Immobilienwirtschaft 3/2017 - page 20

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INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
TITELTHEMA
teil der Ersparnisse der Deutschen quasi zinslos auf Spar- und
Festgeldkonten. In Prozentzahlen ausgedrückt heißt das: 56,7
Prozent der Bankeinlagen und 23,6 Prozent des gesamten pri­
vatenGeldvermögens befinden sich in kurzfristigen Einlagen. Im
internationalen Vergleich rangieren deutsche Privatanleger mit
einer Direktanlage in Aktienmit sieben Prozent auf den hinteren
Plätzen. Nach Meinung vonThomas Körfgen, Head of Securities
bei Savills Investment Management in Frankfurt amMain, gehö­
ren vor allem Reits aber eher zur Asset-Klasse der Immobilien.
Eigentlich vereinen sie das Beste aus zwei Welten. Sie verbinden,
anders als die Offenen und Geschlossenen Immobilienfonds, die
Stabilität der Immobilie mit der tatsächlich täglichen Verfügbar­
keit der Aktie. Dadurch weisen sie – börsenbedingt – kurz- und
mittelfristig höhere Schwankungen auf. „Längerfristig nivelliert
sich aber die Performance und korreliert stärker mit dem Immo­
bilien- als mit dem Aktienmarkt“, sagt Kurz.
Immobilienaktien
sind
Anteile von an der Börse
gelisteten Unternehmen, die
Immobilien im Portfolio hal­
ten, sie bewirtschaften oder
Immobiliendienstleistungen
anbieten. Die Wertentwick­
lung der Aktien reagiert
nicht allein auf die zugrunde
liegenden Immobilienmärkte,
sondern hängt auch von den
Rahmenbedingungen des
Aktienmarktes ab. Während
bei den Immobilienfonds ein
unabhängiger Bewerter den
Wert ermittelt, hängt er bei
Immobilienaktien von der
Einschätzung des Marktes
ab. Letztendlich ist also nicht
die tatsächliche Substanz
entscheidend, sondern
die Ertragsperspektive, die
Innovationsfähigkeit und die
Zukunftsaussichten des Unter­
nehmens. In Deutschland sind
vor allem Wohnungsgesell­
schaften börsennotiert. Aktien
von Gewerbeimmobilien
unternehmen gibt es kaum.
Der Vorteil: Anders als bei
direkt gehaltenen Immo­
bilien sowie Offenen oder
Geschlossenen Fonds können
Anleger jederzeit kaufen und
verkaufen. Der Nachteil: Der
Markt bestimmt den Wert,
und der reagiert nicht immer
rational. Privatanleger sollten
daher über eine Grundkennt­
nis der Börsengesetze verfü­
gen, raten Anlegerschützer.
Um Risiken zu reduzieren und
Renditechancen zu steigern,
seien Fonds, die in Immobili­
enaktien und Reits anlegen,
vorteilhafter.
Real Estate Investment
Trust (Reit):
Diese weltweit
sehr beliebte Sonderform der
Immobilienaktien stellt eine
Art börsennotiertes Immo­
bilienportfolio dar. Bei der
Einführung von Reit-Strukturen
in den USA 1960 wollte der
Gesetzgeber ein transparentes
und fungibles Anlagevehikel
nach dem Vorbild von Pensi­
onsfonds schaffen, um breiten
Anlegerkreisen Investments in
Immobilien zu ermöglichen.
Der Gesellschaftsgewinn wird
nicht auf Unternehmensebe­
ne, sondern beim Anteilseig­
ner versteuert, dafür müssen
mindestens 90 Prozent des
Reit-Gewinns an ihn ausge­
schüttet werden.
GLOSSAR
EinenweiterenGrund für diemangelnde Akzeptanz sieht Beyerle
darin, dass es in Deutschland mit den Offenen und Geschlos­
senen Immobilienfonds und den Spezialfonds schon historisch
gewachsene und etablierte alternative Wege der indirekten Im­
mobilienanlage gegeben habe. Dadurch sei die Notwendigkeit
eines neuen Anlagevehikels nicht zwingend erschienen. Doch
dann kam die Krise und brachte viele Fonds ins Wanken. Schlie­
ßungen, Rückabwicklungen und Verluste von Anlegergeldern
prägten über Monate das Bild. Die öffentliche Meinung über
die klassischen indirekten Anlagevehikel bekam tiefe Risse. Eine
umfassende staatliche Regulierung war die Folge. Während die
Offenen Fonds und die Spezialfonds den Übergang in die neue
Zeitrechnung gut schafften und sich derzeit vor Anlegergeld
kaum retten können, gelang es den Geschlossenen Fonds noch
nicht, das Vertrauenwiederherzustellen. Und so kommt langsam
wieder der Reit ins Spiel.
IMMOBILIENAKTIEN KNICKEN EIN, REIT KOMMT LANGSAM IN
FAHRT
Überrascht haben lange Zeit auch die klassischen Immobi­
lienaktien durch ihren Höhenflug. Vor allem die vielen Fusionen
auf den Wohnimmobilienmärkten beflügelten die Phantasie der
Anleger. Doch wie sieht die Performance bei Immobilienaktien
tatsächlich aus? Immobilienaktien haben sich über viele Jahre
besser entwickelt als viele andere Aktien, sagt Experte Peter Bar­
kow, Geschäftsführer Barkow Consulting GmbH, Düsseldorf.
So lag die durchschnittliche Dividendenrendite bei drei bis vier
Prozent im BereichWohnen. Etwas höher mit rund fünf Prozent
rentierte in der Vergangenheit der Gewerbeimmobilienbereich.
Nutzte man die Kurssprünge der Aktien zum geschickten Kauf
und Verkauf, gab‘s noch ein Sahnehäubchen obendrauf. Auch im
Vergleich zu den Offenen Fonds schnitten sie damit gut ab: Die
großen Fonds lieferten über die vergangenen Jahre eine Rendite
von durchschnittlich 2,5 Prozent ab. Das dürfte sich, so die Pro­
gnose von Scope Analysis, auch 2017 nicht ändern. „Sie werden
im Korridor zwischen zwei bis 2,5 Prozent bleiben“, so Analystin
Sonja Knorr. Ihr Problem. Das knappe, teure Angebot und die
hohe Liquidität. Jeder Euro, den die Anleger einzahlen, muss an­
gelegt werden. Da gute Objekte rar sind, schlagen für die kurzfris­
tige Anlage der liquiden Mittel mittlerweile auch Negativzinsen
zu Buche – das schmälert die Gesamtrendite des Fonds.
Für die Immobilienaktien dagegen waren die Rahmenbe­
dingungen lange gut. Dank der Niedrigzinspolitik konnten sie
auslaufende Kredite günstig neu eindecken und für billiges Geld
ihre Bestände auf Vordermann bringen. Parallel dazu ließ der
NachfrageboomnachWohnungen dieMieten steigen. Das spülte
viel Geld in die Kassen der Unternehmen und zeigte sich deutlich
in den Zahlen. Seit 2011 stiegen die Aktienkurse gro
ßer Woh­
nungskonzerne ummehr als 180 Prozent an. Auch 2016 standen
die Zeichen für den börsennotierten Immobiliensektor einige
Monate auf Wachstum. Gegenüber dem Vorjahr kam dieser auf
ein Wachstum von 38 Prozent auf inzwischen 56 Milliarden
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