 
          
            45
          
        
        
          scheinlichkeit oder Schadenshöhe hergeleitet?
        
        
          Wer ist für die Risikoquantifizierung zuständig
        
        
          gewesen und welche Datenquellen hat er ge-
        
        
          nutzt? Oft ist auch unmittelbar offensichtlich,
        
        
          dass die ausgewählte Wahrscheinlichkeits
        
        
          verteilung – häufig eine Binomialverteilung
        
        
          (Bernoulli-Verteilung) – nicht sachgerecht ist
        
        
          (siehe dazu das Regelsystem im zweiten Teil
        
        
          des Beitrags).
        
        
          Bei der Risikoquantifizierung sind zudem nur
        
        
          nicht geplante Veränderungen zu beachten.
        
        
          Weiterhin ist zwischen „Bruttowirkungen“ und
        
        
          „Nettowirkungen“
        
        
          eines Risikos zu unter-
        
        
          scheiden. Für die Risikoquantifizierung sind
        
        
          letztlich die Nettowirkungen relevant, bei denen
        
        
          sämtliche momentan realisierte
        
        
          Risikobewäl-
        
        
          tigungsverfahren
        
        
          (z. B. Versicherungen) be-
        
        
          reits berücksichtigt sind.
        
        
          Für die Quantifizierung eines Risikos kann man
        
        
          sich an tatsächlich in der Vergangenheit einge-
        
        
          tretenen Risikowirkungen (Schäden), an Bench-
        
        
          mark-Werten aus der Branche oder an selbst
        
        
          erstellten (realistischen) Schadensszenarien
        
        
          orientieren (siehe weiterführend zu den statisti-
        
        
          schen Verfahren der Schätzung der Parameter
        
        
          von Wahrscheinlichkeitsverteilungen und zu
        
        
          Gütetests Bamberg/Baur/Krapp, 2009), die
        
        
          dann transparent zu beschreiben und hinsicht-
        
        
          lich der Auswirkung auf das Unternehmenser-
        
        
          gebnis zu erläutern sind.
        
        
          Liegen für ein Risiko genügend historische Da-
        
        
          ten vor, z. B. Schadensdaten oder Umsätze oder
        
        
          Materialpreise, kann mittels statistischer Hypo-
        
        
          thesentests auch geprüft werden, ob die ange-
        
        
          nommene Wahrscheinlichkeitsverteilung in An-
        
        
          betracht der vorhandenen Daten „passt“.
        
        
          Es ist zu beachten, dass jede Quantifizierung
        
        
          von Risiken, z. B. die Schätzung von Eintritts-
        
        
          wahrscheinlichkeiten, immer nur einen „vor-
        
        
          Stochastische Prozesse
        
        
          Die hier erläuterten Wahrscheinlichkeitsver-
        
        
          teilungen erlauben es, die Wirkung eines Risi-
        
        
          kos – Häufigkeit des Eintritts oder Bandbreite
        
        
          der Auswirkungen – in einer Periode bzw. bei
        
        
          einem Einzelfall zu beschreiben. Um den zeit-
        
        
          lichen Verlauf eines Risikos, über mehrere Pe-
        
        
          rioden hinweg, zu beschreiben, kann man so-
        
        
          genannte stochastische Prozesse nutzen (sie-
        
        
          he weiterführend z. B. Cottin/Döhler, 2009;
        
        
          Vose, 2008 und Bamberg/Baur/Krapp, 2009,
        
        
          zu stochastischen Prozessen und Zeitreihen-
        
        
          analysen). Ein einfaches Beispiel für einen sol-
        
        
          chen Prozess ist der folgende Mean Reversion
        
        
          Process.
        
        
          ist der gleichgewichtige Wert des Prozesses
        
        
          (Gleichgewichtsniveau). Liegt z. B. X
        
        
          t
        
        
          über die-
        
        
          sem Wert, so ist der Driftterm
        
        
          nega-
        
        
          tiv und der Drift wird den Prozess tendenziell
        
        
          nach unten „ziehen“. Der Parameter , die
        
        
          „Steifigkeit“, gibt an, wie stark die oben be-
        
        
          schriebene „Anziehungskraft“ von  ist, die
        
        
          Abweichungen vom Mittelwert  beseitigt. Die
        
        
          Größe
        
        
          , die Standardabweichung von ,
        
        
          gibt an, wie stark der Einfluss von  bzw. des
        
        
          Zufallsprozesses ist.
        
