Immobilienwirtschaft 3/2016 - page 18

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MARKT & POLITIK
I
TITELTHEMA
und elektronischem Türschließsystem an. Die Premiumvariante
beinhaltet eine Erinnerungsfunktion für die Medikamentenein-
nahme und die Möglichkeit, Essen per Panel zu bestellen. Noch
sind solche hochgerüsteten Wohnungen Unikate, mittelfristig
könnten sie zum Massenphänomen werden: Das Beratungsun-
ternehmen Deloitte schätzt, dass die Anzahl der Haushalte, die
intelligent vernetzte Sensoren und Geräte einsetzen, bis 2020 auf
eineMillion steigenwird – es wäre eine Verfünffachung innerhalb
von fünf Jahren.
STEIGENDE NACHFRAGE
Wohnungsunternehmen und Technolo-
giefirmen rechnen vor allem wegen des demografischen Wan-
dels mit entsprechend steigender Nachfrage. Immer mehr ältere
Menschen wohnen allein inWohnungen, in denen sie möglichst
lange bleiben wollen. In Zwickau kooperiert die Wewobau in
ihrem Modellprojekt daher nun mit der örtlichen Hochschu-
le, um die durch Technik eingesparte Energie für auf Senioren
zugeschnittene Anwendungen zu nutzen. Dazu zählt etwa ein
Aktivitätsmonitoring: Weicht jemand zu lange von seinen All-
tagsrhythmen ab, erhält eine zweite Person ein Warnsignal.
Auch das Burgstädter Vorhaben zielt in seiner Kombination
von Technik und Dienstleistung auf ein längeres selbstbestimm-
tes Leben ab – nicht umsonst trägt das Projekt den Titel „Die
mitalternde Wohnung“.
Dieser Fokus und die Praxiserprobungen stellen nicht nur
sicher, dass die Anwendungen funktionieren. So garantieren die
Unternehmen auch, dassMöglichkeiten undNutzen aufeinander
abgestimmt sind. Denn egal ob es sich um smarte Ampeln oder
clevere Belüftungssysteme handelt – irgendjemand muss dafür
bezahlen. Längst warnen Architekten und Klimaingenieure, dass
von hochgerüsteten Häusern bislang vor allem die Technik- und
Dämmstoffindustrie profitiere. Häufig seien Nutzer überfordert,
bedienten Geräte falsch und erhöhten so eher den Energiever-
brauch eines Hauses, dazu kämen die hohen Investitions- und
Unterhaltskosten solcher Systeme. Auch das Deutsche Institut
für Urbanistik kritisiert, dass auf der Suche nach Normen und
Standards für „smarte“ Entwicklungen einseitig die Interessen
global tätiger Konzerne verfolgt würden.
DER NUTZERSICHT STANDHALTEN
Während sich bei öffentlichen
Bauten bisweilen der Bundesrechnungshof einschaltet, sieht die
Wohnungswirtschaft im Immobilienbereich weniger Gefahren
des Ausuferns. Unternehmer und Projektentwickler stünden
unter enormem Kostendruck, sagt der zuständige Referent beim
Branchenverband GdW, Fabian Viehrig. Bei jeder technischen
Innovation werde darauf geachtet, ob sie den Bewohnern diene
und sich rechne. „Bei Neubauten liegen wir imMoment bei etwa
neun bis zehn Euro Kaltmiete pro Quadratmeter. Mit High-End-
Lösungen und digitalen Finessen können sich solche Zahlen auch
verdoppeln“, erklärt Viehrig. Gerade weil die Verbandsunterneh-
men vielfach untere bis mittlere Einkommensschichten bedien-
ten, müsse bei jeder Anwendung die Zahlungsbereitschaft mit
abgefragt werden. „Barrierefrei muss sein, aber brauche ich wirk-
lich einen App-gesteuerten Rollladen im Mehrfamilienhaus?“,
gibt der GdW-Referent zu bedenken.
Der Immobilienökonom Vornholz sieht neben dem Nut-
zen die Anwendbarkeit als zentrales Element. „Jede technische
Möglichkeit muss sich nicht nur als smart beweisen, sondern
auch einer ökonomischen und einer Bewertung aus Nutzersicht
standhalten.“ Teure energiesparende Geräte seien sinnlos, wenn
sie der Mensch nicht verstehe – eine Erfahrung, die er selbst ge-
macht hat: Ein Techniker hatte in seinem Haus eine raffinierte
Heizungsanlage eingebaut, mit unzähligen Funktionen, die auf
einem winzigen Display eingeblendet und über noch kleinere
Knöpfchen kombiniert werden konnten. „Abgesehen davon, dass
man die Schrift auf demDisplay kaum lesen konnte, war das alles
viel zu kompliziert“, erzählt Vornholz. Er bat den Techniker, die
Anlage gegen eine einfachere zu tauschen. Die spart vielleicht ein
Quäntchen weniger Energie – dafür bleibt der Mensch derjenige,
der über Wärme und Luft im Haus entscheidet.
Kristina Pezzei, Berlin
„Neue Technologien wie 3D
oder Sensorik bringen Effizienz-
steigerung und damit mittelfris-
tig Kostenersparnisse, verlangen
jedoch ein hohes Maß an perso-
nellem und finanziellem Input.“
Kai Zimprich,
Head of Digital Services
Germany, Jones Lang LaSalle
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