CONTROLLER Magazin 4/2019 - page 8

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Clubs zu bedrohen. Plakativ ausgedrückt ist es
eine erfolgreiche Saison für den FC Schalke
04, wenn es uns gelingt, uns für die Champi-
ons League zu qualifizieren und wenn wir im
Jahresergebnis eine schwarze Null schreiben.
Letzteres ist Ausdruck dafür, dass wir unsere
verfügbaren Ressourcen optimal eingesetzt
haben. Von einem hohen Gewinn haben wir zu-
nächst einmal nichts, da wir auch keine An-
teilseigner haben, die nach einer Dividende
verlangen. Natürlich wehren wir uns nicht ge-
gen einen hohen Gewinn, wir steuern aber
eben nicht aktiv darauf hin.
Biel:
Was bedeutet das von Ihnen dargelegte
Zielsystem für das Controlling?
Kasper:
Die große Herausforderung im Con­
trolling besteht nun darin,
diese Besonderhei-
ten des Zielsystems im Controllingsystem
abzubilden.
Da viele klassische Controllingins-
trumente vor dem Hintergrund einer nach Ge-
winnmaximierung strebenden Organisation
entwickelt wurden, stellen wir uns bei jedem In-
strument die Frage, ist es für unsere Organisa-
tion geeignet und/oder muss es entsprechend
auf unsere Gegebenheiten angepasst werden.
Biel:
An dieser Stelle drängt sich die Frage
nach den Steuerungs-Kennzahlen auf.
Kasper:
Unsere Top-Kennzahl im wirt-
schaftlichen Bereich ist die Höhe des Cash-
flows
, den wir in den Lizenzspielerkader allo-
kieren können. Diese Top-Kennzahl verweist
allerdings direkt auf eine weitere Besonderheit
des Controllings im Fußball. Wir sind in unse-
rem Controlling wesentlich „
liquiditätsgetrie-
ben
“, da in vielen unserer Geschäftsbereiche
Erträge und Aufwendungen sowie Einzahlun-
gen und Auszahlungen zum Teil zeitlich erheb-
lich auseinanderfallen. So erfolgen die Einzah-
lungen aus den Dauerkartenerlösen oder dem
Sponsoring zum größten Teil am Anfang der Sai-
son. Auch die Einzahlungen aus der Vermark-
tung der TV-Erlöse erfolgen zu bestimmten
Zeitpunkten in der Spielzeit. Transfereinzahlun-
gen und -auszahlungen können sich ebenfalls
zu hohen zweistelligen Millionenbeträgen zu
bestimmten Zeitpunkten kumulieren. Um diese
Liquiditätsspitzen zu steuern, verfügen wir über
eine direkte Cashflow-Planung über bis zu 18
Monaten in die Zukunft hinein.
lings – der Controlling-Dreiklang Planung,
Steuerung und Reporting – eines bedeutenden
Fußballvereins von denen eines „normalen Un-
ternehmens“, beispielsweise eines Maschinen-
bauers oder Dienstleisters?
Kasper:
Ich glaube, der wesentliche Unter-
schied zwischen einem „normalen“ Unterneh-
men und einem Profifußballclub liegt
in den
Unterschieden im Zielsystem
. Hieraus resul-
tieren m. E. auch die meisten Missverständ-
nisse bei der Beurteilung/Bewertung der Leis-
tung von Fußballclubs und damit auch der
Leistung des Controllings.
·
·
Ein „normales“ Unternehmen strebt nach ei-
nem möglichst hohen Jahresgewinn und einer
entsprechenden Rendite, um damit das an-
gelegte Geld der Anteilseigner zu verzinsen.
·
·
Ich vertrete die These, dass für einen Fuß-
ballclub der Gewinn als Zielgröße eine nach-
geordnete Bedeutung aufweist. Das ist im
Übrigen vollkommen unabhängig von der
Rechtsform und gilt m. E. sowohl für Clubs,
die als AG’s tätig sind, als auch für Clubs, die
unter der Rechtsform des eingetragenen
Vereins agieren. Hier ist stets der sportliche
Erfolg im Fokus des Handelns.
Biel:
Müssen wir nicht das „Oberziel“ auch re-
lativieren?
Kasper:
Dieses Oberziel muss in der Tat zwin-
gend durch die Nebenbedingung einge-
schränkt werden,
mittel- und langfristig
nicht mehr Geld auszugeben, als man zur
Verfügung hat
, um nicht die Existenz des
Biel:
Können Sie uns Ihre Darlegungen an einem
Beispiel etwas verdeutlichen?
Kasper:
Gerne. Unser Club steht während der
Transferperioden oft vor der Entscheidung, ob
ein bestimmter Spieler noch verpflichtet werden
soll oder nicht. Wir verstehen unsere Aufgabe
hierbei darin, zunächst vor der Transferperiode
zu analysieren, welches Lizenzspielerbud-
get maximal zur Verfügung steht
, um wäh-
rend der Transferperiode jederzeit beurteilen zu
können, inwieweit das Budget bereits ausge-
reizt ist. Dadurch können wir bei der konkreten
Entscheidung für einen zusätzlichen Spieler auf-
zeigen, was ein potenzielles Überschreiten des
Budgets zur Folge hätte und welche Maßnah-
men dann erfolgen müssten. Unsere Aufgabe
besteht nicht darin, zu beurteilen, ob Spieler X
ins Mannschaftsgefüge passt oder einen we-
sentlichen Beitrag zur Erreichung unserer sport-
lichen Ziele leisten kann, dies ist die Kompetenz
und Verantwortung des sportlichen Bereichs.
Sie besteht auch nicht darin, ob eine Über-
schreitung des Budgets zulässig ist oder nicht,
auch diese Entscheidung obliegt dem Vorstand.
Wichtig ist aber, dass der Vorstand jeder-
zeit die Auswirkungen seiner Entscheidun-
gen erkennen kann.
Wir haben für unser Ver-
ständnis das Bild des Lotsen geprägt, der das
Fahrwasser der Branche Profifußball sehr gut
kennt und Hinweise für das Manövrieren geben
kann – aber nicht das Boot steuert.
Biel:
Lassen Sie uns bitte einen Perspektiv-
wechsel vornehmen und uns fragen, wie unter-
scheiden sich die Kernaufgaben des Control-
Autoren
Dr. Claudio Kasper
verantwortet als Leiter Controlling und Corporate Finance beim
FC Gelsenkirchen-Schalke 04 e.V. das Controlling der gesam-
ten Schalke 04-Gruppe. Zusätzlich ist er eingebunden in ver-
schiedene Projekte der Konzernentwicklung. Als Geschäfts-
führer der FC Schalke 04 Esports GmbH verantwortet er ein
strategisches Wachstumsfeld der S04-Gruppe
E-Mail:
Dipl.-Betriebsw. Fachjournalist (FJS) Alfred Biel
ist Autor, Interviewer und Rezensent verschiedener Medien mit
betriebswirtschaftlichem und fachjournalistischem Studien­
abschluss. Er verfügt über reichhaltige Praxiserfahrung aus
verantwortlichen Tätigkeiten in betriebswirtschaftlichen Funk-
tionen großer und mittlerer Unternehmen. Der Deutsche Fach-
journalisten Verband DFJV und der Internationale Controller
Verein ICV verliehen ihm die Ehrenmitgliedschaft.
E-Mail:
Wie gelingt Controlling im Profifußball?
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