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Biel:
Aber woran liegt dies aus Ihrer Sicht?
Schell:
Aus unserer Sicht liegt das auch dar-
an, dass in den meisten Unternehmen noch
Legacy-Systeme bzw. -Prozesse
, d. h. his-
torisch gewachsene Anwendungen im Bereich
Unternehmenssoftware, vorhanden sind, die
man in der ersten Standardisierungsphase
nicht mitgenommen hat. Diese Brüche existie-
ren dann mit Workarounds und Abstimmun-
gen bis heute.
Biel:
Haben wir heute andere, bessere Mög-
lichkeiten?
Schocke:
Ja, heute haben wir andere Mög-
lichkeiten damit umzugehen und das Thema
Datenmanagement
– zum Beispiel über Ro-
botic Process Automation (RPA) oder langfris-
tig inhärente künstliche Intelligenz – anders
anzugehen. Dazu kommt noch, dass wir von
Netzwerken reden, in denen Lösungen zum
Beispiel für Finanzkonsolidierungen oder Supply
Chain anders ansetzen.
Biel:
Können wir also auch im Zuge des tech-
nologischen Fortschritts keine „heile Daten-
welt“ erwarten?
Stockrahm:
Kaum, denn selbst mit Standardi-
sierungsansätzen und dem Einsatz von RPA
und KI (Künstliche Intelligenz) werden wir auch
zukünftig
keine vollständig heile Datenwelt
haben. So ehrlich sollten wir sein. Daten verän-
dern sich über die Zeit permanent und dyna-
misch, und zum Teil auch nicht vorhersehbar!
Die Digitalisierung wird nicht von sich aus eine
vollständig heile Datenwelt bringen. Es werden
hier weiterhin Experten und gutes Wissen über
die Datenzusammenhänge gebraucht werden.
Biel:
Damit ergeben sich auch Aufgaben und
Chancen für Controller und andere Tätigkei-
ten, die sich aktiv mit der „neuen Datenwelt“
befassen?
Schell:
Es geht nicht nur um die „neue Daten-
welt“, sondern vielmehr darum, zu verstehen,
was eine „Realtime Welt“ mit sich bringt. Bisher
wurden Daten gesammelt, verarbeitet, inter-
pretiert und dann irgendwann, eigentlich wenn
es schon zu spät ist, zur Entscheidungsvorlage
vorbereitet. In einer digitalen Umgebung pas-
siert das Real-Time, Budgets werden in der Si-
mulation viel greifbarer, Makros werden mit
Machine Learning im ersten Schritt und nach-
haltiger über künstliche Intelligenz abgelöst.
Damit wird der alte Controlling-Ansatz un-
ter anderem „ad Absurdum“ geführt, und
wir werden Controlling ganz neu überden-
ken und mehr ins Situative übersetzen
müssen.
„Real-Time-Dashboards“ werden
hier sicherlich zeitnah eingeführt werden. Diese
bedeuten aber neben einer anderen Art von
Controllern auch eine intensivere Zusammen-
arbeit aller Funktionen.
Biel:
Cyberkriminalität, Angriffe auf Computer-
systeme und Netzwerke sind zu einem sehr
ernsten Problem geworden. Es häufen sich die
Angriffe, selbst die Datenwelt der Bundesregie-
rung ist nicht sicher. Wir werden im Zuge der
Digitalisierung immer abhängiger von Compu-
tersystemen und Netzwerken, aber offenbar
auch durch Cyberattacken immer angreifbarer.
Was bedeutet dies?
Schocke:
Zuerst wäre es wichtig, dass wir
uns im Klaren sind, dass es
100-prozentige
Sicherheit nicht geben wird
. Wo ein Wille ist,
ist auch ein Weg für Kriminelle.
Biel:
Aber was können wir tun? Wozu raten Sie?
Schocke:
Es geht vor allem darum, Eingriffe
früher zu erkennen oder – noch wesentlich
wichtiger – Rahmenbedingungen zu definieren,
die den neuen Technologien entsprechen.
Wenn wir von verteilten Netzwerken reden,
können neue technologische Ansätze wie
Blockchain
eine Lösung für Verfolgbarkeit und
auch Unverfälschlichkeit darstellen, das müssen
wir viel aktiver angehen.
Abb. 1: Umfrage zu den Auswirkungen der digitalen Transformation, 04/2016 (Quelle: Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe e. V.)
CM September / Oktober 2018