CONTROLLER Magazin 6/2017 - page 60

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gänglich. Derzeitige Ansätze, wie der überregio-
nale Netzausbau oder unter dem Stichwort
„Smart Grid“, führen zu einer weiteren Steige-
rung der Komplexität und Verwundbarkeit. Zu-
dem lassen sich komplexe Systeme nicht zent-
ral steuern. Von der Natur abgeschaut, machen
daher nur dezentrale autonome Energiezellen
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Sinn, da damit auch unabhängig von möglichen
Störereignissen die Robustheit des Systems
deutlich erhöht werden kann.
Energiezellensystem
Hier ist ein weitreichender Paradigmenwechsel
erforderlich, da dieser Ansatz nicht so effizient
und kostengünstig wie ein Großsystem ist, zu-
mindest, solange keine Großstörung auftritt.
Fehlende Energie oder eine Großstörung, wie
sie in diesem Beitrag dargestellt wurde, kann
jedoch durch nichts in der Welt und schon gar
nicht durch Geld ersetzt werden. Daher wird
spätestens nach dem ersten Blackout kein Weg
mehr an einem zellulären System vorbeiführen.
Genau genommen gab es ein solches bereits
vor der Marktliberalisierung, nur eben auf Groß-
kraftwerke abgestimmt. Mit der Marktliberali-
sierung (Stichwort: Energy-Only-Market) wur-
den diese an physikalischen Rahmenbedingun-
gen ausgerichteten Zellen jedoch aufgelöst.
Der besondere Vorteil des Energiezellenansat-
zes ist, dass er störungsfrei in das bestehende
zentralisierte System integriert werden und so
sukzessive zur Erhöhung der Robustheit des
Gesamtsystems beitragen kann.
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Wir werden
noch auf absehbare Zeit auch das zentralisierte
Großsystem für Großverbraucher (Industriege-
biete, urbane Räume) benötigen, aber mit ei-
nem Sowohl-Als-Auch können wir bereits heu-
te mit dem Umbau beginnen. Derzeit gibt es
noch zahlreiche rechtliche Hürden, die in Unter-
nehmen oft leichter zu bewältigen sind, als
etwa in Ortschaften oder Regionen. Es geht da-
bei um die Netznutzung, die sehr stark einge-
grenzt und auf das bisherige großtechnische
System ausgerichtet ist. Wenn ein Unterneh-
men jedoch bereits ein unternehmenseignes
Stromnetz betreibt, dann kann mit komplemen-
tären Erzeugungsanlagen (eigenen Kraftwer-
ken, Photovoltaik-Anlagen, Notstromeinrichtun-
gen) und Speicherlösungen eine Energiezelle
und damit auch eine intelligente Notstromver-
Personal, etc.)? Welche Reihenfolge beim wie-
der in Betrieb nehmen ist wichtig? Gerade in
dieser Phase wird Ihr Krisenmanagement be-
sonders gefordert sein, denn es geht auch um
externe Abhängigkeiten, die sich auf Ihr Unter-
nehmen negativ auswirken und die Sie kaum
beeinflussen können. Im schlimmsten Fall geht
es auch um den Fortbestand Ihres Unterneh-
mens, welcher durch schwere Schäden oder zu
erwartende wirtschaftliche Verwerfungen in
Frage gestellt werden könnte. Und vergessen
Sie nicht, dass Sie auch von Ihren Geschäfts-
partnern, Zulieferern und Infrastrukturbetrei-
bern und deren Zustand abhängig sind! Reden
Sie daher auch mit diesen bzw. binden Sie die-
se in Ihre Überlegungen ein.
Nur üben schützt vor bösen Überraschungen
Wie die Praxis leider immer wieder zeigt, kön-
nen die besten Pläne und Vorsorgen wertlos
sein, wenn man das Ganze nicht geübt hat, was
natürlich nicht in vollem Umfang möglich ist.
