CONTROLLER Magazin 4/2019 - page 65

63
Fast dreißig Jahre später gehört Controlling als
Fachdisziplin zum festen Bestandteil der Ma-
nagement-Ausbildung in Russland. Mittlerweile
bilden 94 Hochschulen zukünftige Controller
aus. Dennoch bleibt die Frage nach dem tatsäch-
lichen Implementierungsstand des Controllings
in der Praxis weitestgehend offen. Nach wie vor
liegen keine repräsentativen Studien, weder zum
Berufsbild Controller noch zum Einsatz der Con­
trolling-Instrumente in der russischen Unterneh-
menspraxis, vor. Aktuell bemüht sich unser
Forschungsteam diese Lücke zu schließen.
in der Zeit der beidseitigen Begeisterung di-
rekt nach der deutschen Wiedervereinigung.
So einer der zahlreichen Mitwirkenden an der
Übersetzung und Redaktion des Werkes von
Hahn (1997): „Nach dem Zerfall der Sowjet-
union hatten wir immer noch unsere Professo-
ren-Jobs, dennoch keine Ahnung, was wir ab
sofort an Stelle der Politökonomie unterrichten
sollen. So waren wir froh, den einen oder an-
deren deutschen Kollegen zu kennen und sei-
ne Bücher zu nutzen, um den eigenen Unter-
richt zu gestalten.“
Die etwas später erschienenen Werke der
ebenfalls deutschen Autoren Hahn (1997),
Vollmuth (1998) und Deyhle (2001) setzten die
Erfolgsgeschichte fort. Ihre Popularität wird le-
diglich von Controlling-Standardwerken zweier
russischer Autorengruppen – Anankina et al.,
1998; Karminski et al., 1998 – übertroffen
(siehe Tabelle). Gemäß dem Verzeichnis der
Russischen Staatsbibliothek sind im Zeitraum
von 1992 bis 2016 insgesamt 425 Fach­
bücher, 368 Dissertationsschriften und 24
Habilitationsschriften in russischer Sprache
zum Thema Controlling erschienen. Folgende
Tabelle fasst das Ergebnis der Zählungen der
Verweise auf andere Autoren in 153 rezensier-
ten Controlling-Fachbüchern in russischer
Sprache zusammen. Sechs von zehn der
meistzitierten Werke in dieser Auswahl stam-
men aus deutscher Feder.
Russische Vorliebe für deutsche
Controlling-Literatur
Doch wie lässt sich diese Vorliebe für deutsche
Controlling-Literatur erklären? Einer der mögli-
chen Gründe liegt in der auffallend praktischen
Orientierung der Vermittlung von Know-how in
deutschen Publikationen (z. B. die imaginäre
Firma Starkfried, Mann/Meyer, 1992). In eini-
gen anderen Werken sind theoretische Grund-
lagen Teil der Beschreibung der konkreten Fall-
studien (z. B. reale Unternehmen wie Siemens,
Daimler-Benz und Leninez, Hahn, 1997). Diese
Vorgehensweise wird später von einigen russi-
schen Autoren übernommen, z. B. Fallstudie
zur Einführung des Controlling Systems in der
russischen AO Mowen (Falko, Nosov, 1995,
oder Chepetsky Mechanical Plant, Dedov,
2008). Eine weitere Erklärung der hohen Aner-
kennung der deutschen Autoren in Russland
könnte mit der wahrgenommenen Nähe der
deutschen und russischen Ansätze seitens eini-
ger russischer Wissenschaftler zusammen­
hängen (Turchak, Golovach, Lukashevich im
Vorwort zu Hahn, 1997, S.7; Nikolaeva im Vor-
wort zu Mayer, 1993, S. 5).
Eine weitere mögliche Ursache darf nicht un-
erwähnt bleiben. Es handelt sich dabei um die
hohe Dialogbereitschaft von Wissenschaftlern
Literaturverzeichnis
CM Juli / August 2019
1...,55,56,57,58,59,60,61,62,63,64 66,67,68,69,70,71,72,73,74,75,...116
Powered by FlippingBook