CONTROLLER Magazin 2/2019 - page 55

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Konzeption von
Shared Service Centern
Bei der Konzeption eines SSCs werden die
Grundlagen für die spätere Implementierung
geschaffen. Im Themenblock „Konzeption“
werden die Punkte Definition und Ziele, Wirt-
schaftlichkeitsrechnung, Gestaltung sowie
Infrastruktur betrachtet.
Definition und Ziele
Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass
das Verständnis und die definierten Ziele, die
das SSC verfolgt, den Rahmen der Konzeption
bilden. Nur wenn die Ziele des SSCs eindeutig
definiert sind, kann die Wahl der zu migrieren-
den Prozesse, Standorte oder auch die Mitar-
beiterauswahl erfolgreich umgesetzt werden.
Liegt der Fokus des SSCs auf der
Kostenre-
duktion
, empfiehlt es sich, einfache, repetitive
Prozesse in das SSC zu verlagern (Center of
Scale CoS) und nach einem Standort mit einem
relativ niedrigen Lohnkostenniveau zu suchen.
Sollen dahingegen
komplexe Aufgaben
, die
eine entsprechende Expertise benötigen (Cen-
ter of Excellence CoE), im Center bearbeitet
werden, ist insbesondere die Qualifikation der
Mitarbeiter ausschlaggebend.
In der Unternehmenspraxis besteht eine relativ
allgemeine Definition von SSC. Laut Aussage
der Unternehmensexperten handelt es sich bei
einem SSC um eine zentrale Stelle, in der Pro-
zesse und Dienstleistungen gebündelt sind, die
vorher dezentral erbracht wurden. Dabei spie-
len gesellschaftsrechtliche Strukturen mehr-
heitlich keine Rolle, so dass auch Abteilungen
innerhalb des Rechnungswesens oftmals als
SSC bezeichnet werden. Die in den Definitionen
wissenschaftlicher Werke manchmal zu finden-
den Charakteristika, wie die Wettbewerbs­
fähigkeit des SSCs und auch die (teilweise) Un-
abhängigkeit des SSCs von der Muttergesell-
schaft, wurden von keinem der Unternehmens-
experten erwähnt.
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Die
am häufigsten genannten Ziele von
SSC sind Effizienz- und Effektivitätsstei-
gerungen sowie die Erhöhung der Prozess-
qualität
. Durch die Bündelung der Prozesse in
einer zentralen Stelle lassen sich diese einfa-
cher standardisieren, automatisieren und kon-
tinuierlich optimieren, was letztendlich zu Kos-
tenersparnissen führen soll. Auch kann mit der
Einführung eines SSCs die Prozessstabilität
gesteigert werden. Krankheits- oder urlaubs-
bedingte Ausfälle sowie erhöhtes Arbeitsauf-
kommen lassen sich innerhalb des SSCs einfa-
cher abfangen. Dies hat zugleich Auswirkun-
gen auf die Anzahl der Mitarbeiter, da sich in
den dezentralen Einheiten der personelle Auf-
wand für das Rechnungswesen verringert. Ei-
ner der Berater konstatiert, dass aus den ge-
nannten Gründen ein SSC einen entscheiden-
den Wettbewerbsvorteil bieten kann.
Implementierungsprozess
Für die Einführung des SSCs wurde in allen Un-
ternehmen ein eigenes Projektteam gegründet.
Die Besetzung dieses Teams variiert innerhalb
der Unternehmen, dennoch ist festzustellen,
dass unternehmensübergreifend sowohl der
verantwortliche Mitarbeiter innerhalb des SSCs
wie auch Mitarbeiter der leistungsempfangen-
den Einheit Teile des Teams waren. Dies soll
eine verbesserte Kommunikation gewährleisten
und gleichzeitig als vertrauensbildende Maß-
nahme dienen. Des Weiteren empfiehlt die
Mehrheit der Unternehmen, Mitarbeiter aus
den Bereichen IT und Personal in das Imple-
mentierungsteam einzubeziehen. Dies soll si-
cherstellen, dass die Prozesse im ERP-System
richtig abgebildet und möglichst optimiert wer-
den. Auch müssen neue Mitarbeiter entspre-
chend der definierten Qualifikationen und
Kenntnisse eingestellt und neue Arbeitsverträ-
ge aufgesetzt werden. Führt die Einführung des
SSCs zur Kündigung von Mitarbeitern, ist die
arbeitsrechtliche Expertise der Human Resour-
ces (HR)-Abteilung gefragt.
Neben dem operativen Projektteam gründeten
drei der acht Unternehmen ein sogenanntes
Steering Committee (Lenkungsausschuss) für
die Implementierung des SSCs unter Einbezug
leitender Angestellter des Unternehmens. Das
Steering Committee überwacht den Fort-
schritt des Implementierungsprozesses und
unterstützt das operative Projektteam bei kri-
tischen Fragen. Insgesamt dauerte der Imple-
mentierungsprozess bei den befragten Unter-
nehmen zwischen sechs und achtzehn Mona-
ten. Als beeinflussende Faktoren für die Imple-
mentierungsdauer gelten insbesondere die
Komplexität sowie die Größe der zu migrieren-
den Einheiten.
Wirtschaftlichkeitsrechnung
Da es sich bei der Implementierung des SSCs
um ein risikobehaftetes Projekt handelt, das
neben monetären auch personelle Ressourcen
bündelt, ist es wichtig ex ante abzuschätzen, ob
sich dieser Aufwand auch tatsächlich lohnt.
Zwar haben alle Unternehmen zu Beginn der
Konzeptionsphase eine Wirtschaftlichkeits-
rechnung erstellt, allerdings unterscheiden sich
diese methodisch sowie im Detaillierungsgrad.
Sechs der acht Unternehmensexperten geben
an, eine Kostenvergleichsrechnung durchge-
führt zu haben. Dabei wurden die ursprüngli-
chen Ist-Kosten mit den durch das SSC entste-
henden Einsparungspotenzialen (Synergien)
und den dazugehörigen Einführungskosten (In-
vestitionen in Infrastruktur, Schulung der Mitar-
beiter, etc.) verglichen. Einen besonderen Kos­
tentreiber stellen dabei Mitarbeiterabfindungen
dar, die die Amortisationsdauer stark beeinflus-
sen können. Lediglich in zwei Unternehmen
wurde die Kapitalwertmethode verwendet. Da-
für wurden die Cashflows der nächsten Jahre
ermittelt und mit dem Kalkulationszinssatz ab-
gezinst. Als Vorteil der dynamischen Investiti-
onsrechnung wird gesehen, dass auch zukünf-
tige Veränderungen wie Inflationsraten oder
Personalkostensteigerungen in die Berechnung
einbezogen werden können. Ergänzend wurde
die Amortisationsdauer der SSC als Risikomaß
ermittelt, sie lag bei den befragten Unterneh-
men zwischen zwei und fünf Jahren.
Gestaltung des Shared Service Centers
Bei der Gestaltung des SSCs gibt es verschie-
dene Aspekte zu beachten. In der Untersu-
chung wurden die Experten zu folgenden
Punkten befragt:
Auswahl der zu migrierenden
Prozesse, Aufbau und Struktur, Service Level
Agreements (SLA) und Infrastruktur.
Auswahl der zu migrierenden Prozesse
Laut dem Unternehmensberater können 60 bis
100 Prozent der Accountingfunktionen an SSC
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