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gen, weil wir über sie verfügen und zumindest
indirekt – über Steuern und Abgaben – dafür
einen Preis bezahlen?
Dieser Streit war von Anfang an ideologisch
aufgeladen. Denn es geht nicht allein um
eine „sachliche Zuordnung“. Es geht um un-
terschiedliche Interessen. Hinter den „Fakto-
ren“ stehen Menschen. Beim Kapitalvermö-
gen geht es im Kern nicht um die Dinge, über
die Menschen verfügen. Sondern um Verfü-
gungsmacht über die Menschen selber.
Denn erst durch deren Kooperation entstehen
Geschäfte, aus denen Einkommen generiert
werden kann. Wobei vielfältige Geschäfte
vernetzt werden müssen, um Einkommen zu
erzeugen.
Geldgeschäfte:
Mit Bankern oder Investo-
ren. Irgendwo muss ein Unternehmen seine
Guthaben ja deponieren oder ausreichend
Bargeld abheben oder Kredite erlangen. Da-
mit es auf Einkaufstour gehen kann.
Einkaufsgeschäfte:
Da sind zum einen die
Lieferanten von Vorprodukten oder Maschi-
nen und Anlagen. Oder Firmen, die Gebäude
errichten. Oder bei denen wir Räume mieten
können. Oder die Dienstleistungen anbieten.
Haben wir mit ihnen schon gute Erfahrungen
gesammelt? Oder wurden sie uns empfohlen?
Da sind zum anderen die unterschiedlichsten
Menschen, die einen Teil ihrer Lebenszeit als
Arbeitszeit an unser Unternehmen verkaufen.
Sei es direkt als Mitarbeiter. Oder indirekt als
Honorarkräfte. Die meisten Menschen erzie-
len eigenes Einkommen, indem sie einen Teil
ihrer Lebenszeit als Arbeitszeit verkaufen. Mit
dem Einkauf werden die Verfügungsmacht
über diese Arbeitszeit und die daran gebun-
denen Fähigkeiten erworben. Aber nicht völ-
lig, sondern im Rahmen entsprechender Ver-
träge und des geltenden Arbeitsrechts.
Geschäfte mit intellektuellen Rechten:
Viele Unternehmen nutzen z. B. Patente und
zahlen an die Rechteinhaber entsprechende
Lizenzgebühren. Oder die Erfindungen eige-
ner Mitarbeiter, die ihre Rechte mit dem
Unternehmen entsprechend den gesetzli-
chen Bestimmungen oder darüber hinaus-
gehenden innerbetrieblichen Regelungen
gestalten.
der Wettbewerb im Rahmen digitaler Ge-
schäftsmodelle baut darauf auf, das Wissen
der Lieferanten in ein breites
Wertschöp-
fungsnetzwerk
einzubinden. Entsprechend
verändert sich die Art des Wettbewerbs. Er
schließt Entwicklungsgemeinschaften und fle-
xible Partnerschaften auf der Basis digitaler
Vernetzungen ein. Einseitiger Preisdruck ist
dabei nicht gerade hilfreich. Es geht vielmehr
um den Beitrag, den Lieferanten für unser „ge-
schäftsfähiges Wissen“ leisten. Und wir für sie.
Wir sind dabei, unsere Lieferantenprofile ent-
sprechend anzupassen.
Das ist schwerer Tobak für Controller. Gewinn
ist so ein mächtiges Symbol. Und es ist so klar
und einfach berechenbar. Was aber ist „ge-
schäftsfähiges Wissen“? Selbst wenn es das
neue Symbol wird – noch gibt es keine gefes-
tigte Definition für den Begriff. Und allgemein
akzeptierte Regeln für die Bewertung sind noch
nicht einmal in Sicht. Also helfen nur pragma-
tische Übergangslösungen. Geschäftsfähiges
Wissen macht Menschen neugierig, sich zu en-
gagieren. Indem sie kaufen. Oder Fördermittel
geben. Oder sich an Formen des Crowdfun-
dings beteiligen. Oder Ideen beisteuern, die un-
sere Angebote verbessern. Oder uns in anderer
Weise helfen, unsere Kosten zu decken. Ein-
schließlich der Kosten für unsere Weiterent-
wicklung. Mit geschäftsfähigem Wissen kreie-
ren wir Netzwerke, die das bewirken. Das zu
bewerten und aktiv zu fördern, ist zu einer neu-
en Aufgabe für unser Controlling geworden.
