Immobilienwirtschaft 3/2016 - page 25

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3.2016
Christian Huttenloher ist Generalsekretär des
Deutschen Verbands für Wohnungswesen,
Städtebau und Raumordnung e.V. in Berlin.
Foto: Deutscher Verband
Passt die Energieeffizienzstrategie
für Gebäude?
E
nde letzten Jahres hat das Bundeswirtschaftsministerium die „Energieeffizienzstra-
tegie Gebäude“ vorgelegt. Diese betont einmal mehr die Bedeutung des Gebäudebe-
reichs für die Energie- undKlimaschutzziele. Etwa 35 Prozent des Gesamtenergiever-
brauchs und einDrittel der CO
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-Emissionen entfallen aufWohn- undWirtschaftsbauten.
Auf Grundlage wissenschaftlicher Szenarien erörtert die „Energieeffizienzstrategie Ge-
bäude“ Wege zu einem nahezu klimaneutralen Gebäudebestand, der im Jahr 2050 80
Prozent weniger Primärenergie verbraucht. Unter Berücksichtigung technischer und
wirtschaftlicher Restriktionen werden zwei miteinander zusammenhängende Zielsze-
narien betrachtet: eine maximal mögliche Steigerung der Energieeffizienz sowie eine
maximale Erhöhung des Einsatzes erneuerbarer Energien.
Durch das Effizienzszenario lassen sich höchstens 54 Prozent Endenergieeinsparung
realistisch erreichen. Dannmüssten 57 Prozent des Energiebedarfs erneuerbar bereitge-
stellt werden. Der mittlere Primärenergieverbrauch von Wohngebäuden würde bei 44
kWh/m² liegen. BeimZielszenario „Erneuerbare Energien“ würde sich der Anteil erneu-
erbarer Energien imGebäudebereich von derzeit 14 auf 69 Prozent erhöhen. Dannwären
weitere Effizienzsteigerungen von nur 36 Prozent notwendig. Allerdings müsste durch
den höheren Strombedarf der Ausbaupfad für Erneuerbare bei der Stromerzeugung
angepasst werden. Die Kosten für beide Pfade unterschieden sich deutlich. So würden
die Vollkosten der Sanierung bei diesem Effizienzpfad insgesamt 1.535 Milliarden Euro
betragen. Das Zielszenario „Erneuerbare Energien“ kommt auf Vollsanierungskosten
von 1.137 Milliarden Euro. „Und auch die darin enthaltenden reinen energiebedingten
Mehrkosten liegen beim Effizienzpfad mit 562 Milliarden Euro um 180 Milliarden Euro
höher. Noch deutlicher sind die Unterschiede bei der Entwicklung der Wohnkosten. So
würde das Effizienzszenario zu einem Anstieg der warmen Wohnkosten um etwa zehn
Prozent führen, das Szenario „Erneuerbare Energien“ nur um 3,5 Prozent.
Beide Szenarien verdeutlichen, dass auf demWeg zum nahezu klimaneutralen Ge-
bäudebestand noch mehr Anstrengungen und Investitionen als bisher notwendig sind.
Bei einer Fortschreibung der derzeitigen Aktivitäten würde die Energieeffizienz nur um
30 Prozent steigen, der Anteil erneuerbarer Energien auf 45 Prozent. Dazu brauchen wir
aber sowohl aus klimapolitischer als auch aus wirtschaftlicher und sozialer Perspektive
einen flexiblen und technologieoffenen Zielkorridor zwischen Energieeffizienz und er-
neuerbaren Energien. Selbst wenn realistische energetischeMindeststandards notwendig
sind, führt eine einseitige und zu ambitionierte Ausrichtung auf Effizienz nicht zumZiel.
Sie ist deutlich teurer und damit unwirtschaftlicher und sozial unverträglicher. Zudem
dürften durch Innovationen undKostensenkungen die Potenziale erneuerbarer Energien
in absehbarer Zeit eher steigen, was bei der Dämmung weniger zu erwarten ist.
Insofern sollten Ordnungsrecht und Förderung stärker auf die CO
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-Minderung
ausgerichtet werden anstelle auf den Primärenergiebedarf bzw. Transmissionswärme-
verluste. Bund und Länder prüfen eine entsprechende Anpassung von EnEV sowie eine
engere Verzahnung oder Zusammenlegungmit demEEWärmeG. Ab 2021 sollte deshalb
auch ein „Niedrigst-Emissionsstandard“ für Gebäude eingeführt werden, und nicht wie
von der EU gefordert ein „Niedrigst-Energiestandard“. Mit diesen und weiteren zentra-
len Fragestellungen der Energiewende für die Immobilienwirtschaft befasst sich unter
Leitung von Prof. Dr. Dr. Töpfer die Arbeitsgruppe „Energie“ des Deutschen Verbandes.
Sie wird Mitte des Jahres ihren Zwischenbericht vorlegen.
Deutscher Verband
Die „Energieeffizienzstrategie
Gebäude“ zeigt Szenarien
und weitere Maßnahmen für
den Klimaschutz im Gebäu-
debereich auf. Sie zeigt, dass
wir dringend mehr Technolo-
gieoffenheit und Flexibilität
zwischen Effizienzsteigerung
und erneuerbaren Energien
benötigen.
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Christian Huttenloher, Berlin
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