutlich besser
performt hat.
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