Controller Magazin 7/8/2018 - page 60

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Ein Beispiel: Ein Pumpenhersteller produziert
zunächst Standardpumpen auf Lager (
make-
to-stock
). Aufgrund der hohen Kapitalbindung
und angesichts eines immer größeren Pro-
duktspektrums bei immer kleinerer Losgröße
geht er zumindest bei einigen Produkten dazu
über, nur noch nach Auftragseingang zu produ-
zieren (
make-to-order
). Nimmt aufgrund der
immer spezifischeren Kundenwünsche die Pro-
duktvielfalt und damit die Anzahl der Material-
stammdaten überhand, kommt es häufig dazu,
dass man für bestimmte Produkte Maximal-
Stücklisten und Arbeitspläne konstruiert, die
dann im Auftragsfall anhand des Kundenwun-
sches individuell konfiguriert werden (
configu-
re-to-order
). Der Trend zur Losgröße Eins geht
aber immer weiter, so dass in letzter Konse-
quenz gar kein Produkt vorab entwickelt wird,
sondern eine Kundenlösung auftragsspezifisch
konstruiert wird (
engineer-to-order
).
Dennoch steht das Unternehmen unter hohem
Preisdruck, weil der internationale Wettbewerb
vergleichbare Lösungen anbietet. Eine strategi-
sche Option ist die Differenzierung durch das
Hinzunehmen weiterer Produkte und Leistun-
gen. Unser Unternehmen könnte also beispiels-
weise zusätzlich zur Pumpe auch individuelles
Zubehör (zum Beispiel Filter, Verrohrung) anbie-
ten. Dies geht über reine Handelsware hinaus,
denn zu unserer einmaligen Pumpe muss auch
das Zubehör auftragsspezifisch konstruiert und
gefertigt werden. Im nächsten Entwicklungs-
schritt werden die einzelnen Komponenten ent-
weder im Werk oder beim Kunden montiert und
unser Unternehmen verkauft jetzt Pumpenanla-
Schwanken die Umsatzanteile zwischen Dritt-
und Konzerngeschäft stark und sind die Anteile
schlecht planbar, so sieht sich das Controlling
mit Abweichungen konfrontiert, für die das Pro-
dukt schlicht nicht verantwortlich ist und die
den übergeordneten Stellen nur schwer zu er-
klären sind.
Drei unterschiedliche
Sichtweisen
Eine mögliche Lösung funktioniert ganz ähnlich
wie bei Herausforderung Nummer Eins, indem
man eine dritte Sicht im Controlling einführt
und als Managementbewertung „durch-
schleift“. Eine Transaktion (Verkauf des Pro-
dukts an den Anlagenbauer) wird also gleich
dreifach bewertet: Zum handelsrechtlichen
Verkaufspreis (Legalsicht), zu Konzernherstell-
kosten (Konzernsicht) und zum (in der Regel
jährlich auf Basis zum Beispiel eines cost-plus
Verfahrens verhandelten) Managementpreis
(Management- oder Profit-Center Sicht). Je
nach Controlling-Fragestellung wird dann die
jeweils passende Sicht herangezogen.
Paralleles Controlling innerhalb
einer Legaleinheit
Wie kommt es dazu, dass innerhalb derselben
Legaleinheit sowohl Produkt- als auch Projekt-
controlling gefragt ist? Natürlich könnte bei-
spielsweise ein Produktunternehmen einen
Projektfertiger erwerben und in die eigene
Legaleinheit eingliedern. Der häufigere Fall ist
aber eine organische Entwicklung vom Produkt-
zum Projektgeschäft oder umgekehrt.
Entwicklungslinien
Die Entwicklung von einem reinen Produktferti-
ger zu einem Projektfertiger folgt häufig einer
Art „Zwiebelmodell“ (vgl. Abbildung 2). Dabei
werden um das oder die ursprünglichen Pro-
dukte im Laufe der Zeit Schicht um Schicht
weitere Leistungen und Services entwickelt
und angeboten. Dies geschieht meist nicht
ganz freiwillig, sondern aufgrund von Markter-
fordernissen.
des Projektcontrollings vor- und nachkalkuliert
werden muss.
Herausforderung konzerninterne
Transferpreise
Zwei Herausforderungen können sich aber hin-
sichtlich der konzerninternen Transferpreise er-
geben. Herausforderung Nummer Eins besteht
darin, dass im Rahmen der Konzernkonsolidie-
rung Zwischengewinne eliminiert werden müs-
sen. Dies ist mitunter technisch nicht ganz ein-
fach, weil die zugekauften Produkte bei Anla-
genbauern häufig nicht im anonymen Lagerbe-
stand liegen, sondern Bestandteil der unfertigen
Leistungen (Projektbestand) sind.
Das ist zunächst natürlich ein rein buchhalteri-
sches Problem, denn das Controlling pro Le-
galeinheit liefert die gewohnten Ergebnisse.
Wenn man jedoch den Anspruch hat, ein Projekt
„Weltergebnis“ (konzernweit) zu ermitteln, dann
wird es spannend. Sofern alle beteiligten Einhei-
ten mit einem gemeinsamen ERP-System (zum
Beispiel SAP) arbeiten, kann man neben dem
handelsrechtlichen Verkaufspreis zusätzlich die
Herstellkosten des Produkts entlang der ge-
samten Wertschöpfungskette „durchschleifen“.
Man erhält dann zwei parallele Sichten auf das
Projektcontrolling: Eine „legale“ Sicht auf Basis
des handelsrechtlichen Einkaufspreises und
eine Konzernsicht auf Basis der Konzernher-
stellkosten. Je nach Fragestellung kann dann
eine der beiden Sichten herangezogen werden.
Neben den technischen Herausforderungen
zeigt sich in der Praxis, dass der Faktor Mensch
ebenso problematisch sein kann. Dieses paral-
lele Controlling ist wesentlich leichter umzuset-
zen, wenn der Anlagenbauer Transparenz über
die Herstellkosten des Konzernlieferanten hat.
Für diese Transparenz fehlt es jedoch in man-
chen Konzernen am erforderlichen Vertrauen.
Die Herausforderung Nummer Zwei entsteht
dann, wenn die Transferpreise zwischen den
Legaleinheiten im Wesentlichen steuerlich mo-
tiviert sind. Dies kann beispielsweise dazu füh-
ren, dass der Produktverantwortliche eine
schlechtere Marge an ein- und demselben Pro-
dukt hat, wenn er es anstatt an einen Dritten an
den konzerninternen Anlagenbauer verkauft.
Abb. 2: Vom Produkt- zum Projektfertiger
(„Zwiebelmodell“)
Parallelität von Projekt- und Produktgeschäft im Maschinen- und Anlagenbau
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