DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 2/2017 - page 41

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2|2017
Von Basel III zu Basel IV?
Obwohl sich die langfristige Finanzierungs-
struktur bewährt hat, steht sie immer wieder
zur Disposition. Bei den weltweiten Reglemen-
tierungsbemühungen droht dem langfristigen
Kredit regelmäßig Ungemach. Aber auch das
Geschäftsmodell der Anbieterseite steht infolge
der Bankenregulierung und der Niedrigzinsphase
erheblich unter Druck. Grundsätzliches Ziel aller
Basel-Abkommen ist die Sicherung einer ange-
messenen Eigenkapitalausstattung und damit
Stabilität des Bankensektors sowie die Schaffung
einheitlicher Wettbewerbsbedingungen für die
Kreditvergabe und den Kredithandel.
Obwohl es offiziell bei den aktuellen Reformbe-
mühungen umdie Finalisierung von Basel III geht,
reichen nach Meinung vieler Bankenvertreter die
Anforderungen des Baseler Ausschusses inzwi-
schen aber so weit, dass die Branche längst von
„Basel IV” spricht.
Standardansatz
Nach der bisherigenRahmenvereinbarung des Bas-
ler Ausschusses für Bankenaufsichtwerden „durch
WohnimmobilienbesicherteForderungen”,dievoll-
ständig durchGrundpfandrechte abgesichert sind,
mit einemRisikogewicht von35%bewertet. Dabei
hat sich die Aufsicht davon zu überzeugen, dass
dieses verminderte Risikogewicht, entsprechend
den nationalen Bestimmungen für Kredite zur Fi-
nanzierung vonWohneigentum, ausschließlich auf
Wohnimmobilien angewandt wird und dass diese
Kredite strengenAnforderungen entsprechen, z. B.
dass der nach genauen Regeln ermittelte Wert der
Sicherheit den Kreditbetrag erheblich übersteigt.
Sofern die Aufsicht zu dem Ergebnis kommt, dass
dieseAnforderungen nicht erfülltwerden, sollte sie
ein höheres Risikogewicht anwenden.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsauf-
sicht hat für das Jahr 2014 festgestellt, dass die
Höchstverlustraten fürmitWohnimmobilien besi-
cherte Risikopositionen und für mit Gewerbeim-
mobilien besicherte Risikopositionemeingehalten
wurden. Die tatsächlichen Verlustraten liegen für
Deutschland deutlich unter den festgelegtenOber-
grenzen. Nach den aktuellen Reformvorschlägen
des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht ist eine
Berücksichtigung von länderspezifischen Beson-
derheiten nicht mehr vorgesehen.
Anstatt des bislang angesetzten pauschalen Ri-
sikogewichts von 35% sollen die Risikogewichte
von „durch Wohnimmobilien besicherten Forde-
rungen” in Abhängigkeit von der „Loan-to-Value”
(LTV)-Quote ermittelt werden. Die LTV-Quote
ergibt sich aus dem Verhältnis von gesamter For-
derungshöhe zum Wert des Sicherungsobjekts.
Unterschieden werden soll bei der zukünftigen
Risikogewichtung zwischen den Kategorien:
• „Rückzahlung ist nicht abhängig vomZahlungs-
strom aus dem finanzierten Objekt” und
• „Rückzahlung ist abhängig vom Zahlungsstrom
aus dem finanzierten Objekt”.
Für die Finanzierung der Wohnungs- und Immobi-
lienunternehmen in Deutschland ist die Eingrup-
pierung in die Kategorie „Rückzahlung ist nicht
abhängig vom Zahlungsstrom aus dem finanzier-
ten Objekt” (siehe Abbildung oben) elementar, da
ansonsten eine deutliche Verschlechterung der
Kreditkonditionen drohen würde. Dabei darf es
auch keine Rolle spielen, ob die Wohnung durch
den Eigentümer selbst bewohnt oder vermie-
tet wird. Eine solche Eingruppierung von durch
Wohnimmobilien besicherten Forderungen kann
u. a. damit begründet werden, dass die Bonität
des Wohnungsunternehmens bei der Ausfall-
wahrscheinlichkeit des Immobilienkredits eine
wesentliche Rolle spielt und daher mit berück-
sichtigt werden muss. Dies zeigen auch die ge-
ringen Verlustraten für mit Immobilien besicherte
Risikopositionen.
