CONTROLLER Magazin 5/2018 - page 56

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Am Ende einer Beziehung sagt man gerne,
man habe „sich auseinandergelebt“. Keiner der
Beteiligten ist wirklich schuld – es funktioniert
nur einfach nicht mehr. So ähnlich dürften vie-
le Unternehmen im Hinblick auf ihre Software
für das Finanzwesen empfinden: Eigentlich
wollen sie Schluss machen, aber die Macht der
Gewohnheit oder die Aussicht auf eine an-
strengende Suche nach einer neuen Lösung
halten zurück. Doch mit den alten Systemen
kommen die Finanzabteilungen globaler Unter-
nehmen ihrem eigentlichen Ziel nicht näher:
endlich zum strategischen Geschäftspartner
der Unternehmensleitung zu werden. Zeit für
einen grundlegenden Neustart.
Fortschritte in Finanzabteilungen vollziehen
sich meist in kleinen Schritten: Einige sind
schneller im Rechnungsschluss geworden, an-
dere haben die Effizienz ihrer Compliance- und
Kontrollprozesse verbessern können. Doch die
meisten sind noch weit davon entfernt, die stra-
tegische Rolle einzunehmen, die sie anstreben.
Das Problem ist in vielen Fällen die über Jahr-
zehnte gewachsene komplexe Infrastruktur an
Softwarelösungen. Bei einigen Unternehmen
befinden sich Systeme für Finanzmanagement
im Einsatz, die älter sind als mancher Firmen-
gründer – sie wurden zum Teil vor 30 Jahren
angeschafft.
Dass Systeme schon in die Jahre gekommen
sind, heißt nicht zwangsläufig, dass sie ungenü-
gende Ergebnisse liefern – doch viele CFOs sind
auch in Bezug auf diesen Aspekt unzufrieden:
41 Prozent der Finanzvorstände kritisierten in
einer Studie von CFO Research
1
, ihre Teams
kämen nicht rechtzeitig an die richtigen Daten.
Fast zwei Drittel sagten, ihre Informationssys-
teme seien doppelt und dreifach vorhanden, die
Systeme seien zu kompliziert und Informationen
zur Entscheidungsfindung nicht gut genug.
Frankenstein-Software
aus dem Accounting
Das Urteil verwundert nicht: Einmal ange-
schafft, wurden die alten Systeme auf tausend
verschiedene Arten individualisiert. Der Preis
für diese Maßschneiderei ist allerdings hoch:
Eine solche über die Jahre immer komplexer
gewordene Infrastruktur frisst Zeit und Res-
sourcen, ist teuer im Unterhalt und lässt sich
nur mehr schwerlich bedienen oder auf den ak-
tuellen Stand bringen. Solche Systeme bauten
meist auf relationalen Datenbanken auf. Die
Chargenberichtsprozesse dauerten oft Stun-
den. Transaktionen – eine der Hauptaufgaben
der Finanzabteilung – wurden unweigerlich
langsam und schwerfällig.
Bewertet man diese Art von Infrastrukturen,
muss man bedenken, dass die alten Systeme
für andere Anforderungen entwickelt und opti-
miert wurden: für die der Buchhaltung, nicht für
ein modernes Finanzmanagement. Mit den ver-
änderten Aufgaben in den Finanzabteilungen
wurden deshalb nach und nach neue Module
und Funktionen angegliedert. Die Komplexität,
die sich dadurch über die Jahre ergeben hat, ist
ein Problem. Fast noch schlimmer ist allerdings
die steigende Anfälligkeit für Fehler, weil
schrittweise die Kontrolle über entscheidungs-
kritische Daten verloren ging.
Zeit für frischen Wind
Ob man technische Innovationen nun als Risiko
oder als Chance wahrnimmt, ein Blick auf den
Markt zeigt: Neue Technologien wie Cloud und
In-Memory-Computing sind in Unternehmen
aller Größen längst angekommen und werden
den Markt weiter durchdringen: Die Investiti-
onen in Cloud-Systeme werden laut der ame-
rikanischen IT-Marktforschung IDC im Jahr
2020 in Deutschland fast die Hälfte des IT-
Budgets (47%) in Anspruch nehmen
2
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Transformation im Finanzwesen
Transformation im Finanzwesen
Neues System, neue Liebe – Frühlingsgefühle
bei Finanzmanagern und Controllern
von Christoph Kull
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