DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 4/2018 - page 55

Axel Gedaschko
Dr. Franz-Georg Rips
Jürgen Steinert:
Eine drohende Immobilienblase
sehe ich ebenfalls nicht. Die Situation in Deutsch-
land ist doch eine gänzlich andere als in den USA,
wo es keinenMietwohnungsbau in unseremSinne
und schon gar keinen sozialen Mietwohnungsbau
gibt und wo die Darlehensverträge nur für kurze
Zeit abgeschlossen werden. Bei uns hingegen si-
chern sich viele Immobilienkäufer die günstigen
Zinsen für 15, 20 oder sogar 25 Jahre.
Dr. Franz-Georg Rips:
Ichwarne geradezu davor,
eine Diskussion über die Gefahr einer Immobili-
enblase zu führen. Die deutsche Baufinanzierung
ist so angelegt, dass eine Immobilienblase wie in
den USA nur schwer entstehen kann, da die Ban-
ken immer einen erheblichen Eigenkapitalanteil
verlangen. Trotzdem ist die Frage einer möglichen
Zinserhöhung für dieWohnungswirtschaft durch-
aus relevant. Wenn ein Wohnungsunternehmen
eines Tages wieder 5%Zinsen ansetzenmuss statt
wie jetzt nicht einmal 2%, dann wird die Bilanz
auf den Kopf gestellt. Das wird hoffentlich nicht
so schnell eintreten, aber der Gefahr bewusst sein
müssen wir uns schon.
Thomas Ortmanns:
Eigentumhat heute auch et-
was mit Spekulation in den Großstädten zu tun.
Herr Dr. Tausendpfund hat in seinem Statement
darauf hingewiesen, dass Investoren z. B. in Frank-
furt amMain enormhohe Quadratmeterpreise be-
zahlen. Deshalb frage ich bewusst provokant: Wa-
rum denken wir nicht darüber nach, Spekulation
in bestimmten Städten durch Nutzungsvorgaben
einzuschränken, wie es in anderen Ländern schon
geschieht?
Dr. Axel Tausendpfund:
Wir sollten die Diskussi-
on um bezahlbare Mieten sehr differenziert füh-
ren. Der Eindruck herrscht ja vor, dass die Miet-
belastung immer weiter steigt. Nun zeigen aber
die Zahlen des Statistischen Bundesamts, dass der
Anteil, den die Deutschen für das Wohnen aus-
geben, seit 2005 trotz steigender Mieten nahezu
gleichgeblieben ist. Erklären lässt sich das durch
die gestiegenen Gehälter und Löhne. Zur Wahr-
heit gehört außerdem, dass die Nettomieten im
bundesweiten Durchschnitt in den vergangenen
20 Jahren lediglich um 1,6%
pro Jahr gestiegen sind. Die Be-
triebskosten hingegen sind im
selben Zeitraumum jährlich fast
2,5% angestiegen. Umes klar zu
sagen: Stark steigende Mieten
sind nur ein Teil der Wahrheit,
der sich auf die Hotspots be-
zieht, während es auch Regio-
nen gibt, in denen die Mieten
gesunken sind oder zumindest
weniger zugenommen haben als
die Einkommen.
Dr. Franz-Georg Rips:
Ein
großes Problem sind die un-
terschiedlichen baurechtlichen
Bestimmungen in den Bundes-
ländern. Um das konkret zu
machen: Ich bin Geschäftsfüh-
rer einer Stiftung, die zusam-
men mit einem bayerischen
Investor für etwa 50 Mio. € ein
Quartier mit frei finanzierten
Wohnungen, betreuten Woh-
nungen, Pflegeplätzen, Arzt-
praxen und einigen Geschäften
baut. Vertreten ist der Investor
durch einen Projektsteuerer aus
Nürnberg. Das Problem ist nun, dass die bayeri-
sche Bauordnung sehr deutlich von der nordrhein-
westfälischen Bauordnung abweicht. Das führt zu
enormen Problemen in der praktischen Umsetzung
unseres Projekts. Deshalb sehe ich einen großen
Bedarf, endlich eine Vereinheitlichung der Bau-
ordnung herbeizuführen.
A
xel Gedaschko:
Das hängt mit der Frage zu-
sammen, wie wir in Deutschland bauen. Die Bau-
kapazitäten sind ja vielfach erschöpft. Deshalb
brauchen wir mehr industrielle Vorfertigung,
und wir brauchen eine Typenbaugenehmigung.
Denn einmal geplant, heißt heute nicht, einmal
genehmigt.
Dr. Axel Tausendpfund:
Es ist auchmir unbegreif-
lich, warumdiese Forderung in Hessen, aber auch
in den Bauordnungen anderer Ländern nicht um-
gesetzt worden ist. Eine wesentliche Bedingung
für kostengünstiges Bauen ist, dass der Staat die
Voraussetzungen für serielles Bauen schafft. Bei
der gerade anstehenden Novelle der Hessischen
Bauordnung machen wir uns für die Einführung
einer hessenweiten Typengenehmigung stark.
Wolfgang Tiefensee:
Ja, wir müssen beimBauen
innovativer werden. Noch immer arbeiten die
Jürgen Steinert
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