DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 2/2017 - page 56

MARKT UND MANAGEMENT
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Zu den Ausdrucksformen der „lebendigen Tra-
ditionen“ gehören etwa Tanz, Theater, Musik
oder Bräuche, Feste und Handwerkskünste. Es
geht aber auch um Formen des Miteinanders, wie
etwa das Vereinswesen in der Schweiz oder die
in Österreich bekannte Selbsthilfeorganisation
für gegenseitige Brandhilfe. Dementsprechend
wurde auch die Genossenschaftsidee in die Ka-
tegorie der „Gesellschaftlichen Bräuche, Rituale
und Feste“ eingeordnet.
Für die Begleitung des gesamten Verfahrens
benötigten die Initiatoren einen langen Atem.
Bereits Ende 2013 wurde parallel über die Bun-
desländer Sachsen und Rheinland-Pfalz ein
Antrag eingereicht, der nach der nationalen
Anerkennung im Dezember 2014 schließlich
im März 2015 zur internationalen Bewerbung
ausgewählt wurde. Eine unabhängige Kommis-
sion begründete die Empfehlung damit, dass
sich Genossenschaften auch an sozialen Werten
orientieren und auf ideellen Grundsätzen wie So-
lidarität, Ehrlichkeit, Verantwortung und Demo-
kratie aufbauen würden. Das seien Prinzipien des
kulturellen Selbstverständnisses menschlicher
Gemeinschaften.
Neben genossenschaftlichen Verbänden und
Organisationen haben sich viele namhafte Per-
sönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft für die
Bewerbung eingesetzt, wie etwa Rita Süssmuth
als Schirmherrin der Kampagne. Spannender als
zunächst gedacht verlief schließlich die finale Sit-
zung des UNESCO-Komitees in der äthiopischen
Hauptstadt Addis Abeba.
Denn die deutsche Bewerbung wurde bei einer
Vorabprüfung durch eine internationale Experten-
jury zunächst zurückverwiesen. Nicht zuletzt auf-
grund des persönlichen Einsatzes des deutschen
Botschafters bei der UNESCO, der Mitarbeiter des
deutschen UNESCO-Büros, Vertreter des Auswär-
tigen Amts und der Gründerväter-Gesellschaften
vor Ort hat sich das Entscheidungskomitee doch
für die Annahme des deutschen Antrags entschie-
den. Trotz der Nominierung aus Deutschland beto-
nen die Initiatoren, dass die genossenschaftliche
Idee keine rein deutsche Erfindung ist. Und es geht
nicht darum, eine spezifisch deutsche Ausprägung
als Vorlage für andere Länder zu postulieren. Viel-
mehr ist die genossenschaftliche Idee universell
und kann in anderen Ländern ganz unterschiedlich
gelebt werden.
richtungen wird kaum Wissen über die Genos-
senschaft vermittelt. „Das wollen wir ändern. Die
Genossenschaft muss stärker in der schulischen
und universitären Ausbildung verankert werden.
Und der Kulturerbetitel wird uns auf Länderebene
so manche Tür in der Politik und den Behörden
öffnen“, meint Viehweger.
„Der genossenschaftliche Gedanke und die ihm
innewohnenden Werte sind ja durchaus gegen-
wärtig“, ergänzt Böhnke. „Interessant ist z. B.,
wie sich Wertvorstellungen bei jungen Menschen
verändern. So verzichten heute viele junge Leute
auf ein eigenes Fahrzeug und bevorzugen Car-
sharing. Bisweilen fehlt jedoch das Bewusstsein
darüber, dass die genossenschaftliche Koope-
ration auch in vielen anderen Lebensbereichen
nützlich sein kann.“
Immaterielles Kulturerbe
Der Titel „Immaterielles Kulturerbe“ ist noch re-
lativ neu. Die UNESCO hatte das Abkommen zum
Schutz des traditionellen Wissens und Könnens
erst im Jahr 2003 verabschiedet. Die völker-
rechtlich verbindliche Konvention trat 2006 in
Kraft. Zu den über 150 Vertragsstaaten gehört
seit 2013 auch die Bundesrepublik Deutschland.
Seither werden in einem nationalen Verzeichnis
die kulturellen Traditionen registriert.
Wofür Wohnungsgenossenschaften
stehen, verdeutlicht eine Serie von
Kampagnenmotiven, die anlässlich des
Internationalen Jahres der Genossen-
schaften entwickelt wurden
Quelle: GdW
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