CONTROLLER Magazin 5/2018 - page 41

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Thorsten Jekel:
Coca-Cola konnte z. B. durch
den Einsatz von iPads im Vertrieb seine Pro-
duktivität um über 20 Prozent steigern.
Prof. Dr. Nicole Jekel:
Das klingt beträchtlich!
Wie genau hat Coca-Cola das geschafft?
Thorsten Jekel:
Ulrik Nehammer hat als
Deutschland-Chef von Coca-Cola seinerzeit die
richtigen Fragen gestellt. Vor der iPad-Einfüh-
rung brauchte Coca-Cola bei Kioskbetreibern
ca. vier Wochen, bis ein neuer Coca-Cola-Kühl-
schrank vor Ort stand und entsprechend mit
den Produkten befüllt wurde. Das Gute war,
dass ein Auftragseingang vorlag, doch der Um-
satz erfolgte quasi mit vier Wochen Zeitverzug.
Prof. Dr. Nicole Jekel:
Das ist in vielen Unter-
nehmen so, dass der Auftragseingang und die
Umsätze auseinanderklaffen. Und welches war
die Kernfrage von Ulrik Nehammer?
Thorsten Jekel:
Er stellte nicht die Frage, wie
man diesen Prozess verkürzen könne, sondern
die Frage: „Wie schaffen wir es, einen Kühl-
schrank statt in vier Wochen in 24 Stunden zum
Kunden zu bekommen?“
Prof. Dr. Nicole Jekel:
Ich denke, da war es
still im Raum!?
Thorsten Jekel:
Genau. Es war ganz still.
Mucksmäuschenstill. Ein wesentlicher Baustein
bei der Umsetzung dieses Ziels war der smarte
Einsatz von vernetzter Technologie. Durch den
intelligenten Einsatz moderner Technologie
kann nicht nur die Zeitspanne zwischen Auf-
tragseingang und Umsatz verkürzt werden,
sondern der gesamte Vertriebsprozess opti-
miert werden. Genau das hat Coca-Cola sehr
konsequent umgesetzt.
Prof. Dr. Nicole Jekel:
Wieso reicht Technolo-
gie nicht allein, um einen Prozess zu ändern?
Thorsten Jekel:
Technologie allein reicht nicht.
Coca-Cola hat darüber hinaus auch seinen
gesamten Vertriebsführungsprozess umge-
krempelt. Durch die Kombination dieser Ele-
mente wurde ein Change-Prozess in Gang
gesetzt, der durch das Management aktiv
begleitet werden musste. Ulrik Nehammer hat
in diesem Projekt sehr konsequent im Sinne
der Balanced Scorecard bzw. Strategy Map die
Ziele in umsetzbare Messgrößen übersetzt.
Prof. Dr. Nicole Jekel:
Dann wird die Balanced
Scorecard ja auch endlich nach 26 Jahren mal
richtig gelebt. Wie kann ich mir das vorstellen?
Thorsten Jekel:
Ulrik Nehammer hat sich ge-
fragt, welche finanziellen Ziele erreicht werden
sollen und durch welche Kundenziele das er-
reicht werden kann. Im nächsten Schritt stellte
er die Frage, welche Prozesse dafür wie opti-
miert werden müssen. Abschließend stellte er
die Frage, wie dazu die Menschen und Systeme
weiterentwickelt werden müssen, um diese
Prozesse sicherzustellen.
Prof. Dr. Nicole Jekel:
Macht es denn nicht
auch manchmal Sinn, neue Technologien im
Unternehmen einfach mal auszuprobieren?
Thorsten Jekel:
Absolut. Auch anders herum
hat sich Ulrik Nehammer neue technische Ent-
wicklungen angesehen, beispielsweise die
Augmented Reality. Er fragte: „Wie kann diese
Technologie genutzt werden, um die bestehen-
den Prozesse weiter zu optimieren, damit die
Kunden begeistert sind und letztendlich noch
profitabler werden?“ Ulrik Nehammer hat bei-
spielsweise bei IKEA gesehen, wie Augmented
Reality eingesetzt wird: Bei IKEA gibt es eine
App, mit der man seine IKEA-Möbel virtuell in
seiner eigenen Wohnung platzieren kann.
Prof. Dr. Nicole Jekel:
Wie funktioniert Aug-
mented Reality bei Coca-Cola?
Thorsten Jekel:
So können Kunden heute bei-
spielsweise auf dem iPad des Verkaufsberaters
die verfügbaren Kühlschrankmodelle virtuell in
ihrem Verkaufsraum platzieren und per Unter-
schrift auf dem iPad bestellen. Der Verkaufs-
berater kann dann sofort die Erstbestückung
bestellen und 24 Stunden später hat der Kunde
einen Kühlschrank mit dem Coca-Cola-Sorti-
ment in seinem Verkaufsraum, so dass beide
Parteien mehr Umsatz machen können.
Prof. Dr. Nicole Jekel:
Das klingt schlüssig.
Wir übernehmen gute Ideen aus anderen
Branchen, überlegen uns zuerst, wie wir sie in
unserer Branche intelligent einsetzen können,
um letztlich unsere Kunden noch profitabler zu
machen. Daraufhin optimieren wir unsere Pro-
zesse, lernen hinzu, indem wir noch besser
beraten und am Ende steigern wir unsere Um-
sätze. Wie schaut das denn in den meisten
Unternehmen aus?
Thorsten Jekel:
Viele Unternehmen kaufen
einfach iPads, verteilen sie an die Mannschaft
und das war’s.
Prof. Dr. Nicole Jekel:
OK. Nicht wirklich
smart. Was wären denn die richtigen Fragen,
die sich die Geschäfts- bzw. Vertriebsleitungen
stellen sollten?
Thorsten Jekel:
Die wichtigsten Fragen sind,
wie kann das iPad dabei helfen, die Zeitspanne
vom Erstkontakt bis zum Abschluss und vom
Abschluss bis zum Umsatz zu verkürzen? Ein
iPad macht beispielsweise dann Sinn, wenn ein
Abschluss bereits im ersten Kundengespräch
getätigt werden kann, statt, wie bisher, im
Nachgang ein Angebot an den Kunden zu schi-
cken. Damit wird die Abschlussquote signifi-
kant erhöht und die Anzahl von Terminen bis
zum erfolgreichen Verkaufsabschluss häufig
halbiert. Darin liegt der Hauptproduktivitäts-
hebel eines iPads im Vertrieb.
Prof. Dr. Nicole Jekel:
Was sind die Ursachen,
dass Außendienstler häufig abschlussschwach
sind?
Thorsten Jekel:
Wenn Außendienstler zu ab-
schlussschwach sind, hat das häufig zwei Ur-
sachen. Die erste Ursache ist menschlicher
Natur. Vertriebler haben Angst vor Ablehnung.
Das ist ein Trainings- und Führungsthema. Der
zweite Grund ist, dass es die heutigen Technik-
systeme schwermachen, einen sofortigen Ab-
schluss zu tätigen. Sowohl die rechtliche Situati-
on als auch die technischen Möglichkeiten erlau-
ben es aber in fast allen Organisationen, sofort
einen Abschluss mit dem iPad zu tätigen.
Prof. Dr. Nicole Jekel:
Gibt es weitere Unter-
nehmen, die mit einem ähnlichen Denkansatz
wie Coca-Cola ihre Produktivität erhöhen konn-
ten? Oder ist das ein Coca-Cola-spezifisches
Thema?
Thorsten Jekel:
Mercedes-Benz in den Verei-
nigten Staaten hat beispielsweise die Abschluss-
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