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sodass sich die grundlegend unterschiedlichen
Fähigkeiten und Tätigkeiten kaum in ein einzel-
nes Profil überführen lassen. Die Befürwortung
und Vehemenz der IT-Branche hinter den Vor-
stößen zur Neuausrichtung des Controllings
sind häufig auch eigennützig, da sie zu einem
innerbetrieblichen Bedeutungszuwachs führen.
Inwieweit der geforderte „Data Analyst“ neben
seiner hohen IT-Kenntnisse dann in der Lage
ist, die Kernkompetenz der Controller zu über-
nehmen, nämlich die betriebswirtschaftliche
Reflektion der Daten, erscheint fraglich. Inner-
halb der Organisation würde ein (noch) IT-lasti-
geres Profil der Controller die Wahrnehmung
dieser erneut verändern. Inwieweit die betrieb-
liche Wahrnehmung des Controllings jedoch
nach schwieriger, jahrelanger Profilbildung vom
„Finanzpolizisten“ zum „Business Partner“ nun
abermals verwässert werden soll, gilt es sei-
tens der Unternehmensführung wohlüberlegt
abzuwägen. Das Controlling muss zweifelsohne
zukünftig durch IT-Expertentum gezielt ergänzt
werden. Dies könnte aber auch durch eine
zusätzliche IT-Einheit beim Business Partner
geschehen. Hier sind vielfältige aufbauorgani-
satorische Ansätze denkbar.
Fazit
Die Auseinandersetzung mit „Digitalisierung“
ist bedeutsam und unerlässlich. Ebenso wichtig
ist es aber, sich zunächst Zeit zu nehmen für
die Definition einer Strategie im Umgang damit.
Produkte und Argumente der Berater sollten
auf tatsächlichen Nutzen und Mehrwert für das
Unternehmen kritisch hinterfragt und mit Au-
genmaß umgesetzt werden. Die Frage sollte
stets lauten: Ist das, was nun technisch möglich
dung, welche Serien neu entwickelt werden,
zwar eine bedeutende Rolle ein, jedoch lägen
Projektionsmodelle zu den erwarteten Zu-
schauerzahlen auch oft daneben. Der Beitrag
dieser Analysen zur Entscheidung wurde mit
30% beziffert. Daten könnten vor allem helfen,
bereits gefasste Tendenzen zu bestätigen.
3. Kompetenzdissonanzen und
Rollenverständnis des Controllers
Die Forderung, dass sich Mitarbeiter auf das
„digitale Zeitalter“ umstellen müssen, ist
grundsätzlich legitim und nachvollziehbar. Als
„Data Owner“ steht das Controlling an vor-
derster Front im Austausch mit der IT. Das
Controlling hat somit häufig die führende Rolle
in Digitalisierungsprojekten und steht in der
Pflicht der Koordination. Ohne ein auch techni-
sches Verständnis ist diese Rolle nicht wahr-
nehmbar. Um der hohen IT-Relevanz im Profil
der Controller Ausdruck zu verleihen, wird ak-
tuell diskutiert, diese zukünftig bspw. als „Data
Analyst“ oder „Data Manager“ zu bezeichnen
bzw. direkt durch IT-Experten zu ersetzen.
Gleichzeitig sollen die Controller intern weiter
ihre bisherigen Aufgaben wahrnehmen. Ist das
erfolgversprechend?
Als Business Partner sollen Controller kritische
Sparringspartner des Managements sein und
eine hohe Kommunikations-, Präsentations-
und Durchsetzungsfähigkeit besitzen. Sie sol-
len interdisziplinäre Projekte leiten, als Change-
Agents ganzheitlich prozessual denken und
Veränderungen koordinieren und moderieren.
Die Kompetenzen von Softwareentwicklern
liegen üblicherweise in anderen Bereichen,
und kostengünstige Anwendung dieser Verfah-
ren ist nun möglich. Dies setzt aber voraus,
dass der Anwender die Methoden kennt und
die Ergebnisse richtig zu interpretieren weiß.
Und genau darin liegt die eigentliche Herausfor-
derung. Aus langjährigen Erfahrungen wissen
wir, dass ein wahlloses Analysieren von Daten
ohne eine inhaltlich begründete Vermutung
oder Untersuchungsfrage vorab zu falschen
Schlüssen führen kann. Ein einfaches Beispiel
zeigt Abbildung 1.
Die beiden Entwicklungen zeigen eine nahezu
perfekte Korrelation zwischen den US-Ausga-
ben für Weltraum, Wissenschaften und Tech-
nologie (rot) und der Anzahl an Selbstmorden
durch Hängen, Erdrosselung und Erstickung
(schwarz) von 1999 bis 2009. Dass diese Kor-
relation auf keinem inhaltlich erklärbaren Zu-
sammenhang (Kausalität) basiert, ist an diesem
Beispiel unmittelbar einleuchtend. Was aber,
wenn die beiden Merkmale nicht so direkt er-
kennbar in keinem kausalen Zusammenhang
miteinander stehen, sondern in einem offen-
sichtlichen Zusammenhang zu stehen schei-
nen? Nicht erst seitdem Kahneman für seine
Verknüpfung der Wirtschaftswissenschaften
mit den Erkenntnissen der Psychologie den
Wirtschafts-Nobelpreis erhalten hat, wissen
wir, dass unser Denken anfällig ist für systema-
tische Fehler (vgl. Kahneman 2011). Wo alles
technisch möglich erscheint ist eine sorgfältige,
theoriebasierte Datenanalyse durch den kom-
petenten Anwender geboten. Unternehmen
sollten nicht dem Irrglauben erliegen, dass Al-
gorithmen allein zukünftig den Weg zur Markt-
führerschaft ebnen. Dies wurde jüngst auch
von Netflix bestätigt. Der Streamingdienst
räumt Datenanalysen zur Entscheidungsfin-
Abb. 1: Zusammenhang zwischen US Ausgaben für Wissenschaft und Selbstmorde durch Hängen (vgl. Vigen 2018)
Controlling im Digitalisierungswahn?