Zumindest erfassen wir erst einmal, wer sich
womit an unseren Bemühungen beteiligt und
wie sich die Beteiligung entwickelt. Dann wer-
den wir sehen.
Exkurs
Seit mehr als 200 Jahren streiten die Na-
tionalökonomen, was alles zum Kapitalver-
mögen gehört. Materielle Faktoren wie Pro-
duktionsmittel oder Grund und Boden? Finan-
zielle Faktoren wie Guthaben und Kredite?
Oder auch immaterielle Faktoren wie intellek-
tuelle Rechte und Netzwerke? Und was ist mit
dem „Faktor Arbeit“? Steht er im Gegensatz
zum Kapital oder ist er sein immanenter Teil?
Schließlich, was ist mit der Natur? Gehört sie
zumindest teilweise auch zum Kapitalvermö-
Geschäfte mit „Beeinflussern“:
Da sind
zum einen die verschieden organisierten Inte-
ressenvertretungen. Beispielsweise Tarifpart-
ner, die einen wesentlichen Einfluss auf die
Arbeitsverträge ausüben. Meist sind diese
Geschäfte indirekt. Tarifverträge werden
zwischen Arbeitgeber-Organisationen und
Gewerkschaften ausgehandelt. Es gibt aber
auch direkte Geschäfte. Z. B. wenn wir spe-
zielle Agenturen nutzen. Da geht es um Wer-
bung. Um die Positionierung auf Messen
oder auf Internet-Plattformen. Da geht es um
unsere Reputation.
Geschäfte mit der Natur:
Diese Geschäfte
erfolgen nach wie vor in großem Maße indi-
rekt. D. h. wir bezahlen sie vermittels Steuern
und Abgaben, die für die Reparatur von Schä-
den unserer Umwelt eingesetzt werden. Oder
wir bezahlen gar nichts. Bis die verursachten
Schäden als Katastrophen auf uns zurückfal-
len. Aber die direkten, verursacherbezogenen
Geschäfte nehmen zu. Bei Wasser und Ab-
wasser gibt es Verträge mit entsprechenden
Unternehmen. Wir bezahlen unmittelbar für
unseren Verbrauch. Beim Bergbau müssen
die Unternehmen die Regenerationskosten für
die verursachten Schäden tragen, dafür ent-
sprechende Rücklagen bilden und später ein-
setzen. Auch für die Entsorgung von Abfällen
muss jedes Unternehmen bezahlen. Für die
Inanspruchnahme von Grund und Boden als
Oberfläche gilt das eher eingeschränkt. Wir
müssen zwar eine Grunderwerbs- und eine
Grundsteuer bezahlen. Aber für die Versiege-
lung von Flächen oder anderweitige Inan-
spruchnahme der Regenerationskraft des Bo-
dens z. B. durch Überdüngung zahlen wir
nichts. Hier fehlt noch der Vertragspartner.
Ähnlich ist es bezüglich der Inanspruchnahme
von Luft.
Es fließen also vielfältige Interessen zusam-
men, wenn Kapitalvermögen genutzt wird,
um damit Einkommen zu erlangen. Und wie
hoch das erzeugte Einkommen ausfällt, ist
nicht nur davon abhängig, wie wir die Kunden-
interessen bedienen. Also zu welchem Preis
und in welchen Mengen wir unsere Produkte
zum Schluss verkaufen können. Sondern
auch, wie wir den anderen Interessen ge-
recht werden. Welchen Preis wir dafür be-
zahlen wollen, dass wir über deren Produkte
PreisGeld – mehr als eine Recheneinheit