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3.2017
Energiewende: Das Quartier als
zentraler Handlungsraum
K
limaschutz und Energieeinsparung, Investitionskosten und Wirtschaftlichkeit, So
zialverträglichkeit und bezahlbares Wohnen, Städtebau und Baukultur, zentrale
und dezentrale Versorgungslösungen: Die Energiewende hat ganz unterschiedliche
Facetten. Das Quartier bildet dafür den geeignetenHandlungsraum. Umneue innovative
Techniken, Prozesse und Dienstleistungen zu erproben und diese anschließend in die
Breite zu tragen, werden integrierte Lösungen gebraucht. Ohne fundiertes Abwägen der
Ziele und ohne einen fairen Interessenausgleich zwischen den Akteuren wird es kaum
gelingen, tragfähige und gesellschaftlichweitgehend akzeptierte Lösungen zu entwickeln.
ImKlimaschutzplan 2050 werden für Sanierungen von Bestandsgebäuden die ener
getischen Anforderungen zwischen 2020 und 2030 schrittweise weiterentwickelt. Um
diese Ziele wirtschaftlich und sozialverträglich umsetzen zu können, ist eine weitere
Flexibilisierung zwischen der Gebäudeeffizienz und einer Energieversorgungmit erneu
erbaren Energien zum Erreichen der gesetzlichen Anforderungen notwendig. Hierfür
bieten Quartierslösungen ebenfalls geeignete Anknüpfungspunkte.
NEUES GEBÄUDEENERGIEGESETZ
Insofern ist es zu begrüßen, dass im Referentenentwurf
zum neuen Gebäudeenergiegesetz (GEG) auch Quartierslösungen neu eingeführt wer
den. Dadurch können besonders effiziente Wärmeerzeugungsanlagen auch benachbar
te Bestandsgebäude mitversorgen und somit alte Anlagen mit schlechter Effizienz im
Bestand ersetzen. Zusätzlich erfolgt eine generelle Flexibilisierung beim Einsatz von
erneuerbarem Strom und von Biogas, sofern diese gebäudenah erzeugt sind. Darüber
hinaus ist im GEG eine transparente und nachvollziehbare Neujustierung der Primär-
energiefaktoren vorgesehen. Damit sind jedoch keine Abstriche bei der energetischen
Qualität der Gebäudehülle verbunden, denn die Mindestanforderung an den baulichen
Wärmeschutz wird weder im Bestand noch beim Neubau verändert.
ImEntwurf des neuenGebäudeenergiegesetzes wird die angekündigte Zusammenle
gung von Energieeinsparverordnung (EnEV) und Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz
(EEWärmeG) vollzogen. Bestehende Unstimmigkeiten undWidersprüchlichkeiten, wie
etwa unterschiedliche Begriffsbestimmungen, wurden aufgelöst. Neben diesen durch
aus positiven Ansätzen bleibt jedoch gerade für private Gebäudeeigentümer ein großes
Defizit. Durch die weitgehende Beibehaltung bisher geltender Regelungen im neuen
GEG hat der Bund die Möglichkeit versäumt, mit der Überarbeitung eine aus Anwen
dersicht dringend geboteneVereinfachung des komplexenReglungswerks vorzunehmen.
Eigentümer wollen Maßnahmen und Technik selbst verstehen, bevor sie sich für eine
Investition entscheiden. Insbesondere im Hinblick auf das Vertrauen von Eigentümern
in eine gute fachliche Energieberatung und die Sinnhaftigkeit energetischer Sanierungs
maßnahmen sind hier zukünftig Lösungen im Regelwerk zu entwickeln.
Die Wende in der Energiepolitik und eine nachhaltige Stadtentwicklung sind aus
kommunaler Sicht zwei Seiten derselben Medaille. Insofern gilt es, die Handlungsopti
onen für energetische Quartiersansätze in den rechtlichen Rahmenbedingungen zukünf
tig weiter zu entwickeln und noch zu stärken. Denn über technische und wirtschaftliche
Aspekte hinaus stellt das Quartier die Verbindung zwischen Einzeleigentümern und
politischer Ebene her. Es ist der zentrale Handlungsraum, umGebäudeeigentümer, Bür
ger und Unternehmen zu sensibilisieren, zu motivieren, zu beraten und zu befähigen,
aktiv an der Energiewende und am Klimaschutz mitzuwirken.
Werner Spec, Oberbürgermeister der Stadt
Ludwigsburg, Leiter der Arbeitsgruppe
„Energie, Immobilien und Stadtentwicklung“
des Deutschen Verbandes für Wohnungs-
wesen, Städtebau und Raumordnung
Deutscher Verband
Die
verschiedenen Herausforde-
rungen der Energiewende
treffen in der Kommune
räumlich aufeinander. Städ-
te und Gemeinden nehmen
deshalb eine Schlüsselpositi-
on ein. Um Innovationen zu
erproben, haben sich Quar-
tiersansätze etabliert.
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Werner Spec, Ludwigsburg