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nerhalb einer Saison sogar sehr gut planbar ist
– in einem technischen Sinne.
Biel:
Also keine Planungsprobleme?
Kasper:
Doch,
problematisch ist im Fußball
die Mehrjahresplanung
. Viele unserer Auf-
wendungen und Erlöse, z. B. im Sponsoring, bei
den Dauerkarten oder im Personalbereich, sind
vertraglich fixiert. Wir sagen immer, wir können
innerhalb
einer Saison jederzeit eine Planung
für Platz 1 bis Platz 18, inklusive der Annahmen
zum Weiterkommen in den Pokalwettbewer-
ben, mit hinreichender Genauigkeit erstellen.
Das Problem ist nur, dass wir a.) nicht wissen,
welcher Platz es am Ende wirklich wird und b.)
die Ergebniseffekte zwischen den einzelnen
Plätzen oder Runden in den Pokalwettbewer-
ben natürlich enorm sein können. Wir begeg-
nen diesen Herausforderungen, indem wir sehr
detaillierte Daten vorhalten und unsere Planung
so modular aufgebaut haben, dass wir sie qua-
si in einer Art Baukastenprinzip jederzeit neu
zusammenstellen können.
Mehrjahresplanungen sind insofern schwie-
rig
, als die Komplexität immer dann zunimmt,
wenn man Annahmen im Hinblick auf die Quali-
fikation für die internationalen Wettbewerbe
treffen muss. Wir begegnen dieser Herausforde-
rung, indem wir sogenannte Polszenarien be-
rechnen. Das bedeutet, dass wir für die gesam-
te mehrjährige Planperiode ausschließlich mit
der Teilnahme an Champions League oder Euro-
pa League oder ohne europäischen Wettbewerb,
also nur im Bundesligaszenario, rechnen. Ver-
gleicht man dann die
drei Polszenarien
mitein-
ander, werden die Sensitivitäten zwischen den
Szenarien wesentlich deutlicher, als würde man
bspw. ein gemischtes Szenario planen.
Biel:
Bitte lassen Sie uns noch einmal auf
Kennzahlen und auf die damit im Zusammen-
hang stehenden Besonderheiten eingehen.
Kasper:
Wir haben auf Schalke eine
klare
Kernzielgröße: Das Lizenzspielerbudget
,
definiert als Cashflowgröße aus allen Ein- und
Auszahlungen für Spielertransfers, Gehälter
und Prämien sowie Spielerberater im Lizenz-
spielerbereich. Ich glaube, mit dieser Aussage
bediene ich direkt einige Vorurteile gegenüber
dem Fußball.
Planungsprozess, Quartalsabschlüsse und
regelmäßige Reportings an unsere Entschei-
dungsträger und Gremien. Wir setzen aller-
dings aufgrund der Besonderheiten unseres
Geschäfts inhaltlich andere Schwerpunkte,
aber auch das ist etwas, was jede Branche
auszeichnet. Würde sich ein
Controllingsys-
tem nicht an den Besonderheiten seiner
Branche
ausrichten, wäre es sicherlich nicht
zweckmäßig.
Biel:
Die meisten Unternehmen haben in der
sogenannten VUCA-Welt – also einer Wirt-
schaft, die durch Volatilität, Ungewissheit,
Komplexität und Mehrdeutigkeit bestimmt und
getrieben wird – große Probleme zu planen.
Der Profifußball ist von einer Menge Unwägbar-
keiten gekennzeichnet, wie sich fast an jedem
Spieltag beobachten lässt. Angesichts dieser
zahlreichen Einflussfaktoren stellt sich die Fra-
ge, wieweit kann man in Ihrem Geschäft noch
von Planbarkeit sprechen? Und was bedeutet
dies für das Controlling?
Kasper:
Wahrscheinlich kann man sagen,
dass der Fußball am besten auf die VUCA-
Welt vorbereitet ist
, weil wir quasi an jedem
Spieltag mit Volatilität, Ungewissheit und Kom-
plexität umgehen müssen. Das Ganze wird von
einer großen Intensität begleitet und steht unter
dem Brennglas der Öffentlichkeit. Auch hier
möchte ich den Blick der Leser etwas schärfen
und sage meinungsstark, dass der Fußball in-
Biel:
Sie berichten uns über das Anderssein
Ihres Controllings. Sie haben uns sicher noch
weitere Eigenarten des „Fußball-Controllings“
zu vermitteln?
Kasper:
Das vermuten Sie richtig ... Ich gehe
gerne kurz darauf ein. Der sportliche Erfolg
oder Misserfolg hat einen wesentlichen Einfluss
auf die Höhe und die Zeitpunkte von Ein- und
Auszahlungen. Um diesen Zusammenhang ad-
äquat im Controllingsystem abbilden zu kön-
nen, müssen wir eine hohe Szenariofähigkeit an
den Tag legen. Wir müssen jederzeit die Frage
beantworten können, was passiert bei einem
Weiterkommen in der Champions- oder Europa
League oder im DFB-Pokal, was passiert bei
der Verpflichtung eines weiteren Spielers oder
der Durchführung eines weiteren Konzerts in
der VELTINS-Arena. Wir haben folglich unsere
Planungssysteme auf eine hohe Szenariofähig-
keit „getrimmt“.
Biel:
Was bedeuten diese Anforderungen für
die Kernaufgaben des Controllings?
Kasper:
Ansonsten unterscheiden sich die
Kernaufgaben
·
·
Planung,
·
·
Steuerung
·
·
und Kontrolle/Reporting
handwerklich nicht grundsätzlich von einem
Controlling in einem normalen Unternehmen,
auch wir haben einen Budgetierungs- und
Buch / Dissertationsschrift
Auszug aus Rezension im Controller Magazin 6/2017
Kasper, Claudio: Controlling im deutschen Teamsport: Eine empirische Analyse. Norderstedt:
Books on Demand, 2016 – 632 Seiten, 44,99 €/ E-Book 19,99 €
Die Themen
Einleitung – Theoretische Grundlagen – Branchenmodell des Teamsports – Controlling im
Teamsport – Hypothesenbildung und Operationalisierung – Empirischer Teil – Zusammen
fassung und Implikationen für den Teamsport – Anhang.
Resümee
Das Buch beruht auf der Dissertationsschrift des Autors an der FernUniversität Hagen im
Jahre 2016. Mit dieser Arbeit betritt der Autor Neuland, damit ist sie auch eine „Impulsarbeit“.
Soweit bekannt, ist die Thematik Controlling im Teamsport bislang wenig aufgearbeitet. Es
erschließt sich ein guter Einblick in den Entwicklungsstand des Controllings im Teamsport.
Dies ist zugleich das Hauptziel dieser Veröffentlichung. Damit ergeben sich auch Ansatzpunkte
für die Weiterentwicklung und für die intensivere Nutzung des Controllings. Das Buch bringt
insgesamt den Teamsport und das Controlling näher zusammen.
Infobox
CM Juli / August 2019