CONTROLLER Magazin 6/2017 - page 59

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onieren würden. Hier werden Ausfallsraten von
bis zu 60% (!) erwartet.
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Ein Zwischenfall lan-
dete bereits vor Gericht. Zum Glück machte
sich das Problem bei einem Versicherungs-
Datacenter während eines Notfalltests bemerk-
bar.
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Andernfalls hätte das schlimm enden und
ziemlich ins Geld gehen können.
Vernetztes, systemisches Denken
und Handeln
Um sich den tatsächlichen unternehmensin-
ternen und -externen Herausforderungen und
Risiken zu nähern, ist vor allem sehr viel Kom-
munikation mit und zwischen den Mitarbeitern
erforderlich, die am besten wissen, wo die kri-
tischen Bereiche liegen und welche Vorkeh-
rungen oder auch Improvisationsmaßnahmen
wirken könnten.
Der Umgang mit komplexen Herausforderungen
erfordert grundsätzlich vernetztes, systemi-
sches Denken und Handeln, nicht nur in Krisen-
situationen. Oftmals setzt das jedoch einen Pa-
radigmenwechsel voraus, wo wir derzeit in vielen
Bereichen massive Reibungsverluste mit bisher
erfolgreichem hierarchischen, linearen Denken
beobachten können. Aber die Herausforderun-
gen der Netzwerkgesellschaft und auch der er-
wartbaren und möglichen Verbundkatastrophen
erfordern neue, komplementäre Denk- und
Handlungsansätze, wo es noch kaum fertige
Lösungen gibt. Schon gar nicht solche, die
überall als „best practice“ einsetzbar wären, da
jedes System/jedes Unternehmen seine Eigen-
heiten hat, die individuell zu betrachten und zu
lösen sind und daher durchaus mit gewohnten
Kennzahlen und sonstigen Steuerungsinstru-
menten in Konflikt geraten können.
Kurzsichtige Überlegungen sind gefährlich
Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten
werden auch vom Controlling zusätzliche Maß-
nahmen, wie Risikovorsorgen, hinterfragt bzw.
abgelehnt, was sich jedoch längerfristig fatal
auswirken könnte.
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Daher sollte man hier nicht
zu kurzsichtig agieren bzw. besonders darauf
achten, dass mögliche Maßnahmen immer ho-
listisch betrachtet, umgesetzt und vor allem der
Faktor Mensch mitberücksichtigt werden.
schaft ein massiv unterschätztes Katastro-
phenszenario dar.
Was können nun Unternehmen tun?
Bereits 2007 hat die amerikanische Immobili-
enblase viele Fachexperten überrascht, noch
viel mehr die weitreichenden Folgenkrisen, ob-
wohl es bereits zuvor ausreichend Hinweise
gab, die aber zu wenig ernst genommen wur-
den. So ähnlich verhält es sich leider heute mit
unseren Infrastruktursystemen. So kommen die
Autoren einer Versicherungsstudie zu folgen-
dem Schluss:
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“The way in which the complexity of inter-
connected risks is assessed is painfully
similar to how financial risks were as-
sessed prior to the 2008 crash … in the
end, it was this very complexity which
helped bring the system down.”
Der erste Schritt beginnt daher mit der Ri-
sikoakzeptanz
, dass so etwas grundsätzlich
möglich, ja eigentlich sogar sehr realistisch ist,
auch wenn es dafür keine konkreten Zahlen
gibt. Die hochgradige Abhängigkeit von der
Stromversorgung und die sonstigen vielschich-
tigen Abhängigkeiten stehen heute wohl außer
Streit. Daher sollte dieses Szenario in keiner
Unternehmensrisikoanalyse fehlen. Dabei geht
es jedoch nicht um das Szenario „Stromaus-
fall“, das durchaus vorhanden ist,
sondern um
einen weitreichenden Strom- und Infra-
strukturausfall.
Praxistauglichkeit und Realitätscheck
Auch aus der Sicht des Controllers ist es rat-
sam, die getroffenen Maßnahmen (USV, Not-
stromversorgung, BCM/BCP, etc.) auf Praxis-
tauglichkeit zu hinterfragen. Auch hier zeigt
sich leider immer wieder, dass oft mehr Schein
als Sein vorhanden ist, und immerhin kann die
Betriebsbereitschaft und der Fortbestand des
Unternehmens gefährdet sein. So kam etwa
2014 die deutsche Studie „Neue Erkenntnisse
zur Lagerfähigkeit von Brennstoffen für Netzer-
satzanlagen“ zum Schluss, dass der Treibstoff
von Notstromeinrichtungen häufig kaputt ist
und daher die Anlagen im Ernstfall nicht funkti-
könnte durch einfache Maßnahmen – Kommuni-
kation – rasch und mit wenig Aufwand verbes-
sert werden. Hier ziehen sich Verantwortliche
gerne auf die Position zurück, dass man das
nicht anordnen kann bzw. jeder selbst dafür
verantwortlich ist. Damit befinden wir uns jedoch
in einer Sackgasse.
Wie leider auch immer wieder zu beobachten
ist, greift man lieber zu technischen Lösungen,
ohne den dazu notwendigen Faktor Mensch
ausreichend mit zu berücksichtigen. Mit organi-
satorischen Überlegungen und Maßnahmen
kann man jedoch weit mehr erreichen, als mit
technischen Lösungen, wenngleich beides er-
forderlich ist. Menschen sind in der Lage, in
Krisensituationen auch zu improvisieren, das
sollte nicht vergessen bzw. unterschätzt wer-
den, denn gerade darauf wird es im Fall des
Falles ankommen.
Falsche und zu optimistische Erwartungen
Bei der Auseinandersetzung mit dem Szena-
rio „Blackout“ ist leider auch häufig zu beob-
achten, dass das Szenario in seiner Tragweite
deutlich unterschätzt bzw. die erwartete eige-
ne Handlungsfähigkeit massiv überschätzt
werden. Typische Kennzeichen von systemi-
schen Risiken, die vor allem durch eine hoch-
gradige Vernetzung und wechselseitige Ab-
hängigkeiten, nichtlineare Entwicklungen und
Rückkoppelungen sowie kleine Ursachen,
große Wirkungen, bzw. mögliche Domino-
effekte gekennzeichnet sind. Wir sollten da-
her mehr auf „schwache Signale“ achten. Die
warnenden Hinweise werden lauter und deut-
licher. Die Wahrscheinlichkeit lässt sich auf-
grund der bisherigen sehr hohen Versor-
gungssicherheit nicht wirklich berechnen.
Daher geht es im Wesentlichen um die Frage,
ob wir auf ein solches Ereignis vorbereitet wä-
ren bzw. damit umgehen könnten. Die Netz-
betreiber bereiten sich auf den Tag X vor. Das
ist wichtig und die Basis für eine rasche Wie-
derherstellung der Stromversorgung nach ei-
nem solchen Ereignis. Jedoch wird diese trotz
allem Stunden bis Tage dauern, worauf der
Rest der Gesellschaft und die anderen Infra-
strukturbetreiber so gut wie nicht vorbereitet
sind. Daher stellt ein mögliches Blackout für
unsere moderne, stromabhängige Gesell-
CM November / Dezember 2017
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