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eine grob gezeichnete Schatzkarte mit einem X
darauf, aber den genauen Weg dorthin kennt
man nicht. Sieht man sich etwas um, so erkennt
man schnell zwei alternative Möglichkeiten. Auf
den ersten Blick glaubt man, den richtigen Weg
gefunden zu haben. Geht man nun diesen, so
muss dieser nicht unbedingt der beste Weg
sein, auch wenn er vielleicht zum Ziel führt (vgl.
Abbildung 1).
Das gesamte Labyrinth mit den alternativen
Wegen bestmöglich zu kennen rechnet sich
besonders dann, wenn ein möglicher Irrweg
teuer ist, so wie das bei der TU Wien der Fall
ist. Aus diesem Grund kann es hilfreich sein,
bereits in frühen Phasen eine wirtschaftliche
Evaluierung der möglichen Szenarien durch-
zuführen. Dies kann dazu beitragen, den For-
schungs- und Entwicklungsprozess möglichst
nicht nur
effektiv
, sondern auch zielgerichtet
effizient
zu gestalten.
Die Methode zur Entwicklung
des Modells oder Howto
Um das gesteckte Ziel zu erreichen, muss
eine Kennzahl gesucht werden, die das Ziel
bestmöglich widerspiegelt. Gerade in frühen
Phasen, in denen erst wenig Information vor-
liegt, tendiert man dazu, nur die bekannten
Kosten zu vergleichen. Der richtige Zugang ist
aber natürlich eine Kennzahl, die den zu er-
wartenden Gewinn unter den besonderen
Umständen darstellt. Gewinne ergeben sich
durch Erlöse minus Kosten. Aus diesem Grund
ist es notwendig, die Fragestellung in zwei
Teilfragen zu trennen.
Die erste Teilfrage, die der Kosten, wird gelöst,
indem Wissen aus der Energiebranche ange-
wendet wird. Die Gestehungskosten, oder Leve-
lized Costs of Electricity (LCOE) genannt, sind
die am weitesten verbreitete Methode, um die
ökonomische Machbarkeit von verschiedenen
Stromerzeugungstechnologien zu prüfen. Sie
ermöglicht es, Investitionen bei unterschiedli-
chen Kostenstrukturen vergleichbar zu ma-
chen. Jedoch stellt diese nur eine Abstraktion
der Realität dar, um als Kennzahl zu fungieren.
Ein großer Vorteil dieser Methode ist die Dar-
stellung der Kennzahl in einer Größenordnung,
die man aus dem täglichen Leben kennt. Wer
schon einmal für sich selbst eine Immobilie ge-
kauft hat, dem kommt folgende Situation viel-
leicht vertraut vor: Über Tausende von Euros an
Mehrkosten wird relativ freizügig entschieden,
wohingegen beim Einkauf im Discounter jeder
einzelne Cent zählt. Die Gestehungskosten las-
sen erkennen, dass bei der Photovoltaikanlage
A der Strom 8 Euro je MWh kostet, während
beim Erdgaskraftwerk B der Strom 9,5 Euro je
MWh kostet. Anhand dieses einfachen Bench-
marks lassen sich leichter Vergleiche ziehen als
durch die Informationsflut von seitenlangen
Gewinn- und Verlustaufstellungen über die
nächsten zig Jahre.
Die Herleitung funktioniert wie im Folgenden
dargestellt:
Formel (1)
LCOE – Levelized Costs of Electricity oder
Stromgestehungskosten [€/MWh]
t – Jahr t
T – Lebensdauer [a]
K
t
– Kosten zum Zeitpunkt t [€]
E
t
– Energie produziert im Jahr t [MWh]
r – Abzinsungszinssatz [%] - hier werden oft
die WACC verwendet
Die Stromgestehungskosten des jeweiligen
Jahres werden mit der produzierten Energie
des betrachteten Jahres multipliziert. Dieser
Betrag wird abgezinst und die Summe über die
gesamte Lebensdauer wird der Summe der ab-
gezinsten Kosten über die gesamte Lebens-
dauer gleichgesetzt, wobei die Investition als
Kosten zum Zeitpunkt 0 modelliert wird. Sofern
die Stromgestehungskosten als konstant mo-
delliert werden, kann die folgende Umformung
durchgeführt werden:
Formel (2)
Wählt man für den Abzinsungssatz die Weigh-
ted Average Cost of Capital (WACC), so kann
man explizit die angenommenen wahren Kapi-
talkosten aufgrund des zu nehmenden Risikos
berücksichtigen. Die WACC berechnen sich, in-
dem die notwendige Eigenkapitalverzinsung für
das zu nehmende Risiko und die Fremdkapital-
kosten anhand der anteiligen Gewichtung be-
rücksichtigt werden. Für eine Anlage mit ho-
hem Risiko ergibt sich so vielleicht ein zweistel-
liger Zinssatz, während für die sichere Variante
ein sehr niedriger Zinssatz Anwendung findet.
Die scheinbare Diskontierung der Energiemen-
ge ist durch die gezeigte Herleitung leicht nach-
vollziehbar. Es handelt sich dabei um das Er-
gebnis der Umformung und nicht um eine tat-
sächliche Diskontierung einer Menge. Trotzdem
ist gerade diese scheinbare Diskontierung der
Menge wichtig, da eben auch dadurch die ge-
samte Lebensdauer und das Risiko mitberück-
sichtigt werden. Komplexere Varianten könnten
Inflation oder Kostensteigerungen einkalkulie-
ren, die jedoch in diesem Artikel nicht behan-
delt werden.
Anhand eines einfachen Beispiels soll die Be-
deutung der Gestehungskosten demonstriert
Abb. 1: Illustration des Problems
CM September / Oktober 2018