CONTROLLER Magazin 4/2019 - page 58

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tragen können und damit die Qualität der Ent-
scheidung verbessern. Dieses Prinzip wirkt sich
direkt auf das Thema der „Regierung“ einer
Organisation aus, weil damit Entscheidungen
nicht von einer kleinen Gruppe an Führungs-
kräften getroffen werden – um sie dann nach-
träglich an die Betroffenen zu verkaufen. Die
Betroffenen sind von Beginn an in die Entschei-
dungsfindung involviert und Teil des Entschei-
dungsprozesses. Auch hier gibt es ganz kon-
krete Rahmenbedingungen, wie dies schnell
und effektiv abläuft. Zum Beispiel mittels eines
Konsent-Prozesses (nicht Konsens!).
Ein Spiel für Erwachsene
Wenn wir es mit Agilität ernst meinen, dann
spielen wir ein Spiel für Erwachsene. Das hin-
ter Agilität stehende Menschenbild geht davon
aus, dass Menschen ihr Bestes geben und
sich in ihrer Tätigkeit entwickeln und verbes-
sern wollen. Damit sind sie auch in den meis-
ten Fällen bereit, Entscheidungen zu treffen
und Verantwortung zu übernehmen. Zugege-
ben, das wird für manche Menschen anfangs
schwer werden (so wie es für manche Füh-
rungskräfte schwer werden wird, loszulas-
sen). Die meisten von uns sind ihr ganzes
Schul- und Berufsleben durch verschiedene
Anreiz- und Bestrafungssystems gesteuert
und manipuliert worden. Variable Vergütung
und Zielvorgaben sind nur einige Beispiele für
unterschiedliche Karotten, die uns ein Leben
lang vorgehalten wurden. All diese Elemente
stammen aus der tayloristischen Logik, in der
Unternehmen und die darin arbeitenden Men-
schen wie Rädchen in einer großen Maschine
betrachtet wurden, die man mit einem Drehen
an der richtigen Stellschraube justieren und
steuern kann. In der agilen Welt gehen wir von
erwachsenen Menschen aus, die über gesun-
den Menschenverstand verfügen und in der
Lage sind, Entscheidungen zu treffen. Dabei
erkennen wir immer an, dass Menschen Feh-
ler machen können, obwohl sie mit bestem
Wissen und Gewissen handeln. Daher braucht
es auch in der agilen Welt Möglichkeiten, Feh-
ler zu finden und zu korrigieren. Allerdings we-
niger aus einem Gedanken der Kontrolle her-
aus, sondern aus dem Wunsch, kontinuierlich
besser und effektiver zu werden.
sollten und nicht auf Vermutungen. So arbeiten
die zuvor erwähnten Methoden des Design
Thinking und Scrum beide mit diesem Prinzip.
Sie versuchen, schnell die Rückmeldung des
Kunden oder des Nutzers einzuholen. Liegt die-
se Rückmeldung vor, dann wird entschieden,
wie es weitergeht.
Prinzip Gleichwertigkeit
Dieses Prinzip besagt, dass die von einer Ent-
scheidung Betroffenen die Möglichkeit haben
sollten, eine Entscheidung zu beeinflussen, be-
vor diese getroffen wird. Dies deshalb, weil wir
davon ausgehen, dass die Betroffenen auf-
grund ihrer Expertise und Erfahrung etwas bei-
schließlich an einem Entwicklungsprojekt ar-
beiten, das fertig gestellt werden muss. Das
heißt jedoch nicht, dass es keine Notwendigkeit
für mehr Agilität gäbe.
Agilität basiert dabei vor allem auf einer Reihe von
Prinzipien (vgl. Abbildung 2). Im Gegensatz zu
Methoden, die meist für spezifische Situationen
Sinn machen, gelten Prinzipien kontextunabhängig
und sind daher immer anwendbar. Zwei Beispiele
für solche Prinzipien möchte ich geben:
Prinzip Empirizismus
Dieses Prinzip besagt, dass Entscheidungen
auf beobachtbaren Daten getroffen werden
Autor
Florian Rustler
ist Gründer von creaffective GmbH. Er hat Politikwissenschaf-
ten, Sinologie und Psychologie in München und Taipeh studiert
und einen Master in Creativity Studies in Buffalo, USA ge-
macht. Er berät Unternehmen weltweit zu den Themen Innova-
tion, Innovationskultur und agile selbstorganisierte Unterneh-
mensformen. Er ist Autor von vier Büchern, Kolumnist und Vor-
tragsredner und arbeitet mit Kunden weltweit.
E-Mail:
Abb. 2: Vier Betrachtungsräume einer Organisation
Agil in Arbeitsweisen und Strukturen
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