        
          Grundsätze und Fehlerquellen
        
        
          bei der Risikoquantifizierung
        
        
          Bei der kritischen Analyse der Quantifizierung
        
        
          von Risiken, die man bei deutschen Unterneh-
        
        
          men findet, zeigen sich einige recht typische
        
        
          Schwächen und Fehlerquellen, die es zu ver-
        
        
          meiden oder beheben gibt. Während ein Risiko
        
        
          meist inhaltlich gut beschrieben ist, fehlt oft
        
        
          schon die Transparenz bezüglich der Risiko-
        
        
          quantifizierung: Wie wurde eine Eintrittswahr-
        
        
          Für die Beschreibung von asymmetrischen Risi-
        
        
          ken, die entweder einen Chancen- oder einen
        
        
          Gefahrenüberhang aufweisen, kann man im
        
        
          einfachsten Fall die sogenannte
        
        
          Dreiecksver-
        
        
          teilung
        
        
          verwenden. Bei dieser wird eine be-
        
        
          trachtete risikobehaftete Größe (z. B. die Kosten
        
        
          eines Projektes) beschrieben durch (a) Min-
        
        
          destwert, (b) wahrscheinlichsten Wert und (c)
        
        
          Maximalwert. Beispiele: risikobedingt mögliche
        
        
          Bandbreite der Investitionshöhe. Die Dreiecks-
        
        
          verteilung ist nützlich für die „planungsbezoge-
        
        
          nen Risiken“ (im Controlling).
        
        
          Diese kleine Liste von Wahrscheinlichkeits-
        
        
          verteilungen ist natürlich nicht abschließend.
        
        
          In Gleißner (2017a) findet man Erläuterungen
        
        
          zu einer Vielzahl weiterer in der Praxis auch
        
        
          wichtiger Wahrscheinlichkeitsverteilungen,
        
        
          wie z. B. der Lognormalverteilung, der Expo-
        
        
          nential-Verteilung, der Poisson-Verteilung
        
        
          (vgl. Zeder, 2007) (für die Beschreibung der
        
        
          Häufigkeit eines Risikoeintritts), der Gleich-
        
        
          verteilung (für Situationen, in denen keine In-
        
        
          formationen über die Eintrittswahrschein-
        
        
          lichkeiten vorliegen) und der Pareto-Vertei-
        
        
          lung, die geeignet ist, Extremereignisse (wie
        
        
          Naturkatastrophen oder Börsencrashs) zu
        
        
          modellieren. Manche Verteilungen weisen
        
        
          ein hohes Maß an Flexibilität auf und können
        
        
          genutzt werden, sehr unterschiedliche Sach-
        
        
          verhalte geeignet zu modellieren (wie z. B.
        
        
          die Weibull-Verteilung, vgl. Fuchs, 2018).
        
        
          Oft ermöglicht aber nur eine Kombination von
        
        
          Wahrscheinlichkeitsverteilungen eine adäquate
        
        
          Beschreibung eines Risikos. Man denke z. B. an
        
        
          den Fall, dass zwar einem ereignisorientierten
        
        
          Risiko eine bestimmte Eintrittswahrscheinlich-
        
        
          keit zugeordnet werden kann und die Scha-
        
        
          denshöhe selbst unsicher ist.
        
        
          Beispiel:
        
        
          Der Schaden S tritt z. B. mit p =
        
        
          10%iger Wahrscheinlichkeit ein und der unsi-
        
        
          chere Schaden ist dann durch a = 10 (Mindest-
        
        
          wert), b = 20 (wahrscheinlichster Wert) und c =
        
        
          60 (Maximalwert) charakterisiert, was z. B.
        
        
          eine Dreiecksverteilung zeigt (vgl. Abbildung 2).
        
        
          Der Erwartungswert des Schadens (S) beträgt
        
        
          dann:
        
        
          
            Autor
          
        
        
          Prof. Dr. Werner Gleißner
        
        
          ist Vorstand bei der FutureValue Group AG in Leinfelden-
        
        
          Echterdingen und Honorarprofessor für Betriebswirtschaft,
        
        
          insb. Risikomanagement, an der TU Dresden. Er ist Mitglied im
        
        
          Internationalen Controller Verein (ICV) und im Beirat der Risk
        
        
          Management Association.
        
        
          E-Mail:
        
        
        
        
          
            CM März / April 2019