CONTROLLER Magazin 5/2018 - page 22

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rer Sicht erst wenige verstanden, obwohl das
genauso wichtig ist für DAX, KMUs oder den
einzelnen Handwerks- oder Servicebetrieb.
Auch das Verständnis, dass man in einer
„Realtime-Welt“ keine langen Ex-Post-Analy-
sen fahren muss und dann mit Entscheidungen
viel zu spät reagiert, weil man mit Vergangen-
heitsdaten arbeitet, muss sich ändern. In der
„Realtime-Welt“
ist die Transaktion ohne
Wirkungsverzögerung das Maß der Dinge.
Biel:
Die Digitalisierung, beispielsweise der
Einsatz und die Nutzung von Robotern und
Algorithmen, wirft völlig neue Fragen auf, etwa
Aspekte der Haftung und Verantwortung. Ver-
antwortung ist ein ethisches Problem. Die Bun-
deskanzlerin hat auf dem Weltwirtschaftsforum
2018 in Davos eine „ethische Form des Ma-
nagements disruptiver Entwicklungen“ gefor-
dert. Brauchen wir eine
begleitende ethische
Debatte?
Schell:
Wie bereits angesprochen, müssen
Rahmenbedingungen gesteckt werden – auch
ins Unbekannte. Wir wissen, dass wir Techno-
logien nicht stoppen können. Entsprechende
Regeln können aber sehr wohl Gesetz werden,
Biel:
Industrie 4.0 usw. Unternehmen 4.0 und
andere Begriffe haben sich als Stich- und
Schlagworte etabliert, um auszudrücken, dass
sich die vierte Phase der industriellen Revolu-
tion in den Unternehmen auswirkt. Hierzu ist
eine Fülle von Ansätzen im Gespräch. Kann man
einen Kern der Veränderungen ausmachen?
Stockrahm:
Wenn die Leser den Begriff CIM
(Computer Integrated Manufacturing) aus den
1980ern noch kennen, wissen sie, dass wir
immer schon automatisiert haben, das ist ja
eigentlich auch eine Stärke unserer Wirtschaft:
der permanente Trieb nach Effizienz.
Biel:
Das ist sicher so. Aber – was ist denn jetzt
neu oder anders?
Stockrahm:
Was sich aber mit dem Internet
der Dinge (IoT) verändert, sind
Sichtweisen
auf Komponenten, Datenverfügbarkeit
und
damit auch eine neue Transparenz im eigenen
Unternehmen. Wer heute das Konzept des „Di-
gitalen Zwillings“ (ein „Digitaler Zwilling“ ist die
digitale Form eines realen Objekts) in sein Ge-
schäftsmodell einbindet, muss anders koope-
rieren und kollaborieren. Das haben aus unse-
Biel:
Sehen Sie in diesem Problem auch eine
Chance?
Stockrahm:
Ja, auch dieses Thema sollten wir
als Chance anerkennen. Auf Basis der neuen
Technologien werden sich dazu ganz
neue Be-
rufsfelder
und Entwicklungsmöglichkeiten für
Mitarbeiter ergeben.
Biel:
Arbeit 4.0 wird oft mit einem unange-
nehmen Beigeschmack als „schöne neue Ar-
beitswelt“ betitelt. Die Digitalisierung verän-
dert, wie wir arbeiten. Worauf müssen wir uns
einstellen?
Schell: Die Arbeitswelt
wird sich allein durch
die Geschwindigkeit verändern, mit der wir
neue Möglichkeiten entwickeln. Wir können
heute kaum noch beschreiben, was das für
heute Geborene im Jahr 2030 bedeuten wird.
Aber wir wissen, dass wir neue Kooperations-
und Lernmodelle gestalten müssen. Natürlich
werden wir eine ethische, moralische und auf
Forschung bezogene Ausbildung liefern müs-
sen. Auf der anderen Seite wird es stärker um
individuelle Befähigung und Flexibilität gehen,
als einmal einen Beruf gelernt zu haben und
dann 40 Jahre in diesem Beruf auf die Rente
hinzuarbeiten. In dem Sinne: Ja, wir werden
permanent dazulernen, aber das machen wir
doch eigentlich heute schon.
Biel:
Bedeutet dies, wir müssen uns mit neuen
Arbeitsformen und neuen Rahmenbedingungen
arrangieren?
Schocke:
Was sich
ändern wird, ist das Um-
feld
: Begriffe wie Eingewöhnungsphase, Um-
schulung oder Regelarbeitszeit werden dann
nicht mehr existieren. Dafür wird die Lebens-
qualität im Zusammenhang mit Mensch-Ma-
schine-Kommunikation sowie autonomen und
verbundenen Infrastrukturen eine andere sein.
Ebenso wird sich mit der zunehmenden Digita-
lisierung die Art und Weise, sowie die Ge-
schwindigkeit und Qualität der Kommunikation
zwischen den Mitarbeitern oder, allgemeiner,
zwischen den Menschen, verändern. Auch hier
ergeben sich durch den Einsatz neuer Techno-
logien neue Chancen, etwa in verteilten Teams
Content-bezogen zu kommunizieren, zu analy-
sieren und gemeinsam Entscheidungen zu tref-
fen und zu dokumentieren.
Autoren
Otto Schell
ist unter anderem Mitglied des Vorstandes IoT/Business Trans-
formation bei der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe e.V.
(DSAG) und Global Enterprise SAP Business Architect und
Head of CCoE bei der Opel Automobile GmbH. Er gilt als einer
der profiliertesten Kenner und Experten rund um das Thema
Digitale Transformation über die Zukunft von Business Archi-
tekturen, Arbeit, Organisation und Führung.
E-Mail:
Volker Stockrahm
ist bei Ernst & Young verantwortlicher Partner für das Thema
Integrated Digital Planning. Hierzu gehört ebenso die Entwick-
lung neuer Geschäftsmodelle und -prozesse auf der Basis digi-
taler Technologien. Seit über 20 Jahren ist er im Bereich der
End-to-End Supply Chain Beratung tätig.
E-Mail:
Prof. Dr. Kai-Oliver Schocke
ist Professor für Produktion und Logistik an der Frankfurt
University of Applied Sciences. Zuvor war er 14 Jahre bei der
Evonik Industrie AG in leitender Funktion tätig. Seine For-
schungsschwerpunkte liegen in der Digitalisierung von Wert-
schöpfungsketten, insb. der Integration von technischen mit
kaufmännischen IT-Systemen.
E-Mail:
Herausforderungen und Probleme der Digitalisierung
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