Aufgrund der Bedeutung der sachgerechten Ein-
gruppierung für die wohnungswirtschaftliche Fi-
nanzierung hat der GdW sich in einem Schreiben
an die Deutsche Bundesbank gewandt und umUn-
terstützung gebeten. Die Deutsche Bundesbank
hat demGdWdaraufhinmitgeteilt, dass die in den
finalen Empfehlungen des Basler Ausschusses zur
Überarbeitung des Kreditrisiko-Standardansatzes
vorgeschlagenen Risikogewichte für Immobilien-
finanzierungen, deren Rückzahlung von Zahlungs-
strömen aus den finanzierten Objekten abhängt,
deutlich abgesenkt werden sollen. Darüber hinaus
sollen Finanzierungen, bei denen der Kreditneh-
mer über ein hinreichend breit gestreutes Immo-
bilienportfolio verfügt und die Rückzahlung nicht
von einem Einzelobjekt abhängt, nicht unter die
verschärften Risikoanforderungen fallen.
Interner Ratingansatz (IRBA)
Des Weiteren soll der Anwendungsbereich für
den IRBA nach aktuellen Reformbestrebungen
deutlich eingeschränkt werden. Bei sog. „Low-
default”-Portfolios (Banken und andere Finan-
zinstitute sowie große Unternehmen und Betei-
ligungen) soll nur noch der Standardansatz zur
Anwendung kommen. Darüber hinaus ist vorge-
sehen, die Nutzung des IRB-Ansatzes nicht mehr
bei Unternehmenmit einemUmsatz vonmehr als
200 Mio. € zuzulassen. Auch wenn für Forderun-
gen an kleine Unternehmen der IRB-Ansatz beste-
hen bleiben soll, sollen Untergrenzen in Formvon
sog. „exposure level floors” eingezogen werden,
um potenzielle Spreizungen zu begrenzen.
Fazit
Aus Sicht der Wohnungswirtschaft ist es elemen-
tar, die niedrige Risikogewichtung beizubehalten.
Die Schaffung von einheitlichenWettbewerbsbe-
dingungen für die Kreditvergabe aus internationa-
ler Sicht darf dabei nicht zu Lasten der deutschen
Langfristkultur gehen. Die Benachteiligung durch
die Einführung einer höheren Risikogewichtung
würde sich, gerade vor dem Hintergrund der an-
stehenden Neubauaktivitäten, für die Finanzie-
rung der Wohnungs- und Immobilienunternehmen
in Deutschland besonders stark auswirken. Der
GdW hat sich in verschiedenen Stellungnahmen
an den Basler Ausschuss für Bankenaufsicht und
in Gesprächen mit der Europäischen Kommission
und der Bundesbank für die Interessen der Woh-
nungswirtschaft eingesetzt.
Ingeborg Esser
Hauptgeschäftsführerin
GdW
Berlin
VERLUSTRATEN FÜR MIT IMMOBILIEN
BESICHERTE RISIKOPOSITIONEN
Wohnimmobilien Obergrenze Ist-Ausfall
Verlustraten
0,30%
0,05%
RISIKOGEWICHTUNG FÜR WOHNIMMOBILIEN
Rückzahlung ist nicht abhängig vom Zahlungsstrom aus dem finanzierten Objekt
LTV ≤ 40%
40% < LTV
≤ 60%
60% < LTV
≤ 80%
80% < LTV
≤ 90%
90% < LTV
≤ 100%
LTV > 100%
Risiko­
gewichtung
25%
30%
35%
45%
55%
Einzelfall­
regelung
Rückzahlung ist abhängig vom Zahlungsstrom aus dem finanzierten Objekt
LTV ≤ 60% 60% < LTV
≤ 80%
LTV > 80%
Risiko-
gewichtung
70%
90%
120%
1...,31,32,33,34,35,36,37,38,39,40 42,43,44,45,46,47,48,49,50,51,...76
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