CONTROLLER Magazin 6/2017 - page 61

59
die in ein adäquates Managementsystem ein-
gebunden sind, werden sich schließlich positiv
auf eine Betriebsunterbrechungsversicherung
auswirken bzw. sind unabdingbare Vorausset-
zung bei der Lieferantenbewertung in stark
fragmentierten Wertschöpfungsketten.
Vielleicht sind unter diesem Gesichtspunkt die
extremen Working Capital-Optimierungen, wo
kaum mehr Lagerbestände gehalten werden,
sondern nur mehr Just in Time oder Just in Se-
quence bewirtschaftet wird, zu hinterfragen.
Vielleicht ist auch eine nationale oder europäi-
sche Second Source langfristig gesehen vorteil-
hafter, als einen Lieferanten noch weiter zu ‚op-
timieren‘ oder aus fernen Landen zu beschaffen.
Wenn man sich schon mit der Reduktion der
Abhängigkeit und Verwundbarkeit des Betrie-
bes von Energiesystemen beschäftigt, kann ein
positiver Nebeneffekt das Auffinden von Ein-
sparungspotenzialen durch Energieeffizienz
sein. Denn Energie, die man nicht benötigt
braucht man auch nicht vorhalten. Ebenso kön-
nen eigene Ökostromanlagen trotz hoher An-
schaffungskosten die Rentabilität erhöhen und
gegebenenfalls die Versorgungsunabhängigkeit
gewährleisten. Dies gilt für Unternehmen eben-
so wie für private Eigenheime.
Faktor Zeit
Der Zeitfaktor bezieht sich nicht nur auf die
mögliche Ausfallszeit, sondern auch auf die Zeit
vor und nach dem Stromausfall. Dazu zählen
Risiken
unterbewertet werden. Denke das Un-
denkbare ist das Motto, weil die Gefahr imma-
nent vorhanden ist und trotz Vorkehrungen der
Netzbetreiber und der öffentlichen Einrichtun-
gen der ‚Schwarze Schwan‘
16
auftreten kann.
Risikoidentifikation, -bewertung,
Maßnahmen
Bei der Risikoidentifikation wird es entschei-
dend sein, die einzelnen Organisationseinhei-
ten danach zu beurteilen, ob kein, mittlerer
oder ein hoher Handlungsbedarf für den Grad
der gewünschten Verfügbarkeit erforderlich ist,
bevor die präventiven Maßnahmen geplant
werden. Organisationseinheiten können Abtei-
lungen, Fachbereiche, Labors, Produktions-
bereiche, Fertigungslinien, aber auch ganze
Standorte sein.
Faktor Kosten-Nutzen
Schließlich werden Kosten-Nutzen Aspekte die
Auswahl der Vorkehrungen beeinflussen. Wo-
bei nicht nur die einmaligen Errichtungskosten,
sondern auch die laufenden Kosten für die Be-
triebsbereitschaft kalkuliert und ausreichende
Budgetmittel bereitgestellt werden müssen,
z. B. die Anschaffung eines Notstromaggrega-
tes oder sogar Netzersatzanlagen, die regelmä-
ßig wiederkehrenden Überprüfungen, die War-
tung und die ständige Bereitstellung des Treib-
stoffes in ausreichender Qualität und Quantität.
Dem Risikoprofil entsprechende Maßnahmen,
sorgung eingerichtet werden. Damit könnte
etwa auch das sichere Herunterfahren oder,
wenn notwendig, ein Notbetrieb bei Stromaus-
fall sichergestellt werden. Dabei geht es gar
nicht nur um das Szenario „Blackout“. Diese
Lösung kann etwa durch die Puffermöglichkei-
ten auch zu einem sicheren Betrieb bei Extrem-
wetterlagen beitragen, oder bei den derzeit
steigenden Mikroversorgungsunterbrechun-
gen, die vor allem in der produzierenden Indus-
trie enorme Schäden verursachen. Ganz abge-
sehen davon, dass mit den derzeit notwendigen
Energieeffizienzmaßnahmen auch sinnvolle
Synergien genutzt und damit auch der eigene
Energieverbrauch bzw. die Kosten optimiert
werden können. Als Nebeneffekt wird auch
noch die Robustheit des eigenen Unterneh-
mens erhöht.
Kat-Leuchttürme
Es gibt mittlerweile auch konkrete Überlegun-
gen für die Errichtung von einfachen kommuna-
len (Not-)Energiezellen, mit denen im Fall von
länger andauernden Stromausfällen lokale Ka-
tastrophen-Leuchttürme
15
für und durch die
Bevölkerung eingerichtet werden können. Auch
das kann für größere produzierende Unterneh-
men eine sinnvolle Überlegung sein, um sich
etwa innerbetrieblich bei eingeschränkten
technischen Kommunikationsmöglichkeiten
besser organisieren zu können.
Risikomanagement
Aufgrund der hohen Technisierung, Automati-
sierung und Digitalisierung ist Strom und ver-
fügbare Infrastruktur eine lebensnotwendige
Voraussetzung für eine funktionierende Wirt-
schaft. Selbst kurzfristige Störungen und Aus-
fälle der Netze können erhebliche Schäden ver-
ursachen. In stark abhängigen (Groß-) Industri-
en bzw. kritischen Organisationen (z. B. Spitä-
ler) wird ein Stromausfall im Risikomanagement
als
operationales Risiko
gesehen. Oft passie-
ren aber in der Wahrnehmung und im Umgang
mit Komplexität und folglich auch in der Ein-
schätzung von Ursache-Wirkung Fehler, was im
Eintrittsfall zu den sogenannten Dominoeffek-
ten führt. Kaum Berücksichtigung findet jedoch
ein Blackout, da grundsätzlich
systemische
Autoren
Herbert Saurugg, M.Sc.
ist Experte für die Vorbereitung auf den Ausfall lebenswichtiger
Infrastrukturen. Er beschäftigt sich seit 2011 mit der steigenden
Komplexität im europäischen Stromversorgungssystem und dem
Szenario eines europaweiten Strom- und Infrastrukturausfalls.
E-Mail:
Brigitta John, MBA
ist Regionaldirektorin der Risk Management Association. Vormals
Financial Director bei einer amerikanischen Werbe- und Media-
agentur, Geschäftsführerin von Michelin Österreich und CFO bei
einem Unternehmen der Automobilzulieferindustrie.
E-Mail:
CM November / Dezember 2017
1...,51,52,53,54,55,56,57,58,59,60 62,63,64,65,66,67,68,69,70,71,...116
Powered by FlippingBook