CONTROLLER Magazin 4/2019 - page 62

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die fortgeschrittene Datenanalyse. Damit kann
sich jeder BI Power-User bei Interesse für Ana-
lytics zum „Citizen Data Scientist“ (CDS) entwi-
ckeln. Im Gegensatz zum BI-Anwender, der auf
der Basis vorgefertigter Daten-Cubes arbeitet,
bewegt sich der CDS dabei auch auf der Ebene
der ungefilterten Rohdaten, um explorativ neue
Erkenntnisse zu generieren. Gartner schätzt,
dass im Jahr 2020 über 40 Prozent der Data-
Science-Aufgaben automatisiert laufen werden.
Damit kann sich Advanced Analytics in der Brei-
te in den Fachabteilungen etablieren.
Fazit: Der Weg ist bereitet –
machen Sie mit!
Die Cloud wird zum Standard, Machine Lear-
ning hält Einzug im Finanzwesen, und neue BI-
Technologien machen Fachanwender fit für
Data Science. Vorausschauende Analysen und
intelligente Automatismen sind in der BI-Welt
keine Zukunftsmusik mehr. Marktreife AI-Tech-
nologien stehen bereit, und anwenderfreundli-
che Frontends sowie schnelle und kosteneffizi-
ente Umsetzungsmöglichkeiten in der Cloud
machen Advanced Analytics für Unternehmen
jeder Größenordnung und alle Fachbereiche zu-
gänglich. Naheliegende Einsatzmöglichkeiten
im Finanzbereich gibt es genug, und während
die einen noch über vage AI-Projekte in ferner
Zukunft sinnieren, werden die anderen bereits
in den nächsten Monaten ihre treiberbasierte
Planung technologisch aufrüsten und sich so
einen entscheidenden Effizienz- und Know-
how-Vorsprung verschaffen. Ich möchte Sie er-
mutigen, neugierig zu sein und an den span-
nenden Entwicklungen teilzunehmen. Die Con-
trolling-Welt ist in Bewegung, seien Sie dabei
und erkunden Sie, welche Potenziale mit Cloud,
Machine Learning, Data Science und schließ-
lich Advanced Analytics für Ihr Unternehmen zu
heben sind.
Data Science bringt neue
berufliche Perspektiven
Machine Learning automatisiert Aufgaben, er-
setzt lästige manuelle Routinen und schaufelt so
wertvolle Ressourcen für anspruchsvollere stra-
tegische Aufgaben frei. Die notwendigen Tech-
nologien sind verfügbar. An was es jedoch fehlt,
sind die entsprechenden Kompetenzen und
Skills. So ist inzwischen der „Data Scientist“ als
hoch qualifizierter Allrounder mit seiner Kombi-
nation aus mathematisch-statistischem Wissen,
Business-Know-how und Erfahrung im Daten-
management eine weltweit dringend gesuchte
Rarität. Für diesen Mangel zeichnen sich aber
bereits kreative Lösungen ab, die wiederum
Schwung in den Markt bringen: Neue Technolo-
gien und ein ganz neues Rollenbild, das des
„Citizen Data Scientist“ (CDS), entstehen, um die
personelle Lücke des Data Scientist zu füllen.
Gemäß Definition des Analystenhauses Gartner
kommt der CDS typischerweise aus der
Fachabteilung, bringt viel Business-Know-how
und ein Grundverständnis im Umgang mit Da-
ten mit, muss aber nicht über das tiefe statis-
tisch-analytische Wissen des Data Scientist
verfügen. Denn der CDS wird von Tools mit ei-
ner hohen Usability unterstützt, die bereits viel-
fältige AI- bzw. ML-Funktionalität in ihren Bord-
mitteln enthalten und damit ein hohes Maß an
Self-Service Data-Science ermöglichen. Diese
Tools erlauben es dem CDS, analytische Aufga-
ben auszuführen und Modelle zu erstellen, die
fortgeschrittene Analysen, Vorhersagen und
präskriptive Funktionen enthalten.
So erweitern derzeit auch BI-Anbieter ihr Port-
folio um Datenvisualisierungstools, die Visual
Analytics ohne Programmieraufwand unterstüt-
zen. Per Drag-and-drop können Datenströme
hinzugefügt, verbunden und analysiert werden,
und im Hintergrund laufen ML-Algorithmen für
ning“ (ML). Sie macht es möglich, Daten belie-
biger Strukturen zu analysieren, automatisiert
Bedeutungen, Muster, Zusammenhänge, Prog-
nosen abzuleiten und die Ergebnisse dann als
Datengrundlage für die weitere Verarbeitung
zur Verfügung zu stellen. Seine volle Stärke
entfaltet ML in den Anwendungsfällen, die
durch vielfältige, schwer überschaubare Ein-
flussfaktoren geprägt sind (vgl. Abbildung 1).
Beispiel Umsatzsteuer-Verrechnung
Ein Beispiel dafür ist die Umsatzsteuer-Verrech-
nung international tätiger Unternehmen. In ei-
nem weltweit aktiven Handelsunternehmen ist
es typisch, dass täglich tausende Transaktionen
manuell verbucht werden. Da die Warenströme
mit vielfältigen Kombinationen aus Herkunfts-
land, Ziel, Materialen und Transportwegen
denkbar sind, ist ihre umsatzsteuerliche Bewer-
tung sowie die der anfallenden Zölle gemäß der
diversen regionalen Vorgaben entsprechend
komplex. Fehlerrisiken, die regelmäßig zeitauf-
wändige Kontrollen und Fehlersuchen erfor-
dern, sind vorprogrammiert. Mithilfe von ML
kann nun ein Algorithmus entwickelt werden,
der alle Transaktionen automatisch identifiziert
und ihre umsatzsteuerrechtliche Einordnung
prüft. Das System spürt Fehler und Anomalien
nach anfänglicher Trainingszeit zuverlässiger als
jeder Mensch auf, spart Aufwand für manuelle
Kontrolle und erhöht die Rate der Fehleridentifi-
kation und damit die Qualität. Durch gezielt
steuer- und zolloptimierte Warenströme auf Ba-
sis der fortgeschrittenen Analyse können darü-
ber hinaus weitere Kosten eingespart werden.
Beispiel rollierender Forecast
Ein weiteres Einsatzszenario ist ein rollierender
Forecast. Statt des manuellen Abgleichs von
Planwerten mit aktuellen Ist-Werten kann das
ML-System aus Vergangenheitswerten lernen,
wie sich beispielsweise Budgets erwartungsge-
mäß entwickeln, und die Vergleiche auf dieser
Basis automatisch fortschreiben. Der „mensch-
liche Faktor“, über den gerne das Prinzip Hoff-
nung oder vorsorglich angenommene Under-
performance in die Zahlen einfließen, ist dabei
ausgeschaltet, so dass objektivere Werte für
eine präzise Budgetierung zu erwarten sind.
Autor
Steffen Vierkorn
ist Geschäftsführer bei der QUNIS GmbH, Neubeuern. Zuvor ar-
beitete er viele Jahre als Head of Business Intelligence & Data
Warehouse beim Business Application Research Center (BARC)
in Würzburg. Neben Seiner Tätigkeit bei QUNIS lehrt er an der TU
München. Darüber hinaus arbeitet er als Trainer für Business
Intelligence, Advanced Analytics und Big Data für die CA control-
ler akademie, Wörthsee.
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