CONTROLLER Magazin 2/2017 - page 65

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und praktischen Erarbeitung der Relevanz des
Risikomanagements für NPOs sowie an der
unvollständigen Analyse der Übertragbarkeit
bestehender Instrumente aus dem erwerbs-
wirtschaftlichen Bereich auf gemeinnützige
Unternehmen (vgl. Young 2009).
Volatilität nimmt auch für NPOs zu
Zunächst kann ganz allgemein festgehalten
werden, dass NPOs analog zu privatwirt-
schaftlichen Unternehmen globalen Heraus-
forderungen und Risiken ausgesetzt sind, die
sich auf Aktivitäten in einem komplexen und
volatilen Umfeld zurückführen lassen (vgl.
Greenlee/Tuckman 2007, Grace 2010). Ne-
ben diesen sektorenübergreifenden Aspekten
lassen sich für gemeinnützige Organisationen
spezifische Entwicklungstendenzen und wan-
delnde Rahmenbedingungen identifizieren. So
resultiert eine wachsende Komplexität aus de-
mografischen, gesellschaftlichen und politi-
schen Veränderungsprozessen, wie etwa der
erhöhten Mobilität von Personen und Kapital,
der Individualisierung der Gesellschaft und
dem Rückgang von öffentlichen Zuwendun-
gen (vgl. Heilmair 2009, Greiling 2009). Dar-
aus ergibt sich für viele NPOs die Notwendig-
keit, weitere Finanzquellen zu erschließen,
ohne dabei jedoch die gemeinnützige Identität
und Ausrichtung zu verlieren. Gleichzeitig sto-
ßen immer mehr privatwirtschaftliche Unter-
nehmen in Bereiche vor, die ursprünglich von
gemeinnützigen Organisationen dominiert
wurden, was in einer Intensivierung des Wett-
bewerbs sowohl innerhalb des NPO-Sektors,
aber auch mit privatwirtschaftlichen Unter-
nehmen resultiert. Dieser Prozess wird ver-
stärkt durch stagnierende Spenden sowie
eine abnehmende Zugehörigkeit und Basis-
bindung von Ressourcengebern, was sich
auch in der erschwerten Gewinnung von eh-
renamtlichen Mitarbeitern widerspiegelt (vgl.
Greiling 2009).
Besondere Gegebenheiten in NPOs
Neben diesen sektorspezifischen Dynamiken
und daraus resultierenden abweichenden
Rahmenbedingungen liegen weitere Gründe,
die für eine Anpassung des Risikomanage-
ments sprechen, in konstitutiven Merkmalen
gemeinnütziger Organisationen begründet. So
ist ein zentrales verbindendes Merkmal von
NPOs, dass im Mittelpunkt des Handelns
Sachziele sowie Aktivitäten zur Erreichung der
übergeordneten Mission der Organisation ste-
hen und monetäre Vorgaben beziehungsweise
Ertragsziele nur eine notwendige Nebenbe-
dingung darstellen. Damit ist zwar die Prämis-
se der Existenzsicherung als Aufgabe des Ri-
sikomanagements auch im NPO-Kontext von
elementarer Bedeutung, gleichzeitig ist jedoch
eine inhaltserweiternde Fokussierung und In-
klusion von qualitativen missionsgetriebenen
Zielen erforderlich (vgl. Greenlee/Tuckman
2007, Grace 2010). Auch auf monetärer Seite
ergibt sich eine Erweiterung des Aufgaben-
spektrums für das Risikomanagement, wenn
die verschiedenen Facetten der Ressourcen-
gewinnung von NPOs eingeschlossen werden
und darüber hinaus berücksichtigt wird, dass
vielfach die Rolle von Geldgeber und Leis-
tungsempfänger auseinanderfallen. Neben
den beiden Finanzierungsquellen der Leis-
tungsentgelte und Kredite, die sich mit dem
privatwirtschaftlichen Sektor decken, sind
Spenden und direkte oder indirekte Zuwen-
dungen von öffentlichen Haushalten erfolgs-
kritische Ressourcen. Aufgrund des Nichtaus-
schüttungsgebots kommt dagegen eine klas-
sische Beteiligungsfinanzierung für NPOs
nicht in Frage (vgl. Vilain 2006).
Vor diesem Hintergrund gewinnen in
NPOs insbesondere drei Bereiche an Be-
deutung:
Dies ist zum einen der Faktor
Per-
sonal
, bei dem ein konstituierendes Merkmal
von gemeinnützigen Organisationen das eh-
renamtliche Engagement in der Geschäfts-
führung sowie im operativen Bereich ist (vgl.
Greiling 2009). Ehrenamtliche Mitarbeiter in
Leitungs- und Kontrollorganen sowie das
Fehlen einer konsequenten
Eigentümerkon-
trollstruktur
, kombiniert mit vielfach „demo-
kratischen Entscheidungsmechanismen“, in
einem Umfeld divergierender Ziele, wirken in
NPOs nicht nur komplexitätserhöhend, son-
dern erschweren vor allem auch die Analyse
der Risikotoleranz der Organisation (vgl. An-
heier 2005). Durch das Auseinanderfallen
von Geldgebern und Leistungsempfängern
gewinnt darüber hinaus die
Reputation
und
Wahrnehmung in der Öffentlichkeit überpro-
portional an Bedeutung, und es ergibt
sich die Notwendigkeit, konkrete Leistungs-
nachweise zu erbringen sowie die Wirtschaft-
lichkeit und Wirksamkeit der erbrachten Leis-
tung zu dokumentieren (vgl. Grace 2010,
Middendorf 2005).
Insgesamt ergeben sich somit die folgen-
den Anforderungen und Ziele für das Risi-
komanagement in NPOs:
·
Damit die Organisation ihre gemeinnützige
Aufgabe auf Dauer verfolgen und unter Um-
ständen sogar ausweiten kann, muss das Ri-
sikomanagement die Existenz der Organisa-
tion sichern und Risikopotenziale aufdecken,
die die Verwirklichung der Missionsziele ge-
fährden könnten.
·
Mit Blick auf die Überlebensfähigkeit der
NPO ist die Reputation sowie die Dokumen-
tation und Kommunikation der Leistungsfä-
higkeit sowie zielgerichteten Verwendung zur
Verfügung gestellter Mittel an die Ressour-
cengeber ein zentrales Thema des Risikoma-
nagements (vgl. Grace 2010, Greiling 2009,
Greenlee/Tuckman 2007).
·
Vor dem Hintergrund komplexer Entschei-
dungsstrukturen und dem Engagement von
ehrenamtlichen Mitarbeitern in Leitungs-
und Kontrollfunktionen zählt es auch zu den
Aufgaben des Risikomanagements, durch
Erhöhung der Transparenz und kontinuierli-
che Kommunikation das Risikobewusstsein
auf verschiedenen Ebenen der Organisation
zu stärken (vgl. Middendorf 2005).
Status Quo des Risikomanage-
ments in deutschen NPOs
Zur empirischen Analyse der Notwendigkeit
des Risikomanagements in NPOs und der spe-
zifischen Bedürfnisse gemeinnütziger Organi-
sationen, wurden im Rahmen einer empiri-
schen Studie insgesamt 15 etablierte NPOs in
Deutschland untersucht und
mit Hilfe von se-
mi-strukturierten Experteninterviews nach
dem Implementierungsstand des Risiko-
managements befragt.
Die Struktur der In-
terviews orientierte sich dabei in erster Linie an
den verschiedenen Elementen und Schritten
des Risikomanagementprozesses, thematisier-
te aber auch aufbauorganisatorische Aspekte
sowie Probleme und Herausforderungen bei
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