Controller Magazin 4/2017 - page 28

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zweiten Phase wurde ebenfalls die Anwendung
im internationalen Kontext verprobt. In einer
nun dritten Phase erfolgt der sukzessive und
flächendeckende Roll-out der Methodik auf alle
nationalen Wertschöpfungsbereiche und aus-
gewählte internationale Standorte.
Lessons Learned, Best Practice
und kritische Reflexion
Die Einführung eines Chancen- und Risiko-
managements hat sich als komplexes aber
lohnenswertes Unterfangen dargestellt, das
allerdings bei den beteiligten Unternehmens-
bereichen Ausdauer erfordert. Folgende Er-
kenntnisse haben sich nach Projektabschluss
herauskristallisiert:
1. Planszenario:
Das Einfordern fachbereichsspezifischer Plan-
szenarien bewirkt die strategische Auseinan-
dersetzung und Präzisierung von mindestens
5 Planperioden auf Abteilungsebene.
2. Chancen- und Risikoorientierung:
Die synchrone Erfassung, Bewertung und
Steuerung von Risiken und Chancen liefert
erhebliche Beiträge für die potenzial- und
wachstumsorientierte Weiterentwicklung des
Unternehmens.
3. Erfassung und Bewertungsmethodik
Ein transparentes und einfaches Instrumenta-
rium zur Risiko- und Chancenklassifikation
reduziert mögliche Vorbehalte gegen die neue
Methodik und schafft schnell Akzeptanz.
4. Business Case und Maßnahmenplan
Business Cases sorgen vorhabenübergreifend
für die Vergleichbarkeit von Projekten und schär-
fen den Sinn für die notwendige Wirtschaftlich-
keit von Maßnahmen. Maßnahmenpläne und
transparentes Controlling sichern und dokumen-
tieren den Grad der Durchführung.
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reporten!
Das zumeist bereits bestehende Risikomanage-
mentreporting ist nun zu ergänzen.
Die klassi-
schen Risikokennzahlen werden nun durch
ein fachbereichsspezifisches Chancen-
portfolio ergänzt.
Das Chancen- und Risiko-
profil eines Fachbereichs wird somit transpa-
rent. Für nahezu jede wesentliche Chance und
jedes Risiko können ferner entsprechende
Kennzahlen entwickelt werden, die eine Verän-
derung des Ist-Zustandes aufzeigen. Wichtig
ist, dass die Fachbereiche bei der Erarbeitung
und Auswahl der Kennzahlen integriert werden,
um eine möglichst hohe Akzeptanz zu erzielen.
Der Chancen/Risiko-Indikator als
unternehmensweite Messgröße
Eine Messgröße, die in Summe alle unterneh-
mensweiten Chancen und Risiken erfasst, ist
der Chancen/Risiken-Indikator.
∑ Chancen (€)
∑ Risiken (€)
Die Entwicklung des C/R-Indikators über den
Zeitverlauf zeigt dem Management auf, wann
immer die Unternehmung mit großen Risiken,
respektive Chancen konfrontiert ist.
Als eine
Art unternehmerischer Seismograf sensibi-
lisiert diese Messgröße auf Entwicklungen,
die es zu managen gilt.
Nach erstmaligem
Erfassen lässt die bloße Größe der Kennzahl
ebenfalls eine Interpretation bezüglich der un-
ternehmerischen Gesamtsituation im Hinblick
auf das Chancen- und Risikenverhältnis zu.
Roll-Out des C/R-Management
Für die Einführung des strategischen Chancen-
und Risikomanagements wurden in der Gühring
KG etwa 18 Monate veranschlagt. Verfolgt wur-
de dabei ein 3-Phasen-Modell. In einer ersten
Phase wurde die Grundkonzeption entworfen
und mit dem Management abgestimmt. In der
zweiten Phase, mit einer Dauer von ca. 9 Mo-
naten, wurde ein Proof-of-Concept durch An-
wendung der Methodik in den drei Abteilungen
IT, Einkauf und Personal durchgeführt. In dieser
Chancen und Risiken. Hierbei hat sich be-
währt, dass die pragmatische und dialogori-
entierte Bewertung der Chancen und Risiken
die Akzeptanz des Instrumentariums in den
Fachabteilungen deutlich erhöht. Im An-
schluss obliegt es dem Controlling, alle Chan-
cen und Risiken auf einem Unternehmens-
portfolio zu konsolidieren. Für die Geschäfts-
führung eröffnet sich durch diese Art der
Visualisierung die Möglichkeit der Erfassung
und Einordnung vielfältiger und heterogener
Chancen- und Risikokomplexe.
Risiken vermeiden und Chancen
realisieren
Chancen- und Risikoportfolios erlauben die
Konzentration auf wesentliche Chancen und
Risiken. Die Ableitung von Quick Wins wird
hierbei vereinfacht. Methodisch stellt sich nun
die Frage, wie wesentliche Chancen unver-
züglich realisiert und entsprechende Risiken
gesteuert werden können. Das standardisier-
te Vorgehen sieht vor, dass die Fachabteilun-
gen in einem weiteren Zyklus, wiederum über
die Dauer von ca. 4 Wochen Maßnahmenplä-
ne entwerfen. Planungshorizont für die Maß-
nahmen sind wiederum die 5 Jahre des Plan-
szenarios. Maßnahmen haben dabei Aufga-
ben- oder Projektcharakter und können in
eine Konzeptions- und Realisierungsphase
unterschieden werden. Der Maßnahmenplan
hat fachbereichsspezifischen Charakter und
zeigt somit alle wesentlichen Vorhaben, die in
den nächsten 5 Rechnungsperioden federfüh-
rend durch die betrachtete Fachabteilung reali-
siert werden. Im Maßnahmenplan dokumen-
tiert eine rote Linie den Stand der Maßnahmen
zum gewählten Reportingzeitpunkt (z. B. dem
Quartalsende).
Zwei Aufgaben verbleiben hierbei beim Con-
trolling.
Zunächst werden für Maßnahmen,
die hohe Investitionen erfordern, standar-
disierte Business Cases eingefordert.
Die-
se zeigen eine Gegenüberstellung von Nutzen
und Aufwand und deren Auswirkung auf geeig-
nete KPIs. Die Business Cases sind der Ge-
schäftsführung zur Genehmigung und für die
Freigabe der Maßnahme vorzulegen. Durch
das Risikocontrolling erfolgt das Nachhalten
der Maßnahmen (vgl. Abbildung 2).
= C/R-Indikator
Chancenorientiertes Risikomanagement im Mittelstand
1...,18,19,20,21,22,23,24,25,26,27 29,30,31,32,33,34,35,36,37,38,...116
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