DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 4/2018 - page 58

MARKT UND MANAGEMENT
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4|2018
Bilanz- und Steuerwissen –
Aktuelles aus den Prüfungsorganisationen des GdW
Bilanzielle Behandlung von negativen Zinszahlungen
Das durch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) hervorgerufene Auftreten
negativer Zinsen auf den Geld- und Kapitalmärkten wirft neben der Frage der rechtlichen Zulässigkeit
auch die Frage nach der bilanziellen Behandlung auf. Der Artikel gibt Hinweise zum bilanziellen
Umgang mit negativen Zinsen.
Weder das Zivil- noch das Handelsrecht enthalten
eine Legaldefinition für Zinsen. Rechtsprechung
und herrschende Meinung definieren Zinsen als
nach der Laufzeit bemessene, gewinn- und um-
satzunabhängige Vergütung für die Gebrauchs-
möglichkeit eines auf Zeit überlassenen Kapitals.
Üblicherweise ist im Verhältnis zwischen Schuld-
ner und Gläubiger eines Kapitalbetrags verein-
bart, dass der Schuldner dem Gläubiger für die
befristete Nutzung des Kapitals ein Entgelt zahlt
(positive Zinsen). Infolge des derzeitigen negati-
ven Einlagezinssatzes der EZB verlangen einige
Banken eine nach der Laufzeit und Höhe bemes-
sene Vergütung für die befristete Entgegennahme
des Kapitals (negative Zinsen).
Darlehensvertrag versus Verwahrvertrag
Nach Ansicht des Bankenfachausschusses (BFA)
des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) liegt
der Nutzungswert der befristeten Zurverfügung-
stellung eines Geldbetrags für den Kunden darin,
dass die Bank zur Entgegennahme und späterer
Rückzahlung bereit ist. Die Behandlung negati-
ver Zinsen richtet sich primär nach der Art des
zugrundeliegenden Vertrags zwischen Kunde
und Bank.
Der BFA vertritt die Meinung, dass im Geld- und
Kapitalmarktgeschäft von Banken die Elemente
des Darlehensvertrags diejenigen eines bloßen
Verwahrvertrags überlagern. Die Finanzverwal-
tung dagegen klassifiziert den Vertrag zwischen
Kunde und Bank nicht als Darlehensvertrag, son-
dern als Verwahrvertrag.
Bilanzierung und Bewertung
Aus bilanzieller Sicht stellt sich die Frage, ob ei-
nerseits ein Fall einer anfänglichen Unterverzins-
lichkeit des Kapitalbetrags vorliegt mit der Folge,
dass sich im Rahmen der Zugangsbewertung ein
Bewertungseffekt ergeben würde, und anderer-
seits, ob die zukünftigen negativen Zinsen aus
heutiger Sicht zu antizipieren sind.
Unterverzinslichkeit des Kapitalbetrags
Sofern zum Zeitpunkt des Abschlusses des Ver-
trages zwischen Kunde und Bank marktgerech-
te (Zins-)Konditionen vereinbart wurden, stellt
allein die nachträgliche Vereinbarung negativer
Zinsen keinen Fall einer anfänglichen Unterver-
zinslichkeit des Kapitalbetrags dar, sodass sich
auch kein Bewertungseffekt ergibt. Eine etwaige
Unterverzinslichkeit ist regelmäßig durch Ver-
gleich mit dem Marktzins zu ermitteln.
ImFall einer anfänglichen (vertraglich vereinbar-
ten) Unterverzinslichkeit müsste ein Bewertungs-
effekt aus der Abzinsung der künftigen Zahlungs-
ströme (Barwert) berücksichtigt werden.
Antizipation der negativen Zinsen
Die laufenden negativen Zinszahlungen beein-
flussen das Ergebnis der jeweiligen Periode und
sind nicht zu antizipieren. Eine Rückstellung für
negative Zinsen ist nicht zu bilden.
Ausweis in der Gewinn- und Verlustrechnung
Das IDW kommt aufgrund der rechtlichen Ein-
ordnung des Vertrages zum Ergebnis, dass die
Zinszahlungen im Falle negativer Zinsen inner-
halb des Zinsergebnisses auszuweisen sind. Es
handelt sich auch nicht um eine Verrechnung
WP Christian Gebhardt
Referatsleiter Betriebswirtschaft,
Rechnungslegung und Förderung
GdW
Vorstand GdW Revision AG
Berlin
WP/StB Ingeborg Esser
Hauptgeschäftsführerin
GdW
Vorstand GdW Revision AG
Berlin
ZAHLUNG NEGATIVER ZINSEN
AUF GUTHABENKONTEN BEI KREDITINSTITUEN
Kreditinstitut
Sichteinlage
(z. B. Guthaben auf Girokonto und Tagesgelder)
Zahlung negative
Zinsen
Vertragsbeziehung:
Darlehensvertrag vs.
Verwahrvertrag?
Wohnungsunternehmen
Quelle: GdW
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