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2|2017
MARKT UND MANAGEMENT
Interview mit René Gansewig und
Thomas Jebsen
„Im Schatten des Booms ist Kreativität
und Tatkraft gefragt“
Während in Großstädten die Preise für Wohnimmobilien immer weiter steigen und private Investoren
wie städtische Gesellschaften händeringend nach Gelegenheiten für Bau und Modernisierung suchen, ist
die Realität in vielen deutschen Orten eine ganz andere: Die Mittel sind knapp – Mieter ebenso.
Kreative Mängelverwaltung ist angesagt. Ein Gespräch mit René Gansewig (l.), Vorstandssprecher
NEUWOBA, und Thomas Jebsen, Mitglied des Vorstands der DKB AG.
THEMA DES MONATS
Quelle: NEUWOBA
Herr Gansewig, Sie stehen einer Wohnungs-
baugenossenschaft in Neubrandenburg vor.
Nicht gerade ein einfacher Standort. Was
sind die Herausforderungen für Sie?
Gansewig:
Demografischer Wandel, Strukturwan-
del, Nachfrageveränderung, Marktkonsolidierung,
der Trend zur Rückbesinnung auf das Wohnen in
der Stadt, Energie, Klima und Kosten sowie die
wachsenden Ansprüche unserer Mitglieder mit
veränderten Wohnpräferenzen sind nur einige
Trends, denen sich die NEUWOBA in den nächs-
ten Jahren stellen muss - und deshalb bauen wir.
Haben Sie angesichts so vieler struktureller
Herausforderungen Schwierigkeiten, Finan-
zierungen zu erhalten?
Gansewig:
Tatsächlichwaren Anfang der 2000er
Jahre Banken hinsichtlich der Kreditvergabe in
unserer Region zurückhaltend. Dies hat sich nach
der Wirtschafts- und Finanzkrise stark geändert.
Seit geraumer Zeit können wir im Bereich der Fi-
nanzierung auf ein breites Angebot zurückgreifen.
Herr Jebsen, Sie sind bei der DKB für Woh-
nungsunternehmen zuständig. Wie gehen Sie
mit strukturschwachen Regionen um?
Jebsen:
Viele Banken finanzieren nur in Topstäd-
ten und -lagen. Wir schließen keine Regionen
aus, schauen aber genau hin, welche Perspek-
tiven eine Region hat. Je nach demografischer
Entwicklung ändern sich bei uns die Vorgaben an
Kapitaldienstfähigkeit, Kreditlaufzeit, Tilgung
und Beleihungswertauslauf. Außerdem erfassen
wir die wirtschaftlichen Daten der Bilanzen von
Wohnungsunternehmenmit einemAuswertungs-
tool. Damit können wir sehen, wie sich ein Unter-
nehmen imMarktvergleich behauptet undwelche
Spielräume es zur Umsetzung seiner Strategie hat.
Wie gehen Sie in Neubrandenburg konkret
mit dem Bevölkerungsrückgang um?
Gansewig:
Der Leitsatz unserer Genossenschaft in
Bezug auf Angebotsüberhänge besteht darin, dass
marktgängige und nicht dauerhaft nachgefragte
Wohnungen zurückgebaut werden. Dies erfolgt
bei uns bevorzugt mit der Variante des etagenwei-
sen Rückbaus imbewohnten Zustand. Gleichzeitig
gibt es eine verstärkte Nachfrage nach qualitativ
hochwertigemWohnraum, der alle Anforderungen
an ein lebenslanges Wohnen in den eigenen vier
Wänden erfüllt. Darüber hinaus besteht für uns die
Aufgabe, den verbleibenden Bestand zukunftsge-
recht zu gestalten.
Viele setzen ja auf barriefreies Wohnen. Sie,
Herr Gansewig, haben in Neubrandenburg
aber sogar einen Pflegeservice als eigenes
Tochterunternehmen gegründet. Aus unserer
Sicht ist das ein interessanter Schritt: Hier
geht ein Unternehmen neue Wege, umMehr-
werte für Mieter zu schaffen.
Gansewig:
Die Aufgaben für eine Genossenschaft
haben sich verändert. Bei 9.266Genossenschafts-
mitgliedern verfügt die Neuwoba aktuell über ei-
nen Bestand von 9.098Wohnungen. Von derWoh-
nungsfrage als soziales Problem kann also längst
keine Rede mehr sein. Die Mitglieder werden aber
immer älter, womit der Betreuungsbedarf steigt.
Dafür ist die Soziale Dienste GmbH (Sodien) als
dritte Tochter das soziale Kompetenzzentrum
im Unternehmensverbund. Durch individuelle
Wohnformen mit Pflege-, Betreuungs- und sozi-
alen Dienstleistungen aus einer Hand stärkt sie die
genossenschaftlichen Grundsätze der Selbsthilfe,
Selbstverantwortung und Selbstverwaltung.
Kann das Modell auch als Vorbild für andere
dienen? Ab welcher Größe macht die Grün-
dung eines solchen „ambulanten“ Pflege-
dienstes Sinn?
Gansewig:
Soziale Leistungen werden perspek-
tivisch verstärkt zum Geschäftsfeld einer Woh-
nungsbaugenossenschaft gehören. Davon bin ich
überzeugt. Es gibt jedoch keine Antwort anhand