CONTROLLER Magazin 2/2019 - page 57

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was zwangsläufig zu einer Steigerung
der Lohnkosten führt. Um die Lohnkosten­
vorteile nicht zu verlieren, betrachten
die Unternehmensberater eine jährliche
Fluktuation von bis zu 20 Prozent als
durchaus akzeptabel.
Neben der Standortwahl wurde bei der Befra-
gung auch mehrfach die Bedeutung der ERP-
Infrastruktur hervorgehoben. Besonders wich-
tig ist dabei die Homogenität der Systeme. Nur
wenn diese umfassend gegeben ist, können
auch die Vorteile, die das SSC mit sich bringt,
realisiert werden. Ausnahmslos gaben bei die-
sem Punkt alle Unternehmen an, dass ihr Un-
ternehmen bereits sehr weit bei der Verbreitung
eines homogenen Systems ist. Dies spielt
gleichzeitig auch bei der Wahl der zu migrieren-
den Standorte eine wichtige Rolle.
Implementierung von
Shared Service Centern
Bei der Implementierung des SSCs standen ins-
besondere
die Migrationsstrategie, das Change
Management
sowie auftretende
Herausforde-
rungen
im Mittelpunkt dieser Untersuchung.
Migrationsstrategien
Bei der Implementierung ist zunächst die Mig-
rationsreihenfolge (Prozesse, Standorte, etc.)
zu determinieren. Hierfür gibt es unterschied­
liche Möglichkeiten, die es unternehmensindi-
viduell zu prüfen gilt. Die dabei relevanten Kri-
terien sind insbesondere: Größe und Komple-
xität, Region sowie persönliches Verhältnis
zwischen den beteiligten Personen. Demnach
kann auch eine große Gesellschaft als Pilot in
das SSC migriert werden, wenn bei den dorti-
gen Verantwortlichen die Bereitschaft und der
Wille besteht, das Projekt erfolgreich umzuset-
zen. Eine andere Herangehensweise ist, mit ei-
ner möglichst komplexen Gesellschaft zu be-
ginnen, um aus den dort gemachten Erfahrun-
gen zu lernen und die zukünftigen Migrationen
reibungslos abwickeln zu können. Auch die
Homogenität des ERP-Systems kann ein Argu-
ment für die Migration sein. Werden Unterneh-
men mit einem anderen ERP-System migriert,
mit dem der SSC-Mitarbeiter nicht täglich ar-
sich bei der Standortwahl für Tschechien ent-
schieden. Hierbei waren insbesondere die nied-
rigen Lohnkosten das Hauptargument für die-
sen Standort. In beiden Unternehmen wurden
die SSC an ein bereits bestehendes Werk an­
gegliedert, um damit zusätzliche Infrastruktur-
kosten zu vermeiden.
Die anderen Unternehmen haben sich für
Standorte im Inland entschieden. Zwei Drittel
davon in unmittelbarer Nähe zum Stammsitz
der Muttergesellschaft. Ein Unternehmensbe-
rater begründet diese Entscheidung mit kürze-
ren Kommunikationswegen und der damit ver-
bundenen besseren Steuerbarkeit, was der
Prozessqualität dienlich sein kann. Allerdings
müssen dabei höhere Lohnkosten in Kauf ge-
nommen werden. Neben der regionalen Abde-
ckung sowie den Lohn- und Infrastrukturkosten
sind die folgenden Kriterien bei der Standort-
wahl zu beachten:
Verfügbarkeit von qualifizierten
Arbeitskräften,
Erreichbarkeit des Standortes,
Attraktivität des Standortes für die
Mitarbeiter,
andere Serviceorganisationen am
selben Standort sowie
Subventionen.
Wird ein Standort ausgewählt, an dem auch
andere Serviceorganisationen vorzufinden sind,
wird auch oftmals das Thema Fluktuation von
Arbeitskräften relevant. Da es sich bei den Auf-
gaben in einem CoS oftmals um sehr homoge-
ne und eintönige Aufgaben handelt, sollte sich
die Organisation überlegen, wie sie damit um-
gehen möchte. Hierbei kann zwischen drei
gangbaren Optionen unterschieden werden:
Jobrotation:
Die Mitarbeiter wechseln nach einer be-
stimmten Dauer ihre Tätigkeit. Der Nachteil
dieses Ansatzes ist, dass dadurch Speziali-
sierungsvorteile verloren gehen.
Mitarbeiterentwicklungsprogramme:
Die Mitarbeiter werden weiter gefördert
und erhalten die Möglichkeit, in Zukunft
eine verantwortungsvolle Rolle innerhalb
des SSCs zu übernehmen. Allerdings sind
auch die leitenden Positionen limitiert.
Arbeiten mit Fluktuation:
Ist ein Mitarbeiter lange im Unternehmen,
erhält dieser regelmäßig Lohnerhöhungen,
Vorgaben für Bearbeitungszeiten, Arten des
Service, Leistungsumfang, Schnittstellendefini-
tion, Eskalationsvereinbarungen sowie Preise
der Leistungen.
Zwei Unternehmen verfügen über keine schrift-
liche Fixierung, allerdings sollen in einem der
beiden zukünftig SLAs, inklusive KPIs zur Effizi-
enzmessung, definiert werden. Eine eindeutige
Prozessdokumentation mit klar definierten
Schnittstellen und Verantwortungsbereichen
liegt nur in zwei Unternehmen vor. In den restli-
chen Unternehmen sind zwar die Schnittstellen
definiert, allerdings handelt es sich dabei grund-
sätzlich um mündliche Vereinbarungen, die ent-
weder nach einer Besprechung der betreffen-
den Einheiten bzw. Mitarbeiter zustande ge-
kommen sind oder sich durch die Anwendung
des ERP-Systems automatisch ergaben. In die-
sem müssen klare Berechtigungen definiert
werden, was z. B. dazu führt, dass der Mitarbei-
ter im Customer Service keine Rechnungen bu-
chen oder Kreditrahmen verändern darf.
Verrechnungspreise
Ein weiteres Kernelement der SLAs ist der Ver-
rechnungspreis. Hierbei hängt das Verrech-
nungskonzept sehr stark vom Reifegrad des
SSCs ab. Besonders in der Anfangszeit raten
die Consultants dazu, ein pragmatisches Preis-
konzept zu verwenden, das den steuerlichen
Vorgaben entspricht. Diese sind insbesondere
dann relevant, wenn Leistungen aus dem einen
in ein anderes Land transferiert werden. Um
den Vorwurf der Gewinnverschiebung auszu-
schließen, empfehlen die Experten aus den Un-
ternehmen, die Verrechnungspreise in Zusam-
menarbeit mit Steuerberatern und Wirtschafts-
prüfern vor Ort zu ermitteln. Wie die Untersu-
chung zeigt, ist es gerade am Anfang besonders
sinnvoll, mit einfachen kostenorientierten Prei-
sen zu beginnen.
Infrastruktur
Ein SSC kann in unmittelbarer Nähe zur Mutter-
gesellschaft oder geographisch entfernt (Inland
oder Ausland) errichtet werden. Ein Unterneh-
men verfügt sowohl in Dänemark wie auch in
China über ein SSC. Bei der Standortwahl
stand dabei primär die regionale Abdeckung im
Vordergrund. Ein anderes Unternehmen hat
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