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Will man die auch gesetzlich geforderte Kern-
aufgabe des Risikomanagements gemäß §91
AktG
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erfüllen, „bestandsgefährdende Entwick-
lungen“ früh zu erkennen, müssen diese zu-
nächst einmal eindeutig definiert werden. Be-
standsgefährdende Entwicklungen sind nicht
etwa nur bestandsgefährdende Risiken, son-
dern im Allgemeinen Zukunftsszenarien, bei
denen irgendeine Kombination bestehender
Risiken zur Verletzung von Covenants oder
Mindestanforderungen an das Rating führt. Die
Früherkennung bestandsgefährdender Entwick-
lungen erfordert aufgrund der Nichtaddierbar-
keit von Risiken eine Risikosimulation (Monte-
Carlo-Simulation). Zum Aufzeigen von Ände-
rungen des „Grads der Bestandsgefährdung“
eines Unternehmens für die Unternehmens-
steuerung dienen die auch im neuen IDW PS
981 angesprochenen „Risikotragfähigkeitskon-
zepte“.
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Die Risikotragfähigkeitskonzepte mes-
sen durch eine geeignete Kennzahl den Ab-
stand der aktuellen Unternehmenssituation zu
dem Punkt, den man als „bestandsgefährden-
de Entwicklung“ auffassen kann. Gerade Risi-
kotragfähigkeitskonzepte helfen damit der Un-
ternehmensführung speziell auch vor Entschei-
dungen zu zeigen, welche Implikationen diese
für die Bestandssicherheit des Unternehmens
haben (und sind damit als wesentliche Key Per-
formance Indikatoren aufzufassen).
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Wün-
schenswert ist zudem anzugeben, mit welcher
Wahrscheinlichkeit in Anbetracht der vorhande-
nen Risiken mit einer solchen Entwicklung zu
rechnen ist, was durch die Risikoaggregation
unmittelbar möglich ist.
Risikotragfähigkeit
und Risikoaggregation
Die zentrale Anforderung an das Risikoma-
nagement eines Unternehmens besteht darin,
dass bestandsgefährdende Entwicklungen
(§91 Absatz 2 Aktiengesetz) früh erkannt
werden. Da es im Allgemeinen nicht Einzelrisi-
ken sind, die bestandsgefährdende Entwick-
lungen auslösen, sind hier insbesondere auch
Kombinationseffekte von Risiken im Rahmen
der Risikoaggregation (Monte-Carlo-Simulati-
on) zu analysieren.
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Für die Unternehmens-
steuerung (und eine adäquate Früherkennung
potenziell kritischer Entwicklungen) ist es al-
lerdings unzureichend, sich alleine mit der
Möglichkeit bestandsgefährdender Entwick-
lungen zu befassen. Offensichtlich interessant
ist eine Kennzahl, die den – wie auch immer
zu beschreibenden – Abstand zwischen der
aktuellen Situation des Unternehmens und ei-
ner „bestandsgefährdenden Entwicklung“,
z. B. in Euro, ausdrückt.
Grundlagen und IDW PS 981
Dieses Abstandsmaß soll durch ein Risiko-
tragfähigkeitskonzept bestimmt werden, das
CM November / Dezember 2017
Risikotragfähigkeit, Risikotoleranz,
Risikoappetit und Risikodeckungspotenzial
von Werner Gleißner und Marco Wolfrum