CONTROLLER Magazin 6/2017 - page 68

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teil übertragen werden sollte. Bei Eintritt in
dienstleistungsbasierte Geschäftsmodelle ist
es im Rahmen des Wertmanagements bzw.
strategischer Vorgaben des Industrieunter-
nehmens meist schon aus Akzeptanzgründen
unumgänglich, diesen Weg zu wählen. Bei
späterer Etablierung eines eigenen Produkt-
bereichs ist es dann jedoch ratsam, die Kapi-
talkostenvorgabe zu überprüfen. Die Ermitt-
lung der Vorgabe für das HLB-Geschäft kann
dabei Bottom-Up über die einzelnen (Dienst-
leistungs-) Produkte mittels eines zwischen-
betrieblichen Benchmarking erfolgen. Ver-
bleibt als letzter Parameter die Prognose der
Ein- und Auszahlungsströme, die durch den
vermehrten Einsatz produktbegleitender
Dienstleistungen zwar kontinuierliche Zah-
lungsströme über den Anschaffungszeitpunkt
hinaus ermöglichen, mit ihrem Dienstleis-
tungsanteil indes auch zu erhöhter Unsicherheit
führen. Daher ist es an dieser Stelle sinnvoll,
das CLV-Modell zu verfeinern bzw. entspre-
chende Datengrundlagen zu schaffen.
Verfeinerung des CLV-Modells
Abbildung 7 verdeutlicht die Erweiterung der
Berechnung für hybride Leistungsbündel, bei
Verbleib der Anlage im Eigentum des Anbie-
ters. Die Prognose der Einzahlungsströme
kann sich auf die entsprechenden Vereinba-
rungen in den Service Level Agreements (SLA)
stützen. Performance-Kennzahlen zum verfü-
gungs- und ergebnisbasierten Geschäftsmo-
dell, z. B. Verfügbarkeit, Betriebsstunden oder
Outputmengen, können dabei die Prognose
der Einzahlungsströme e
t
fundieren. Nach wie
vor vorhandene Unsicherheiten lassen sich
durch die direkte Einbindung des HLB-Anbie-
ters mit Sensorik zur Erfassung und intelligen-
ten Algorithmen zur Verarbeitung und Interpre-
tation der Daten zu den Betriebszuständen der
Customer Lifetime Value für
hybride Leistungsbündel
In Abbildung 6 ist die Grundformel des Custo-
mer Lifetime Value für einen Einzelkunden mit
ihren Parametern: a) Dauer der Kundenbezie-
hung, b) Ein- und Auszahlungen sowie c) Dis-
kontierungszinssatz dargestellt. Grundsätzlich
lässt sich schon diese Barwertberechnung
ohne Anpassungen auf die Berechnung des
HLB-Kundenwerts übertragen.
Dauer der Kundenbeziehung vorhersehbar
So unterliegt anders als bspw. in der Telekom-
munikations- oder Versandhandelsbranche die
Dauer der Kundenbeziehung bei der Prognose
geringer Unsicherheit. Sind diese Branchen auf
z.T. umfangreiche Ansätze wie z. B. Kundenbe-
wegungsbilanzen angewiesen
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, ergibt sich die
maximale Dauer der Kundenbeziehung des
HLB bereits aus dem Lebenszyklus des Inves-
titionsgutes, in vertragsbasierten Kundenbe-
ziehungen oder Betreibermodellen ist darüber
hinaus die minimale Dauer der Kundenbezie-
hung fixiert. Änderungen an diesem Intervall
ergeben sich bestenfalls aus einer Verlänge-
rung der Lebenszeit der Anlage, z. B. durch ein
Refit, welches der HLB-Anbieter ggfs. in sei-
nem Dienstleitungsportfolio hat, oder einen
Vertragsabbruch durch den Kunden, der je-
doch insbesondere in Betreibermodellen auf-
grund der engen dienstleitungsbasierten Ein-
bindung in die Prozesse des Kunden kaum
möglich bzw. für den Anbieter absehbar und
damit zu verhindern ist.
Bei dem Diskontierungssatz bzw. der Kapital-
kostenvorgabe des CLV steht der HLB-Anbie-
ter vor der Problematik, ob die Vorgabe des
Investitionsgütergeschäftes auch auf die
HLBs mit ihrem erhöhten Dienstleistungsan-
scher Bewertungsansätze, die neben bereits
bekannten Istgrößen, wie z. B. den Auszahlun-
gen für die Anschaffung bzw. Herstellung des
Investitionsgutes, sowohl auf der Ein- als auch
Auszahlungsseite überwiegend auf Prognose-
werten basieren. Wird bei der berücksichtigten
Erfolgsgröße auf den Zahlungsüberschuss ab-
gestellt, gelangt man schließlich zum Konzept
des Customer Lifetime Value (CLV). Dieser ist
der anbieterspezifische Kundenwert, der den
heutigen risikoadjustierten Residualwert der
(zukünftigen) kundenbezogenen Ein- und Aus-
zahlungen (Barwert der Kundenbeziehung)
ausdrückt.
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Gerade die Schätzungsgenauigkeit
des prospektiven Teils des CLV führen Kraft
und Rutsatz als Grund an, dass sich die CLV-
Rechnung im Business-to-Business Bereich
trotz der langfristigen Geschäftsbeziehungen
mit ihren hohen Ein- und Auszahlungen bislang
nicht etablieren konnte.
15
Zudem erfolgt in vie-
len Unternehmen im traditionellen Rechnungs-
wesen eine verursachungsgerechte kunden-
bezogene Zurechnung von Auszahlungen des
Anbieters nicht.
16
Im Investitionsgütergeschäft schwächt sich
das Hemmnis der Verrechnung jedoch ab, da
durch entsprechende Projektsysteme oder
Projekte als kostenrechnerische Instanzen in
ERP-Systemen eine Zuordnung der Ist-Grö-
ßen zu entsprechenden Abrechnungsobjek-
ten erfolgen kann. Gleichzeitig bieten mittler-
weile selbst ERP-Systeme, die auf den Ein-
satz in klein- und mittelständischen Unter-
nehmen abzielen, die Abrechnung von
Serviceaufträgen mit hinterlegten Servicever-
trägen an. Liegt der Berechnung zudem ein
vertragsbasiertes Geschäftsmodell, wie dies
bei den hybriden Produkten der Fall ist, zu-
grunde, kann sich auch die Schätzungsunge-
nauigkeit über vertragliche Regelungen und
Erfahrungswerte des Anbieters reduzieren, so
dass sich die Bewertung der Kundenbezie-
hung über das CLV anbietet.
Autor
Prof. Dr. Dipl.-Wirt. Ing. Stephan Kress
ist Professor für Betriebswirtschaftslehre, insb. Controlling,
an der Westfälischen Hochschule, Campus Bocholt.
E-Mail:
Tel.: 02871 2155 740
Abb. 6: Grundformel des Customer Lifetime Value
=
( − )
(1 + )
Controlling produktbegleitender Dienstleistungen
1...,58,59,60,61,62,63,64,65,66,67 69,70,71,72,73,74,75,76,77,78,...116
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