DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 4/2018 - page 54

Hotspot-Märkte in den Blick zu nehmen. Das darf
allerdings nicht dazu führen, die Förderpolitik aus-
schließlich auf die ländlichen Räume auszurichten.
Heiner Pott:
Aber wir müssen die Mittelstädte
stärken.Wenn es gelingt, in einer ländlichenRegion
eine gute Infrastruktur zu entwickeln, dann gelingt
es auch, dort solche Unternehmen anzusiedeln, bei
denenman das nicht fürmöglich gehalten hätte. In
meinemVerbandsgebiet hat der Weltmarktführer
im Bereich Pipelineinspektion seinen Sitz. Der hat
auf seinemGelände einen bilingualen Kindergarten
und eine bilinguale Grundschule untergebracht.
Und weil noch genügend Wohnungen angeboten
werden, hat er kein Problem, internationale Fach-
leute zu gewinnen. Das beweist, dass es auch im
Umland der Städte gelingen kann, hochattraktive
Situationen zu schaffen.
Anne Keilholz:
Allerdings wird die Arbeitswelt
von morgen anders aussehen, als wir uns sie jetzt
vorstellen. Arbeiten und Wohnen werden nicht
mehr strikt getrennt sein. Das wird Menschen,
die außerhalb der Stadt wohnen, ganz neue Mög-
lichkeiten eröffnen, weil sie nicht mehr jeden Tag
zur Arbeit in die Stadt pendeln müssen, sondern
mit schnellem Internet von ihrem Wohnort aus
arbeiten können.
Thomas Ortmanns:
Tatsächlich stellen wir bei
uns in der Bank fest, dass es die Digitalisierung
ermöglicht, dass Mitarbeiter zunehmend von zu
Hause aus arbeiten. Solche Heimarbeitsplätze
könnten die Städte entlasten. Nur gibt es hier
ein erhebliches Problem: In dem Augenblick, in
dem ein vollwertiger Heimarbeitsplatz entsteht,
werden die gesetzlichen Anforderungen an den
Arbeitsplatz oft so hoch, dass imHaus oder in der
Wohnung des Mitarbeiters unter Umständen Um-
bauten nötig werden. Damit bleibt es dabei, dass
dieMitarbeiter entweder das aufwändige Pendeln
in Kauf nehmenmüssen oder aber in der Nähe des
Arbeitsplatzes – sprich: in teuren Lagen – wohnen
müssen. Auch hier gäbe es also die Möglichkeit,
mit relativ einfachen Maßnahmen schnell eine
Entlastung zu erzielen.
Heiner Pott:
BeimStadt-Umland-Verhältnis müs-
sen wir auf eine Situation achten, die sich imMo-
ment in Bremen abzeichnet. Weil dort viele öffent-
lich geförderteWohnungen gebaut werden, ziehen
jetzt sozial schwächere Schichten aus demUmland
in diese Sozialwohnungen. Kaufkräftige Haushalte
hingegen, die keine passendeWohnung in Bremen
finden, erwerben imUmland ein Eigenheim. In der
Tendenz führt das dazu, dass im Speckgürtel die
Leutemit demdicken Geldbeutel sitzen, während
sich in der Stadt die sozial Schwächeren konzen-
trieren. Deswegen müssen wir darauf achten, in
den Städten eine gute Formder sozialenMischung
und damit eine Stabilisierung der Wohngebiete
zu bekommen.
Wolfgang Tiefensee:
A propos Eigentum: Frau
Keilholz hat in ihrem Eingangsstatement auf die
Bedeutung der Eigentumsbildung hingewiesen.
Wenn wir jetzt breite Bevölkerungsschichten
auffordern, sich die niedrigen Zinsen zunutze zu
machen und Eigentum zu erwerben – müssen wir
dann nicht befürchten, dass wir auf eine Immo-
bilienblase à la USA zusteuern? Denn die Zinsen
werdenwieder steigen, und dann könnte das pas-
sieren, was 2008 passiert ist.
Anne Keilholz:
Nein, das wird nicht passieren. Die
Banken haben inzwischen so strenge Richtlinien,
dass keine Blase entsteht, die platzen könnte. Und
wenn ich von Eigentumsförderung rede, meine
ich nicht hochpreisige Kapitalanlagen, sondern
eineMittelstandsförderung imEigentumsbereich.
Wolfgang Tiefensee
Heiner Pott
Thomas Ortmanns
„Tatsächlich stellen wir bei uns in der Bank fest, dass es die Digitalisierung
ermöglicht, dass Mitarbeiter zunehmend von zu Hause aus arbeiten. Solche
Heimarbeitsplätze könnten die Städte entlasten.“
Thomas Ortmanns
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MARKT UND MANAGEMENT
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