CONTROLLER Magazin 4/2019 - page 19

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sich das Controlling befassen muss, werden
häufig thematisiert:
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1. Die Begleitung und Bewertung des
Prozesses einer Industrie 4.0-Strategie,
2. die Identifikation und Beurteilung neuer digi-
taler bzw. datenbasierter Geschäftsmodelle,
3. die Beurteilung des Nutzens bzw. der Vor-
teilhaftigkeit von Investitionen in Industrie
4.0-Technologien
4. die Weiterentwicklung des Controller-Bereichs im Hinblick u. a. auf Schnittstellen,
Controllingprozesse, -instrumente und
-systeme.
Nach der horizontalen Integration mit ERP-Sys-
temen, bei der die Informationssysteme entlang
der Geschäftsprozesse auf gleicher Organisati-
onsebene im Fokus standen, ermöglichen die
neuen Technologien und Datenquellen cyber-
physischer Systeme in Produktion und Logistik
nun auch die
vertikale Integration über die
Unternehmensebenen hinweg. MES-Syste-
me erlauben dabei das Schließen der Lücke
zwischen den ERP-Systemen und der
Fertigungs(leit-)ebene
. Gerade das Produkti-
onscontrolling kann von den MES-Systemen
bzw. deren Betriebsdatenerfassung profitieren,
erschließen diese für die Controllingaufgabe
doch neue Datenquellen. Gleichzeitig steht die-
se funktionale Controlling-Position vor zahl­
reichen neuen Herausforderungen, da z. B. ein
Fertigungsablauf nicht mehr ex-ante über einen
im ERP-System hinterlegten Arbeitsplan vor­
gegeben ist, sondern ein cyberphysisches Pro-
dukt seinen Fertigungsablauf dezentral u. U.
selber auswählen kann. Die
Möglichkeit neu-
er Technologien bspw. im 3D-Druck bei
gleichzeitig stärkerer Kundenorientierung
führt zudem zu kleineren Losgrößen – ggfs.
sogar zur Losgröße 1
– mit nicht mehr sta-
tisch hinterlegten Rüstzeitanteilen. Viele klassi-
sche Controllinginstrumente und -erfahrungen,
wie z. B. Skaleneffekte oder Erfahrungskurven
stehen unter den Möglichkeiten von Industrie
4.0 heutzutage daher auf dem Prüfstand.
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Veränderte Controllingkompeten-
zen im Produktionscontrolling
Produktionscontroller übernehmen in diesem
Kontext zunehmend weniger automatisierbare
Routinetätigkeiten, dafür aber
mehr und
mehr Überwachungsfunktionen.
Neben der
Auswahl der richtigen Datenquellen und Daten
in der nun scheinbar endlosen Datenflut ste-
hen die Überprüfung eingesetzter Algorithmen
und die Entwicklung geeigneter Kennzahlen
und Methoden zur Sicherstellung der Erfül-
lungsqualität der dezentralen Controlling-Auf-
gaben im Bereich der Produktionsplanung und
-steuerung auf ihrer Agenda.
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Setzt schon das
klassische Produktions- bzw. Werkscontroller-
profil umfangreiche produktionsbezogene
Kenntnisse für bspw. Investitionsentscheidun-
gen im Bereich der Produktion, Wissen über
strategische und operative Produktionspla-
nungs- und -steuerungsmethoden und deren
Systeme voraus, so erweitert sich sein Aufga-
benspektrum durch Industrie 4.0 nochmals
deutlich.
Thiele, Munck
und
Riechmann
haben
hierzu eine umfangreiche
Analyse der neuen
Aufgaben eines Werkscontrollers
mit Be-
zug zu den Controlling-Hauptprozessen Stra-
tegische Planung, Operative Planung und Bud-
getierung, Forecast, Kosten-, Leistungs- und
Ergebnisrechnung, Management Reporting,
Projekt- und Investitionscontrolling und Risiko-
management durchgeführt.
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Abbildung 1 listet einen Auszug neuer Anfor-
derungen im Controlling-Hautprozess der
Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung
auf, für die im weiteren sowohl konzeptionelle
Ansätze als auch deren praktische Umset-
zung vorgestellt werden sollen. Die nicht
mehr starren und vorab bekannten Daten-
strukturen führen zur Notwendigkeit neuer
Verfahren für die Standardkostenrechnung
oder ersetzen diese. Gleichzeitig
erschwert
dies die Abweichungsermittlung
, da diese
auf den nun nicht mehr immer bekannten
Plan- bzw. Standardkosten basiert. Neue
Kennzahlen, die Messung der Effizienz der
Produktion, die nicht zwingend auf derartigen
Planansätzen aufbauen, sowie eine
neue Ar-
beitsteilung zwischen ERP- und MES-
Systemen
kann dabei, wie im Folgenden bei
einem Unternehmen der Futter- und Dünge-
mittelerzeugung aufgezeigt, ein interessanter
Lösungsansatz sein.
Industrie 4.0 und Produktions­
controlling bei DEGRO
Die DEGRO GmbH & Co. KG steht für
DE
hner
GRO
ßhandel und ist ein Tochterunternehmen
innerhalb der in dritter Generation inhaberge-
führten Dehner-Gruppe. Das Geschäftsfeld ist
im klassischen B2B-Geschäft verankert und
umfasst sowohl die Vermarktung von Handels-
waren als auch eigenproduzierter Erzeugnisse.
Hierzu werden Heimtier- und Wildvogelfutter,
sowie Düngererzeugnisse und Sämereien nach
eigenen und kundenspezifischen Rezepturen
hergestellt. Das
Konzerncontrolling der Deh-
ner-Gruppe
ist in das Vertriebs-, Logistik-,
Projekt- und Produktionscontrolling unterglie-
dert. Letzteres hat die Hauptaufgabe, Produkti-
onsprozesse und deren Kosten zu überprüfen,
Transparenz über die Prozesse zu schaffen und
diese zu optimieren.
CM Juli / August 2019
Abb. 1: Einfluss von Industrie 4.0 auf die Kosten-, Leistungs-, und Ergebnisrechnung (Auszug), vgl. (Thiel, Munck, Riechmann 2016), S. 75
1...,9,10,11,12,13,14,15,16,17,18 20,21,22,23,24,25,26,27,28,29,...116
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