65
Neben dieser Bewertungsperspektive können
Kundenwertmodelle nach weiteren Differenzie-
rungskriterien systematisiert werden, die zu-
sammen in Abbildung 5 aufgeführt und auf die
speziellen Anforderungen der HLB-Bewertung
übertragen worden sind. Die Bewertungsein-
heit bildet der Einzelkunde mit seinem HLB,
bzw., sofern der Kunde über mehrere Anlagen
verfügt, mit mehreren HLBs. Ziel des HLB-An-
bieters ist die wirtschaftliche Bewertung der
Kundenbeziehung über den Lebenszyklus des
Investitionsgutes bzw. HLBs. Viele Bestim-
mungsfaktoren, welche im Business-to-Consu-
mer Bereich Eingang finden, wie z. B. die Ab-
schätzung der Kundenlebenszeit, die Häufigkeit
der Kundenkontakte oder das Image des Kun-
den, sind im hier betrachteten Business-to-
Business Bereich bekannt oder für die Bewer-
tung des Einzelkunden nicht von Bedeutung,
sodass sich
Anzahl und Art der Komponen-
ten
vorrangig auf eindimensionale und mit dem
angestrebten Ziel der Bewertung der Wirt-
schaftlichkeit auf quantitative Modelle konzent-
rieren kann. Nichtsdestotrotz ist der hier ver-
folgte Ansatz um weitere Kriterien zu einem
mehrdimensionalen Bewertungsmodell, wie
z. B. dem bei der Kundenbewertung meist ein-
gesetzten Scoring-Modell, erweiterbar.
Customer Lifetime Value
Die geforderte mehrperiodische Betrachtung
über den gesamten Lebenszyklus im jeweiligen
HLB-Geschäftsmodell führt im Bereich des
Zeithorizonts zu der Notwendigkeit dynami-
sondern der Kunde sollte im Vordergrund der
Betrachtung stehen. Die Frage lautet daher
nun nicht mehr: „Rechnet sich das Produkt?“,
sondern „Bieten wir dem Kunden das bzw. die
hybriden Leistungsbündel an?“ Das Marketing
liefert mit dem Kundenwertbeitragskonzept
hierzu seit längerem einen interessanten An-
satz, der auch auf die Investitionsgüterindust-
rie bzw. die Geschäftsmodelle des HLB über-
tragen werden kann.
Übertragung des Kundenwert-
beitrags auf die Investitions-
güterindustrie
Seit den 90er Jahren des vergangenen Jahr-
hunderts wendete sich die Marketingfor-
schung nach ihrer Fokussierung auf die Pro-
duktpolitik vermehrt den Kundenbeziehungen
zu; einige Jahre später greift dann die Control-
ling-Forschung das Konzept im Rahmen des
Kundenwert-Controllings auf.
12
Der Kunden-
wert (Customer Value) kann dabei aus Kun-
den- oder aus Anbieterperspektive betrachtet
werden. Die Anbieterperspektive widmet sich
dem vom Anbieter wahrgenommenen Beitrag
eines Kunden oder des gesamten Kunden-
stamms zur Erreichung der monetären und
nicht-monetären Ziele des Anbieters.
13
Diese
Perspektive befasst sich folglich auch mit der
ökonomischen Beurteilung der Kundenbezie-
hung (customer equity), welche der HLB-An-
bieter bei der Planung seines Leistungsange-
bots anstreben sollte.
2. Verfügbarkeitsorientiertes HLB-
Geschäftsmodell
Der Anbieter garantiert neben der Funktionsfä-
higkeit zudem die Einsatzfähigkeit der Sachleis-
tung. Hierzu übernimmt er weitergehend Ge-
schäftsprozesse des Kunden, wie z. B. die vor-
beugende Instandhaltung, in Eigenregie. Anla-
gen können im Eigentum des Anbieters
verbleiben oder auf den Kunden übergehen. In
Abhängigkeit hiervon ist das Erlösmodell zu
wählen, das nach Zeit oder Produktionsmenge
gestaltet werden kann. Die Leistungsabrech-
nung basiert hierbei meist auf Kennzahlen zur
Anlageneffektivität bzw. Produktionsmenge.
Damit kann sich dieses Geschäftsmodell bzw.
dessen Zahlungsströme deutlich weiter von
dem traditionellen Investitionsgütergeschäft
unterscheiden.
3. Ergebnisorientiertes HLB-Geschäfts-
modell
Das ergebnisorientierte HLB-Geschäftsmodell
wendet sich mit der Orientierung an der Pro-
duktionsmenge dann komplett von traditionel-
len Zahlungsströmen ab. Dessen Einzahlungs-
ströme orientieren sich nicht mehr am Eigen-
tumsübergang, da die Anlage im Eigentum des
Anbieters verbleibt, sondern an der mit der
Sachanlage hergestellten Produktionsmenge.
Die Produktionsverantwortung und die Pro-
duktqualität geht mit eigenem Betriebsperso-
nal komplett auf den Anbieter des HLB über,
der die Produktionsleistung mit dem Kunden
abrechnet.
Paradigmenwechsel bei
der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung
Das HLB-Geschäftsmodell hat somit wesentli-
chen Einfluss auf die Zahlungsströme des In-
vestitionsgüterherstellers. Neben der Heraus-
forderung der Bewertung der (zusätzlichen)
Dienstleistungsanteile des HLB, bei der nicht
auf industrielle Kalkulationsgrundlagen, wie
z. B. Arbeitspläne und Stücklisten zurückge-
griffen werden kann, müssen zumeist einperi-
odische Bewertungsansätze des Auftragscon-
trollings um weitere Betrachtungsperioden der
Betriebsphase erweitert werden. Gleichzeitig
erfordert der veränderte Marktansatz einen
Paradigmenwechsel bei der Wirtschaftlich-
keitsbetrachtung. Nicht mehr das Produkt,
Abb. 5: Differenzierung von Kundenwertmodellen (nach Helm; Günter 2006, S. 10) sowie Einstufung der HLB-Bewertung
CM November / Dezember 2017