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An dem Begriff Agilität kommt im Moment nie-
mand vorbei. Ähnlich wie mit dem Schlagwort
„New Work“, erleben wir gerade einen Hype der
Agilität. Alles muss jetzt plötzlich agil sein. Bei
einem Gespräch über das Thema wird schnell
klar: Jeder versteht etwas anderes darunter.
Durch die inflationäre Verwendung erhält der
Begriff in manchen Unternehmen bereits eine
negative Bedeutung. Wie sagte ein Kunde kürz-
lich: „Agil heißt bei uns schnell und schlampig.
Davon hat keiner etwas!“
Aufgrund dieser Unklarheit beginnen wir mit
einer Definition des Begriffs: „Agilität ist die
Fähigkeit einer Person / einer Organisation, sich
schnell und effektiv an sich verändernde Um-
stände anzupassen.“ Es geht also darum, sich
anzupassen. Und zwar dann, wenn die Rahmen-
bedingungen es erfordern. Diese Anpassung an
neue Rahmenbedingungen sollte einerseits eini-
germaßen schnell erfolgen, um in angemesse-
ner Zeit reagieren zu können. Anderseits geht es
nicht um irgendeine Veränderung, sondern um
eine Reaktion, die für die neuen Rahmenbedin-
gungen sinnvoll ist. Es geht um Effektivität.
Wann Agilität sinnvoll ist
Damit wird auch deutlicher, wann es überhaupt
sinnvoll ist, sich als Team und als Organisation
mit Agilität zu beschäftigen: Nämlich dann,
wenn sich Rahmenbedingungen und Anforde-
rungen schnell und häufig ändern und viel Un-
gewissheit und/oder Unsicherheit vorhanden
ist. Man spricht hierbei auch von einer komple-
xen Situation, die im Gegensatz zu einer einfa-
chen oder komplizierten Situation wenig plan-
bar und berechenbar ist. Das heißt, die klassi-
schen Vorgehens- und Arbeitsweisen, die auf
Planbarkeit und Kontrollierbarkeit setzen, kom-
men in dieser komplexen Welt an ihre Grenzen.
Warum sich Controlling mit
Agilität beschäftigen muss
Konkret bedeutet das, dass die Poststelle im Un-
ternehmen auch in Zukunft nicht unbedingt agil
sein muss. Diese folgt in den meisten Unterneh-
men klaren, routinierten Abläufen und kann so
effizient wie möglich organisiert werden. Marke-
ting, Vertrieb, Produktentwicklung werden je-
doch immer häufiger in komplexen Umfeldern
unterwegs sein und sollten sich mit Konzepten
des agilen Arbeitens und agiler Organisationen
auseinandersetzen. Das Controlling wird inso-
fern davon betroffen sein, weil agile Vorgehens-
weisen vermutlich auch Auswirkungen darauf
haben, wie Controlling erfolgen kann.
Agile operations
Die meisten Unternehmen, die sich im Moment
mit Agilität beschäftigen, konzentrieren sich da-
bei auf die Prozesse und das Projektmanage-
ment im Unternehmen. Es geht also um das
operative Geschäft. Hier kommen dann meist
konkrete Methoden wie z. B. Design Thinking,
als ein Vorgehen der nutzerzentrierten Innovati-
on, zum Einsatz. Oder Scrum als ein Framework
der adaptiven Produktentwicklung. Design Thin-
king kommt dabei weiter vorne in einem Innova-
tionsprozess zum Einsatz. Es konzentriert sich
darauf, Lösungskonzepte zu entwickeln und die
Bedürfnisse von Nutzern zu adressieren. Scrum
kommt weiter hinten in einem Entwicklungspro-
zess zum Einsatz, wenn die Lösung im Großen
und Ganzen schon feststeht – sich Details aller-
dings im Prozess noch ständig verändern. Beide
Methodiken sind in der Lage, kurzfristig mit neu-
en Rahmenbedingungen umzugehen und diese
in der weiteren Arbeit zu berücksichtigen. Dazu
braucht es dann zum Beispiel häufige Synchro-
nisationsschleifen zwischen allen Bereichen.
Ebenso kurze Arbeitsintervalle mit einer an-
schließenden Feedbackschleife, um auf die ge-
wonnenen Erkenntnisse reagieren zu können.
Diesen Fokus auf das Operative nennt man auch
agile operations.
Agil in Arbeitsweisen und
Strukturen
von Florian Rustler
© bob– www.stock.adobe.com
Agil in Arbeitsweisen und Strukturen