Bauleutemit der Kelle und einemPlan, der irgend-
wo angeklebt wird. Um Wohnraum zu schaffen,
der in der Erstellung wesentlich preiswerter ist
und so bezahlbareMieten ermöglicht, müssenwir
mit Building Information Modeling arbeiten und
serielles Bauen realisieren. Das ist eine Mammut-
aufgabe, an der alle gesellschaftlichen Akteure
beteiligt werden müssen.
Axel Gedaschko:
Ansetzen sollten wir auch bei
der Nachverdichtung. Wenn es an Baugrundstü-
cken fehlt, ist es ja sinnvoll, über Dachaufstockung
und andere Maßnahmen der Nachverdichtung
nachzudenken.
Doch auch hier gibt es Hemmnisse wie die Stell-
platzpflicht, die Pflicht, einen Aufzug einzubauen,
und den Brandschutz. Deshalb ist das Potenzial der
Nachverdichtung begrenzt.
Anne Keilholz:
Manchmal sind es auch vermeint-
liche Kleinigkeiten, die die Bauzeit verlängern. Es
gibt z. B. so possierliche Tierchen wie die Zaun-
eidechse, die Bauvorhaben anderthalb Jahre
nach hinten schieben. Vielleicht müsste man die
entsprechenden Regelungen imEU-Recht einmal
überdenken.
Wolfgang Tiefensee:
Eines möchte ich allerdings
zu bedenken geben: Wenn Herr Ortmanns in sei-
nem Eingangsstatement Planungssicherheit für
Investoren fordert, somuss ich darauf hinweisen,
Anne Keilholz
dass das nicht heißen kann, für die nächsten 20
oder 30 Jahre Ruhe zu haben. Dann wären wir
nicht in einer Demokratie. Gewiss, Planungssi-
cherheit ist ein hohes Gut. Aber politisches Gestal-
ten heißt nun einmal, auf neue Gegebenheiten zu
reagieren – allerdings klug und so, dass es für die
Betroffenen planbar ist.
Heiner Pott:
Um auf die heutigen Gegebenhei-
ten zu reagieren, brauchenwir v. a. eine offensive
Bodenpolitik der Kommunen. Diese findet zurzeit
nicht statt, weil die Kommunen klamm sind. Hier
müssen wir uns Gedanken machen, wie wir die
Kommunen finanziell in die Lage versetzen kön-
nen, eine aktive Baulandpolitik zu betreiben. Das
ist mit einem revolvierenden Fonds möglich. Dafür
müssen allerdings bestimmte Restriktionen bei
der Haushaltssicherung gelockert werden.
Um eine soziale Mischung zu erreichen, müssen
wir viel stärker das Thema der mittelbaren Bele-
gung spielen. Die Krux ist, dass im sozialen Woh-
nungsbau nur wenige neueWohnungen entstehen.
Und diese Wohnungen gehen an diejenigen, die
sozial prioritär zu behandeln sind, während der
Mittelstand vor dem Problem steht, dass er die
frei finanzierten Neubauwohnungen mit ihren
Mieten von 13 oder 14 €/m
2
nicht bezahlen kann.
Deshalb brauchen wir zusätzlich eine Förderung,
die zu Mieten im Bereich von 8 oder 9 €/m
2
führt,
sodass auch Normalverdiener sich eine Neubau-
wohnung leisten können. Sonst geht die Schere
immer weiter auseinander; und wir schaffen uns
sozialen Sprengstoff.
Jürgen Steinert:
Die Föderalismusreform, die die
Verantwortung für den sozialenWohnungsbau den
Ländern überlassen hat, war ein Fehler. Ohne den
Bund geht es nicht. Sowohl die Länder als auch die
Kommunen sind beim Bau von Sozialwohnungen
auf die Hilfe des Bundes angewiesen. Wohnen ist
ein existenzielles Gut, sodass ich mir nicht vor-
stellen will, dass die Bundespolitik sich aus dieser
Gemeinschaftsaufgabe zurückzieht.
Dr. Axel Tausendpfund:
In Hessen fallen jedes
Jahr 7.000Wohnungen aus der Bindung, während
nur ungefähr 2.000 belegungsgebundene Woh-
nungen gebaut werden. Wir können gar nicht so
viele Sozialwohnungen bauen, wie aus der Bin-
dung fallen.
Deshalb müsste meines Erachtens die Politik
den Fokus stärker auf Belegungsrechte legen –
sowohl auf die Verlängerung von bestehenden
Belegungsrechten als auch auf den Ankauf von
neuen Belegungsrechten. Dieses Instrument wirkt
viel schneller als der Neubau, ist zudem deutlich
günstiger und hilft den Menschen sofort.
Heiner Pott:
Der Kauf von Belegungsrechten ist
sicher in manchen Fällen sinnvoll, aber besser ist
es aus meiner Sicht, mit mittelbarer Belegung
zu arbeiten. Für eine öffentlich geförderte Woh-
nung von vielleicht 100m
2
bekommt man dann
vielleicht 200 m
2
Wohnfläche im Bestand an Be-
legungsbindung, sodass man einen viel höheren
Hebeleffekt hat.
Jürgen Steinert:
In diesem Zusammenhang
möchte ich auf etwas aufmerksam machen, was
uns die Vergangenheit des sozialen Wohnungs-
baus gelehrt hat. Die Objektförderung in der alten
Bundesrepublik war so ausgerichtet, dass 70%der
Bevölkerung Zugang zum sozialen Wohnungsbau
hatten. Je weiter wir uns vomNachkriegsdeutsch-
„Ja, wir müssen beim Bauen innovativer werden. Noch immer
arbeiten die Bauleute mit der Kelle und einem Plan, der irgendwo
angeklebt wird.“
Wolfgang Tiefensee
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4|2018
MARKT UND MANAGEMENT