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Viele international tätige Unternehmen, die ver-
suchen, aus betriebswirtschaftlicher Sicht ihren
Konzerndeckungsbeitrag zu maximieren, um im
Wettbewerb bestehen zu können und um die
nötige Finanzkraft für zukünftige Investitionen
sicherzustellen, fühlen sich von den steuerli-
chen Anforderungen an Verrechnungspreise
(VP) eingeengt und überreguliert. Andererseits
ist verständlich, dass Regierungen ein Interesse
daran haben (müssen), dass diese Unterneh-
men ein Ergebnis im lokalen Land ausweisen
und versteuern, das dem angemessenen Teil
der lokalen Wertschöpfung im Verhältnis zur
Gesamtwertschöpfung des Konzerns ent-
spricht. Bereits an dieser Stelle erkennt man,
dass die Ziele und daraus abgeleitet die Logik
der Bildung der VP aus Controlling- und steuer-
licher Sicht häufig nicht deckungsgleich sind.
Beide Aufgaben, einerseits die Entwicklung ei-
nes für den Konzern optimalen Steuerungskon-
zepts und andererseits die Kalkulation und Fak-
tura von weltweiten steuerlich angemessenen
VP, sind jeweils für sich betrachtet bereits sehr
komplex und anspruchsvoll.
Ziele und Zielkonflikte von
steuerlichen und Steuerungs-
Verrechnungspreisen
Controller verfolgen mit der Setzung von VP
das Ziel, ein gewünschtes Verhalten hervorzu-
rufen, um letztlich den
Konzerngewinn zu
maximieren
. Mitarbeiter der
Steuerabtei-
lung
haben jedoch die Aufgabe, die weltwei-
ten gesetzlichen steuerlichen Verpflichtungen
zu erfüllen. Im VP-Bereich bedeutet dies, si-
cherzustellen, dass die Konzerngewinne im
Einklang mit der lokalen Wertschöpfung
anfallen (vgl. Abbildung 1). Aufgrund der hier
beschriebenen Ziele kann man sich gut vor-
stellen, dass es in der Praxis schwierig sein
dürfte, mit ein und demselben VP beide Abtei-
lungen glücklich zu machen. Das Beispiel in
Abbildung 2 soll dies veranschaulichen.
In Abbildung 2 gelten als gesetzt die Herstel-
lungskosten von P i. H. v. 400, die Vertriebskos-
ten von V i. H. v. 120 sowie der Endkundenpreis
i. H. v. 600. Es stellt sich also die Frage, zu
welchem „richtigen“ VP P an V fakturieren soll.
Theoretisch sollte der VP zwischen 400 und
480 liegen. Abbildung 3 zeigt nun die Sicht des
Controllings und der Steuerabteilung.
Aus
steuerlicher Sicht
werden Vertriebsge-
sellschaften (VG) in der Praxis oft als die weni-
ger komplexen Einheiten gesehen und daher
als sog. Routine-Unternehmen qualifiziert.
Dies hat zwingend zur Folge, dass die VG eine
stabile und angemessen kleine EBIT-Marge
erzielen muss. Das Residualergebnis steht
dem Strategieträger zu, der in der Regel für
Einkauf, F&E, Produktion und die Finanzierung
des Konzerns verantwortlich ist. Als steuerlich
„richtige“ VP-Methode wäre die Wiederver-
kaufspreis- oder die TNMM-Methode (Trans-
aktionsbezogene Nettomargen Methode) zu
wählen. Aus
controllerischer Sicht
könnte
die Produktionsgesellschaft als Cost Center
gesehen werden mit der Folge, dass Margen
nicht in der Produktion, sondern im Revenue
oder Profit Center der Vertriebsgesellschaft
gezeigt werden würden. Als VP-Methode
käme eine „at cost“ oder eine „C+“-Methode
zum Einsatz. Abbildung 4 zeigt die GuV-Effekte
einer C+ 5%-Methode (= IST) und einer
TNMM 3%-Methode (= SOLL).
In diesem Beispiel wird (realistisch) angenom-
men, dass die Betriebsprüfung erfolgreich ar-
gumentiert, dass der V nur eine EBIT-Marge
von 3% und nicht von 10% zusteht. Insofern
käme es zu einer Gewinnerhöhung bei der P
i. H. v. 42 mit den Folgen einer Doppelbesteue-
rung (Mehrsteuern = 30 % * 42), Nachzah-
lungszinsen (6% p.a. * Mehrsteuern) und ggfs.
Strafzuschlägen (max. 10% * 42). Die Cash-
Belastung wäre erheblich. Daher ist dringend
zu empfehlen, zunächst zu überprüfen, ob VP-
Verrechnungspreise für steuerliche und
für Steuerungszwecke
Ein ewiger Streit? Hintergründe und Lösungsvorschläge für die Praxis
von Jörg Hanken
Verrechnungspreise
Abb. 1: Ziele von VP aus Controlling - u. Steuerlicher Perspektive
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