CONTROLLER Magazin 5/2018 - page 25

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Mit dieser Verschiebung des Steuerungsfokus
kommen kundenbezogene Ergebnisinforma-
tionen zunehmend in das Blickfeld. Was kann
die Kostenrechnung dazu beitragen? Diskus-
sionen darüber werden schon seit langem ge-
führt. Eine Zeitlang war die Diskussion sehr
lebhaft, zusammengefasst unter dem Schlag-
wort „Kundenwert“. Ihr Ansatz war aber kein
kostenrechnerischer, sondern ein investitions-
rechnerischer. Berechnet wurde (und wird)
der Kapitalwert eines Kunden.
Eine solche Berechnung stellt hohe Anforde-
rungen an die darin einfließenden Informa-
tionen. Gleiches trifft aber auch für den perio-
dischen Kontext der Kostenrechnung zu. Ein Teil
der benötigten Informationen wird zwar schon
auf dem Fakturierungsbeleg ausgewiesen:
Neben dem Umsatz stehen dort Hinweise auf
mögliche Boni (Gesamtumsatzrabatte), Frach-
ten und ggf. spezifische Verpackungskosten.
Diese lassen sich dem Kunden, der die Rech-
nung bezahlt, leicht zuordnen. Insofern kann
man sehr einfach Kundendeckungsbeiträge er-
mitteln. Allerdings stellt sich die Frage, was
denn mit anderen kundenspezifischen Kosten
passieren soll, z. B. den Kosten für die Betreu-
ung durch den Vertrieb, F&E-Kosten, die von
einem speziellen Kunden angestoßen werden,
um ein Produkt kundenspezifischer zu machen,
Kosten der Veränderung der Produktionssteue-
rung, um Kunden mit besonders hohen Anfor-
derungen an Liefergenauigkeit und Liefer-
schnelligkeit zu befriedigen – die Liste der Bei-
spiele ließe sich noch deutlich verlängern.
Ich bin gerade mit der Auswertung der Ergeb-
nisse einer empirischen Studie zur Zukunft
der „deutschen“ Kostenrechnung beschäftigt.
Dort wurde das Thema Kundenerfolgsrech-
nung ebenfalls angesprochen. Zwei Ergebnis-
se: Zum einen besitzen längst nicht alle Unter-
nehmen bzw. Geschäftsbereiche innerhalb
der Unternehmen eine solche Rechnung in
ausgebauter Form. Zum anderen scheuen alle
den Aufwand, über den Produktdeckungsbei-
trag und die Frachten hinaus Kosten kunden-
spezifisch zuzuordnen.
Eine solche Haltung ist verständlich. Es fragt
sich aber, ob die damit mögliche Basisversion
einer Kundenerfolgsrechnung in Zukunft aus-
reicht. Wenn Anforderungen einzelner Kunden
immer weiter zunehmen, geht es nicht an, dass
die Kosten dieser individuellen Anforderungen
auf dem Rücken der anderen Kundschaft sozi-
alisiert werden. Ein genaueres Rechnen ist
erforderlich. Dieses muss ja nicht unbedingt
permanent erfolgen, sondern kann auch – und
vielleicht viel besser – fallweise passieren.
Warum sollte man ein Instrument wie das Target
Costing nur auf Produkte beziehen? Es wäre
doch naheliegend, es auch auf Kunden anzu-
wenden. Vielleicht wäre das ja auch eine gute
Idee für einen Controller, mit der er den Vertrieb
zum Nachdenken bringen kann – und vielleicht
wäre das besser, als immer nur eine Steigerung
der Margen anzumahnen!
Der klassische Fokus des Vertriebs liegt auf
Produkten. Auf diese ist auch die Kostenrech-
nung ausgerichtet. Wer kennt nicht das typi-
sche Kalkulationsschema, das bei den Mate-
rialkosten beginnt und bei den Selbstkosten
aufhört?
Seit geraumer Zeit werden Kunden immer
wichtiger. Hierfür sind mehrere Gründe maß-
geblich. In vielen Branchen haben einzelne
Kunden eine starke Wettbewerbsposition er-
langt, können eine hohe Käufermacht auf sich
vereinen. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Han-
del, wo sich das Kräfteverhältnis zwischen Re-
tailern und Markenartikelunternehmen zuneh-
mend in Richtung erstere zu verschieben
scheint. Ein zweiter Grund: Die Bedürfnisse der
Kunden werden immer individueller. Einzelne
Kunden ziemlich holzschnittartig bestimmten
Kundengruppen zuzuordnen, reicht immer we-
niger aus. Was für die Produktion die Losgröße
1 ist, ist für den Vertrieb heute der individuelle
Kunde, den er mit all seinen Präferenzen und
Reaktionen in der neuen digitalen Welt tracken
und bedienen kann. Insgesamt wundert es
nicht, dass sich immer mehr Unternehmen kun-
denbezogen aufstellen und die Kundenpers-
pektive in der Steuerung eine immer wichtigere
Bedeutung gewinnt.
Kennen Sie die Erfolge
Ihrer Kunden?
von Jürgen Weber
Autor
Prof. Dr. Dr. h. c. Jürgen Weber
ist Direktor des Instituts für Management und Controlling
(IMC) der WHU – Otto Beisheim School of Management Cam-
pus Vallendar, Burgplatz 2, D-56179 Vallendar;
edu/controlling. Er ist zudem Vorsitzender des Kuratoriums
des Internationalen Controller Vereins (ICV).
E-Mail:
CM September / Oktober 2018
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