Aber wo immer es möglich ist, sollte das auch
genutzt werden, um die Praxistauglichkeit zu
verifizieren. Zum anderen zeigt sich gerade bei
technischen Vorkehrungen, dass ein zu hohes
Vertrauen oft nicht gerechtfertigt ist, schon gar
nicht, wenn diese Einrichtungen nicht regelmä-
ßig gewartet und getestet werden. Und noch-
mals der Hinweis auf Ihre wichtigste Ressource:
Ihr Personal, mit dem jede Krisenbewältigung
steht oder fällt!
Mittelfristige Lösungen
Die Energiewende ist derzeit vorwiegend eine
Stromwende mit Fokus auf eine dezentrale Er-
zeugung, was deutlich zu kurz greift, damit die
Energiewende gelingen kann. Gab es bis vor
wenigen Jahren in Europa noch tausende Groß-
kraftwerke, gibt es nunmehr bereits Millionen
zusätzliche dezentrale Kleinkraftwerke. Das eu-
ropäische Stromversorgungssystem wurde je-
doch für einfach berechen- und steuerbare
Großkraftwerke errichtet und auch sehr erfolg-
reich betrieben. Durch die Dezentralisierung
und sehr volatile Erzeugung ist jedoch mit dem
Ausbau der erneuerbaren Energieerzeugung ein
fundamentaler Systemumbau zu einem eben-
falls dezentralisierten Systemdesign unum-
Dennoch gibt es Basisüberlegungen, die bei je-
der Risikobetrachtung/-erfassung weiterhelfen
können. So wurden etwa vom Autor mehrere
Leitfäden aus seinen langjährigen Erfahrungen
und umfassenden Stakeholder-Prozessen zu-
sammengefasst, die auf seiner Homepage ab-
rufbar sind.
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Mein Unternehmen auf ein Blackout
vorbereiten
Natürlich stellt sich die Frage, welche Maßnah-
men nun konkret getroffen werden können bzw.
wo man anfangen soll. Im Wesentlichen geht es
um die Erfassung von Bereichen, wo in Folge ei-
nes Blackouts in Ihrem Unternehmen hohe
Schäden und Kosten entstehen können. Dazu
sind dann weitere Überlegungen erforderlich,
wie diese minimiert werden können. Hier wird
es vor allem um Notmaßnahmen und ein ra-
sches Herunterfahren in einen sicheren Zustand
gehen. Dazu sind Offline-Pläne mit Handlungs-
anweisungen erforderlich, auf die das Personal
entsprechend geschult und sensibilisiert wer-
den muss. Überlegungen, das Risiko vielleicht
an Versicherungen auszulagern, sollten kritisch
hinterfragt werden, da diese in diesem Fall
wahrscheinlich nicht zahlen werden (können). In
jedem Fall sind Betriebsunterbrechungsversi-
cherungen auf eine Leistungserbringung im Fall
eines Blackouts zu hinterfragen.
Vorbereitung schafft Wettbewerbsvorteil
In der ersten Phase wird es auch Ihren Mitbe-
werbern ähnlich ergehen. Daher haben hier alle
die gleichen Ausgangsbedingungen, was leider
auch fallweise als Argument herangezogen
wird, um nichts zu tun. Diejenigen, die sich aber
vorbereiten, können hier bereits wesentliche
Vorteile für das Wiederhochfahren schaffen, in-
dem Schäden reduziert und daher ein rascher
Wiederanlauf überhaupt erst möglich wird. Zum
anderen sind konkrete Überlegungen und Vor-
bereitungen für das Wiederhochfahren sehr
wichtig. Wie kann eine rasche und strukturierte
Schadens- und Lagefeststellung erfolgen? Vor
allem, welche Voraussetzungen sind erforder-
lich, damit ein Wiederhochfahren überhaupt
Sinn macht bzw. möglich ist (stabile Strom-
versorgung, Verfügbarkeit von Zulieferern und
Ein europaweiter Blackout
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